«Ich war sicher nicht zu schnell»

Ein Autofahrer ist überzeugt, das Radarmessgerät habe sein Tempo falsch berechnet. Der Experte sagt: Die Daten sind korrekt. Jetzt ist aus einem Strafbefehl von 600 Franken eine Rechnung über 6700 Franken geworden.

Ida Sandl
Drucken
Zweifel gibt es nur in der Theorie: Einsprachen gegen geeichte Radargeräte sind chancenlos. (Bild: Urs Jaudas)

Zweifel gibt es nur in der Theorie: Einsprachen gegen geeichte Radargeräte sind chancenlos. (Bild: Urs Jaudas)

WEINFELDEN. Er hätte die Busse bezahlen können. 400 Franken für 72 Stundenkilometer innerorts. Dazu 200 Franken Gebühr für das Verfahren und die Sache wäre erledigt gewesen. Aber er ist nicht zu schnell gefahren. Das sagt er und daran glaubt er felsenfest. Auch jetzt noch. Dabei ist das Urteil schon gesprochen: schuldig der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln.

Hagenbuch, Gemeinde Schönholzerswilen. 5. Januar 2013, 14.21 Uhr. Als das Radar aufblitzte, «habe ich sofort auf den Tacho meines Autos geschaut», sagt der 53jährige Thurgauer. Der habe knapp über 50 Stundenkilometer angezeigt. Gut, dachte der Autofahrer, das fällt in die Toleranzgrenze. Zwei Monate später kam der Strafbefehl. Darin stand: 72 km/h seien gemessen worden – 600 Franken sollte er bezahlen.

Kamera leicht verschoben

Daraus sind mittlerweile 6780 Franken geworden. Denn das Bezirksgericht Weinfelden fand letzte Woche keine schlüssigen Beweise dafür, dass mit der Radarmessung etwas nicht gestimmt hätte. «Wir haben Sie wiederholt darauf hingewiesen, dass es teuer wird», sagte Gerichtspräsident Pascal Schmid bei der Urteilsverkündung.

3780 Franken kostete allein das Gutachten. Aber auch das brachte dem Beschuldigten keine Entlastung: Der Experte von Metas, dem Eidgenössischen Institut für Metrologie, fand zwar heraus, dass die Kamera sich leicht verschoben hatte. Das würde aber nur heissen, das Gerät habe eher zu tief gemessen und der Mann sei noch schneller unterwegs gewesen. «Das Radargerät war sicher nicht zu Ungunsten des Fahrers ausgerichtet», meinte der Experte vor dem Bezirksgericht: «Das kann ich ausschliessen.»

Oft gibt's falsche Daten

Der Beschuldigte ist im Informatikbereich tätig. Es komme immer mal wieder vor, dass ein System nicht richtig arbeite, sagt er. «Ich bin öfters mit falschen Daten konfrontiert, auch wenn man das nicht beweisen kann.»

Der Verteidiger bemühte sich redlich, seinem Mandanten einen Schuldspruch zu ersparen. «Dieses Radarmessgerät hätte gar nicht eingesetzt werden dürfen», betonte er. Er und sein Mandant hätten auch Vorbehalte gegen den Experten, da die Metas von der Kantonspolizei Aufträge bekomme.

Ausserdem habe die Polizei Hausfriedensbruch begangen. Sie habe ihr Radargerät auf dem Grund eines Landwirtes aufgestellt, ohne dass dieser davon gewusst habe. Damit dürfe die Messung nicht verwertet werden. Und ausserdem könne die Abweichung durch die nicht ganz fixierte Kamera auch zugunsten des Beschuldigten ausgelegt werden.

Das Gericht entkräftete die Argumente. Ein Radarkasten beanspruche nur wenig Platz. Auch wenn der Landbesitzer nicht informiert war, sei dies kein Hausfriedensbruch. Allenfalls seien gewisse Ordnungsvorschriften nicht eingehalten worden. «Das macht das Beweismittel aber nicht unverwertbar», sagte der Gerichtspräsident. «Schlüssig und überzeugend», fand das Gericht vor allem das Gutachten. Der Experte habe das Tempo aufgrund der Sequenzbilder der zweiten Kamera noch einmal berechnet und sei zum gleichen Ergebnis gekommen. Damit sei doppelte Sicherheit gegeben. Wenn sie mit dem Experten nicht einverstanden gewesen war, hätte die Verteidigung ein Ausstandsgesuch stellen müssen.

«Unsicherheit gibt es immer»

Am Ergebnis der Radarmessung gebe es «keine vernünftigen und rechtserheblichen Zweifel mehr», sagte Schmid. Wenn Zweifel bestünden, dann seien die rein theoretisch. «Irgendeine Unsicherheit gibt es immer.»

Für den Autofahrer, der auszog, um Recht zu bekommen, wird es nun teuer. Zum Glück hat er eine Rechtsschutzversicherung.