Gottesdienst
Die Kirche im Hosensack: Mit Whatsapp-Gottesdiensten beschreitet die Seelsorgeeinheit Neutoggenburg einen digitalen Pfad

Die Seelsorgeeinheit Neutoggenburg bietet Whatsapp-Gottesdienste an, ein Artefakt aus den Corona-Lockdowns. Wie das funktioniert und was der Nutzen davon ist, erklärt Religionspädagogin Anna Michel.

Alec Nedic
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Die Gottesdienste über Whatsapp bringen die Kirche ins Wohnzimmer.

Die Gottesdienste über Whatsapp bringen die Kirche ins Wohnzimmer.

Bilder: Andrea Häusler

Ein Gottesdienst auf dem Handy? Das funktioniert, wie die Seelsorgeeinheit Neutoggenburg mit ihren Whatsapp-Gottesdiensten beweist. Diese etablierten sich während der Lockdowns und sind heute ein fester Teil des religiösen Lebens vieler Pfarreiangehörigen im mittleren Toggenburg und im Neckertal.

Glockengeläut ertönt pünktlich am Sonntagabend um 19 Uhr aus den Lautsprechern des Smartphones. Ist es erst einmal verstummt, ploppen in regelmässigen Abständen Textnachrichten, eingesprochene Bibeltexte, Bilder und Musikstücke im Chat auf. «Schön, dass wir jetzt gemeinsam einen Gottesdienst feiern – an vielen Orten und doch verbunden», lauten die ersten Zeilen des heutigen Chatverlaufes.

So sehen die Whatsapp-Gottesdienste im Chat aus. Bilder: PD

Zwischen den Nachrichten bleibt jeweils genügend Zeit, die Beiträge anzuschauen, sie wirken zu lassen. Rund 20 Personen wohnen dem virtuellen Gottesdienst bei, bereichern ihn mit eigenen Gedanken und Fürbitten.

Not macht erfinderisch

Die Whatsapp-Gottesdienste entstanden aus der Not heraus, als die Kirchenbänke während des ersten Lockdowns leer blieben. Die Idee stamme von einem ehemaligen Seelsorger, der mit dieser Form des Gottesdienstes bereits positive Erfahrungen sammeln durfte, berichtet Anna Michel, Religionspädagogin der Seelsorgeeinheit Neutoggenburg.

Anna Michel, Religionspädagogin der Seelsorgeeinheit Neutoggenburg.

Anna Michel, Religionspädagogin der Seelsorgeeinheit Neutoggenburg.

Bild: PD

Sie sagt: «Da es keine Möglichkeit gab, Gottesdienste an einem Ort für die Menschen in den Pfarreien abzuhalten, war schnell das ganze Pastoralteam mit im Boot.» Während eines Lockdowns sei jede Form eines Gottesdienstes besser als nichts, weshalb man die abendlichen Andachten auch sehr engagiert geplant und umgesetzt habe, zu Hochzeiten sogar wöchentlich. Mittlerweile findet die Gebetsgemeinschaft ein bis zweimal im Monat online zusammen.

Handy ersetzt die Kirche lange nicht

Das Konzept stiess auf Anklang. Mittlerweile zählt die Whatsapp-Gruppe ungefähr 70 Personen, viele davon nehmen jedoch nicht live am Sonntagabend am Gottesdienst teil, sondern schauen und hören sich die Beiträge zu einem späteren Zeitpunkt an. Das sei einer der grössten Vorteile eines virtuellen Gottesdienstes, bemerkt Anna Michel.

Im Gegensatz zu einem Gottesdienst in der Kirche, können Gläubige niederschwellig, ortsunabhängig und zu jedem beliebigen Zeitpunkt Impulse in Form von Texten oder Bildern empfangen. Das werde geschätzt, sagt die Religionspädagogin und führt aus: «Sogar Personen aus Deutschland nehmen an unseren digitalen Gottesdiensten teil.»

Einen Gottesdienst in der Kirche können die Textnachrichten im Chat aber wohl kaum je vollständig ersetzen. Dafür fehle schlichtweg das Zwischenmenschliche, beispielsweise das gemeinsame Singen, sagt Anna Michel. Seit die Kirchentüren wieder offen stehen, hat sich deshalb der Zweck der Whatsapp-Gottesdienste gewandelt. Vor zwei Jahren ersetzte der Chat das gemeinsame Feiern in der Kirche, heute dient er vielmehr als Ergänzung.

Gottesdienste auf dem Handy

Interessierte können ebenfalls am Whatsapp-Gottesdienst teilnehmen. Mit einer Nachricht an die Nummer 076 503 96 30 kann man sich anmelden.