«Ich will kein Berufspolitiker sein»: Der Innerrhoder Alt-Säckelmeister Thomas Rechsteiner über seine Motivation, für den Nationalrat zu kandidieren

Alt-Säckelmeister Thomas Rechsteiner könnte am Mittwoch von der Innerrhoder CVP als Nationalratskandidat nominiert werden. An politischer Erfahrung mangelt es dem 47-jährigen Unternehmer aus Appenzell nicht.

Claudio Weder
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Thomas Rechsteiner würde auch im Falle einer Wahl in den Nationalrat weiterhin Unternehmer bleiben wollen. (Bild: Claudio Weder)

Thomas Rechsteiner würde auch im Falle einer Wahl in den Nationalrat weiterhin Unternehmer bleiben wollen. (Bild: Claudio Weder)

Thomas Rechsteiner ist nicht der Erste, der die Politik mit dem Schwingsport vergleicht. Schon Bundesrätin Simonetta Sommaruga wies 2011 in ihrer Ansprache zum Unspunnen-Schwinget in Interlaken auf Parallelen zwischen dem «Gestellten» im Schwingen und dem Kompromiss in der Politik hin. Der Alt-Säckelmeister hingegen, der für die CVP den einzigen Innerrhoder Sitz im Nationalrat erobern will, benutzt den Vergleich vor allem, um seine Entschlossenheit im Wahlkampf zu untermauern.

«Wenn ein Schwinger in den Ring geht, so will er auch in den Schlussgang kommen.»

Nur mit dem Unterschied, dass in einem politischen Wahlkampf das Volk, oder – wie es Rechsteiner noch bevorsteht – zuerst die Partei entscheidet, welcher Kandidat ins Rennen geschickt wird.

An politischer Erfahrung mangelt es dem 47-jährigen Versicherungsfachmann und Finanzplaner nicht. 2011 bis 2018 wachte Rechsteiner als Säckelmeister über die Finanzen des Kantons. Zuvor vertrat er während sechs Jahren den Bezirk Rüte im Grossen Rat und war Schulrat der Schulgemeinde Appenzell. Da scheint ein Mandat auf nationaler Ebene doch der nächste logische Schritt zu sein? Rechsteiner:

«Ich will nicht von einem logischen Schritt sprechen. Eine politische Laufbahn ist für mich keine Karriereleiter.»

Zudem wolle er mit seiner Kandidatur niemandem etwas beweisen. «Ich mache das, weil es für mich momentan auf persönlicher, beruflicher wie auch politischer Ebene stimmt.»

Im Nationalrat ist Geduld gefragt

Schon während seiner Regierungstätigkeit hat Rechsteiner Interesse an der Bundespolitik bekundet. «Die Schweiz zu erhalten und weiterzuentwickeln, ist mir ein grosses Anliegen», sagt er. In seiner Zeit als Säckelmeister sei ihm bewusst geworden, wie eng Kanton und Bund zusammenarbeiten und wie wichtig dabei die Stimme der Kantone sei. Als Verfechter des politischen Milizsystems habe er aber ein paralleles Amt in einem nationalen Gremium nie in Erwägung gezogen. «Ich will kein Berufspolitiker sein», begründet Rechsteiner, der seit 2015 die Generalagentur der Schweizerischen Mobiliar in Appenzell leitet und diese unternehmerische Tätigkeit nicht vollkommen der politischen Tätigkeit opfern möchte.

Sollte Rechsteiner am Mittwoch von der CVP nominiert und am 20. Oktober in den Nationalrat gewählt werden, würde er im Unternehmen, in dem er 24 Mitarbeitende beschäftigt, weiterhin als Geschäftsführer und Inhaber «spürbar» bleiben wollen. Um dem zeitlichen Aufwand im Nationalrat gerecht zu werden, hat Rechsteiner bereits vorgesorgt: Ein zusätzlicher Mitarbeiter soll in seiner Abwesenheit die Verantwortung übernehmen – für die übrigen Mitarbeitenden wie auch für die Kunden. «Dieser Mitarbeiter wird jedoch weiterhin im Unternehmen bleiben, auch wenn ich die Wahl nicht schaffen würde», betont Rechsteiner.

Vor der Übernahme der Generalagentur der Mobiliar in Appenzell war Thomas Rechsteiner während 20 Jahren bei Swiss Life tätig, zuletzt als Marktleiter. Zuvor arbeitete er für kurze Zeit als Primarlehrer in Appenzell. Schon mehrfach betonte Rechsteiner, dass er sich nicht als typischen Politiker sehe. Im Nationalrat will er sich vor allem als Unternehmer einbringen. «Ich kenne die Sorgen der Unternehmen und deren Mitarbeiter aus erster Hand.» Zudem bringe er Eigenschaften wie Selbstverantwortung, Leistungswillen, Bodenhaftung und Realitätskonformität nach Bern.

«In der Bundespolitik fehlt es an Personen, die unternehmerisch denken können. Viele zielen am Nährboden der Politik vorbei.»

Einsetzen will sich Rechsteiner aber nicht nur für gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Der Erhalt von Streusiedlungen, die Kultur, die Landwirtschaft sowie die Berufsbildung liegen ihm ebenso am Herzen.

Würde Rechsteiner in den Nationalrat gewählt, gäbe es dennoch etwas, woran er sich gewöhnen müsste. «Als ehemaliger Exekutivpolitiker bin ich es gewohnt, innerhalb kurzer Zeit Entscheide zu fällen und umzusetzen.» In einer legislativen Behörde gehe es viel langsamer zur Sache, was entsprechend Geduld erfordere. «Ich bin jemand, der lieber Ergebnisse sieht, als langatmige Diskussionen führt», sagt er. Im Gespräch wirkt Rechsteiner aber nicht ungeduldig. Er spricht ruhig und bedacht.

Wissen, wo der Schuh drückt

Der Name Rechsteiner wurde in diesem Jahr bereits im Zusammenhang mit den Ständeratswahlen ins Spiel gebracht. Er selbst zog damals eine Kandidatur nicht in Betracht, änderte jedoch seine Meinung, als ihn ein anonymes Bürgerkomitee wenige Wochen vor der Landsgemeinde per Inserat als Kandidat vorschlug. Inwieweit diese Aktion Konsequenzen auf seine Wahlchancen als Nationalrat haben könnte, kann Rechsteiner nicht beurteilen.

«Bekanntmachungen dieser Art sind nichts Unübliches, und auch nichts Verbotenes. Ich denke, die Geschichte ist gegessen.»

Ebenso wenig sei es ein Nachteil, dass Rechsteiner im Vergleich zu Gesundheitsdirektorin Antonia Fässler (CVP) und dem amtierenden Säckelmeister Ruedi Eberle (SVP) nicht vom «Regierungsbonus» profitieren könne. In Innerrhoden war bis jetzt jeweils ein Vertreter der Standeskommission im Nationalrat. «Der permanente Austausch mit der Regierung ist aufgrund der kurzen Wege in Innerrhoden aber auch so möglich. Deshalb kann ich mich bei Bedarf genauso gut darüber informieren, wo im Kanton der Schuh drückt.»

Rechsteiner ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. Seiner Familie kommt, sollte er Nationalrat werden, eine wichtige Funktion zu. «Sie haben die Aufgabe, Alarm zu schlagen, sobald ich nicht mehr so bin, wie ich vorher war.» Sich nicht verbiegen zu lassen, ist sein oberstes Gebot. Nicht nur als Privatperson, auch als Politiker: «Ich will meine eigene Meinung vertreten – und nicht nur das Parteiprogramm der CVP.» Auch aus diesem Grund sieht sich Thomas Rechsteiner nicht als typischen Politiker.