Kanton Thurgau verschärft Coronamassnahmen – «Wenn wir jetzt nicht rechtzeitig Massnahmen beschliessen, droht uns, dass die Spitäler in wenigen Wochen überlastet sind»

Die Coronainfektionen steigen auch im Thurgau weiter an – auf rekordhohe 72 Fälle am Freitag. Heute morgen hat die Kantonsregierung über neue Coronamassnahmen informiert..

Sebastian Keller / Silvan Meile
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Der Thurgauer Regierungspräsident Walter Schönholzer zeigt die Abstandsregel vor.

Der Thurgauer Regierungspräsident Walter Schönholzer zeigt die Abstandsregel vor.

Donato Caspari

Der Kanton Thurgau verzeichnet am Freitag mit 72 bestätigten Coronafällen einen neuen Höchstwert. Gleichzeitig mit der Bekanntgabe dieser Zahl verkündet die Regierung gestützt auf das Epidemiegesetz neue Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie.

Doch diese gehen nicht so weit, wie etwa in den Nachbarkantonen Zürich und Schaffhausen. Auf eine Maskenpflicht in öffentlich zugänglichen Gebäuden wird im Thurgau verzichtet. «Die Ansteckungen finden nicht in Läden statt», sagt Regierungspräsident Walter Schönholzer. Nachweislich würden sich die meisten Personen an Veranstaltungen und Feiern anstecken. Zielgerichtet wolle man die Eindämmung der Pandemie deshalb dort angehen.

Maskenpflicht ab 30 Personen

Für öffentliche und private Veranstaltung ab 30 Personen gilt neu nicht nur eine Meldepflicht inklusive Schutzkonzept, sondern auch eine Maskentragpflicht. «Das oberste Ziel ist es, die Bevölkerung und die Wirtschaft vor negativen Auswirkungen zu schützen», sagt Schönholzer. Er appelliert dabei schon heute an die Eigenverantwortung der Bevölkerung. Rechtlich treten die neu beschlossenen Massnahmen, in denen auch strafrechtliche Konsequenzen bei Verstössen festgehalten sind, erst mit der Publikation im Amtsblatt am kommenden Freitag in Kraft.

Regierungsrat Urs Martin, Chef des Departements für Finanzen und Soziales, informiert über den Inhalt der Regierungsbeschlüsse zu den weiteren Massnahmen zur Coronapandemie.

Regierungsrat Urs Martin, Chef des Departements für Finanzen und Soziales, informiert über den Inhalt der Regierungsbeschlüsse zu den weiteren Massnahmen zur Coronapandemie.

Bild: Donato Caspari

Als weitere Massnahme wird ab Montag das Contact-Tracing zur Nachverfolgung der Ansteckungen durch zehn Personen des Zivilschutzes verstärkt, um den Betrieb weiterhin gewährleisten zu können, sagt Gesundheitsdirektor Urs Martin.

Überlastung der Spitalkapazitäten verhindern

Im schweizweiten Vergleich sind die Ansteckungszahlen im Thurgau verhältnismässig tief. Doch sie steigen massiv an. In der letzten Septemberwoche zählte der Kanton pro Tag durchschnittlich 3,6 Personen mit einem positiven Coronatest. Die vergangenen drei Tagen zeigten aber ein anderes Bild der täglichen Ansteckungen: 43, 54, 72.

«Wenn wir jetzt nicht rechtzeitig Massnahmen beschliessen, droht uns, dass die Spitäler in wenigen Wochen überlastet sind.»

Das sagt Gesundheitsdirektor Martin. Die bisherigen Erfahrungen hätten gezeigt: «Hospitalisierungen folgen nachgelagert.» In die Höhe schnellt aber nicht nur die effektive Anzahl positiv getesteter Personen, sondern auch die Positivitätsrate. Sie bewegt sich nun auch im Thurgau in einem zweistelligen Bereich.

Verschärfung für Clubs

Die Thurgauer Regierung verzichtet darauf, Lokale zu schliessen. Weil aber die Nachverfolgungen der Coronafälle zeigten, dass ein erheblicher Teil der Ansteckungen auf Bar- und Clubbesuche entfalle, ordnet er dort Verschärfungen an. So gilt ab kommendem Freitag eine Maskenpflicht in «Steh- und Tanzbereichen von Bar- und Clubbetrieben». Essen und Trinken ist – wie in den Restaurants – ausschliesslich in dafür vorgesehenen Sitzbereichen erlaubt. Von diesen Regeln nicht ausgeschlossen sind etwa auch Unterhaltungsabende.

Regierungspräsident Walter Schönholzer informiert über den Inhalt der Regierungsbeschlüsse zu den weiteren Massnahmen zur Coronapandemie.

Regierungspräsident Walter Schönholzer informiert über den Inhalt der Regierungsbeschlüsse zu den weiteren Massnahmen zur Coronapandemie.

Bild: Donato Caspari

Mit Blick über die Landesgrenzen sagt Regierungspräsident Schönholzer, dass eine Grenzschliessung zu Deutschland für den Thurgau «verheerend» wäre. Das nördliche Nachbarland setzte bereits zehn Kantone auf eine Risikoliste. Rund 5500 Personen aus Deutschland kommen täglich über die Grenze in den Thurgau zur Arbeit. Zahlreiche sind im Gesundheitswesen beschäftigt. «Natürlich gäbe es die Möglichkeit von Ausnahmebestimmungen», sagt Schönholzer.

Die neuen Massnahmen des Kantons Thurgau im Überblick:

  • Meldepflicht für öffentliche und private Veranstaltungen ab 30 bis 1000 Personen: Die Organisatoren haben ab dem 23. Oktober bis zum 31. Dezember die Pflicht zur Meldung der Veranstaltung durch den Organisator bis 14 Tage vor der Veranstaltung. Ebenso muss ein Schutzkonzept erstellt und eingereicht werden. Ausserdem müssen die Kontaktdaten in elektronischer Form erfasst werden. Auf der Webseite des Kantons werden in den nächsten Tagen die entsprechenden Online-Meldeformulare sowie ein Merkblatt aufgeschaltet.
  • Maskenpflicht bei Veranstaltungen ab 30 Personen: Bei öffentlichen und privaten Veranstaltungen ab 30 Personen, die ab dem 23. Oktober stattfinden, wird befristet bis zum 31. Dezember die Pflicht zum Tragen einer Schutzmaske eingeführt.
  • Maskenpflicht in Bars und Clubs: In Steh- und Tanzbereichen von Bar- und Clubbetrieben gilt ab dem 23. Oktober befristet bis am 31. Dezember die Pflicht zum Tragen einer Schutzmaske. Die Konsumation von Speisen und Getränk ist ausschliesslich in den dafür vorgesehenen Sitzbereichen gestattet.
Urs Martin, Thurgauer Gesundheitsdirektor, anlässlich der Medienorientierung in Frauenfeld.

Urs Martin, Thurgauer Gesundheitsdirektor, anlässlich der Medienorientierung in Frauenfeld.

Donato Caspari

Ebenso appelliert der Thurgauer Regierungsrat dringend an die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger. Ein erneuter Lockdown sei mit allen Mitteln zu verhindern.

Die Regierung verschärft die Massnahmen, nachdem die Zahl der Coronafälle in den vergangenen Wochen auch im Kanton Thurgau exponentiell zugenommen haben. Seit dem 1. Oktober steigt die Anzahl neu mit Covid-19 infizierter Personen signifikant. Während sich in der letzten Septemberwoche täglich durchschnittlich 3,6 Personen angesteckt hatten, lag die durchschnittliche Anzahl an täglichen Neuinfektionen in der ersten Oktoberwoche bei 8,1 und in der zweiten Oktoberwoche bei 20,7, in den vergangenen sieben Tagen gar bei 26,9 – Tendenz steigend, wie einer Medienmitteilung zu entnehmen ist. Regierungsrat Urs Martin sagte an der Medienkonferenz:

«Wenn wir jetzt nicht rechtzeitig Massnahmen beschliessen, drohen die Spitalkapazitäten in wenigen Wochen zu überlasten.»

Bis die Massnahmen Wirkung zeigen, vergehen zwei bis drei Wochen. Daher werde ab Montag der Zivilschutz auch das Contact-Tracing unterstützen», sagte Martin.

Der Ticker zum Nachlesen:

09:59 Uhr

Die Medienkonferenz ist zu Ende. Danke fürs Mitlesen.

09:53 Uhr

Auf eine Frage eines Journalisten, wieso man sich gegen eine Maskenpflicht in Läden entschieden habe, sagt Schönholzer: Die Ansteckungen finden nicht primär in Läden statt, sondern im privaten Bereich. Zudem könne in Läden vielfach der Abstand eingehalten werden. Wer aber möchte, könne im Laden zum Schutz eine Maske tragen.

09:52 Uhr

Die Regierung habe sich gegen ein Tanzverbot entschieden. Wenn sich die Lage später weiter dramatisiere, könnte man dieses immer noch einführen. Das sagte Urs Martin.

Wer sich nicht die Vorgaben hält, kann auf der Basis auf das Epidemiengesetz strafrechtlich geahndet werden.

Regierungspräsident Walter Schönholzer an einer Pressekonferenz Ende September.

Regierungspräsident Walter Schönholzer an einer Pressekonferenz Ende September.

Bild: Reto Martin

Regierungspräsident Walter Schönholzer appellierte: Die wichtigsten Massnahmen seien nicht neu. Man müsse weiterhin den Abstand einhalten und regelmässig die Hände waschen und desinfizieren.

«Dann sind wir überzeugt, dass es uns gemeinsam gelingt, die Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen. »
09:45 Uhr
Finanzdirektor Urs Martin an einer Medienkonferenz Ende September.

Finanzdirektor Urs Martin an einer Medienkonferenz Ende September.

Bild: Reto Martin

Bei den Testkapazitäten herrsche eine Verteilkampf – international, aber auch zwischen den Kantonen. Martin: «Bundesrat Berset wurde von mir über diesen Umstand informiert.»

Das Contact-Tracing sei gefordert. Wir haben beschlossen, dass am Montag der Zivilschutz zum Einsatz kommt. Es handle sich um zehn Angehörige, die bei der Rückverfolgung der Infektionen mithelfen sollen. Das Contact-Tracing wird im Thurgau durch die Lungenliga betrieben.

Von einer neuen Grenzschliessung hält Urs Martin nichts. Auch wenn mittlerweile 10 Kantone auf der deutschen Risikoliste stehen. Das Gesundheitswesen im Thurgau sei auf die Grenzgänger aus dem süddeutschen Raum angewiesen.

09:39 Uhr

Gesundheitsminister Urs Martin sagt, heute werden rund 70 neue Fälle gemeldet. Gestern waren es 54 neue.

Zu den Hospitalisationen sagt Martin: Diese dürfte in den nächsten Tagen ansteigen. Denn: Es hätten sich in den vergangenen Tagen auch ältere Personen angesteckt.

09:33 Uhr

Der Regierungsrat des Kantons Thurgau traf sich am Donnerstag ausserordentlich. Er habe Massnahmen beschlossen, die ab nächster Woche ihre Wirkung entfalten. Genau: ab dem 23. Oktober.

  • Eine Meldepflicht für Veranstaltungen – private oder öffentliche – ab 30 Personen. 
  • Veranstaltungen mit über 30 Personen müssen ein Schutzkonzept erarbeiten und einreichen. Auch die Kontaktdaten müssen erfasst werden.
  • An diesen Anlässen gilt eine Maskenpflicht.
  • In Clubs und Bars gilt ebenfalls eine Maskenpflicht. Das Konsumieren ist nur in dafür vorgesehenen Sitzbereichen erlaubt.
09:31 Uhr

Die Medienkonferenz hat begonnen. Es informieren Regierungspräsident Walter Schönholzer und Regierungsrat Urs Martin.

Walter Schönholzer sagt einleitend: «Das Coronavirus hat alles verändert, in der Gesellschaft, in der Wirtschaft, überall.» Viele seien müde. «Aber der Virus ist da und wird nicht einfach so verschwinden.» Das Virus sei bei jeder Regierungssitzung ein Thema. Es würden immer über weitere Massnahmen diskutiert.