Nach vier Jahrzehnten hat Jakob Keller aus Gähwil das Amt des Stimmenzählers am Ende des vergangenen Jahres jüngeren Händen übertragen. Fast zeitgleich feiert er in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag.
Beat Lanzendorfer
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Kirchberg gehört zu den sechs Pilotgemeinden des Kantons St. Gallen, welche in diesem Jahr das E-Voting testen. Sollte sich die elektronische Abstimmung bewähren, wird bis 2021 eine flächendeckende Abdeckung angestrebt. Einer, der die Abstimmung an der Urne noch hautnah miterlebt hat, ist Jakob Keller. Er erinnert sich an seine Anfänge.
«Ich bin 1977 vom Gemeinderat für das Amt des Ortsstimmenzählers angefragt worden. Das Amt habe ich gerne angenommen. Die damaligen Gähwiler Gemeinderäte hiessen Jakob Vollmeier und Josef Gähwiler», erzählt der gelernte Maschinenschlosser, der nach seiner Lehre noch einige Jahre im erlernten Beruf tätig war. Mit 28 Jahren schlug er eine neue Laufbahn ein und war nach Absolvierung der Stickereifachschule selbständig und als Stickermeister tätig. In St. Gallen bei der Firma Forster Rohner AG arbeitete er bis zu seiner Pensionierung am geliebten Textil. Der gebürtige Gähwiler hielt zeitlebens seinem Geburtsort die Treue. Zusammen mit Ehefrau Ursula wohnt er seit vielen Jahren im Eigenheim an der Kirchbergerstrasse. Einen Steinwurf entfernt von seinem Elternhaus in der Unteren Mühle, heute bekannt als Wisen.
«Das Wahllokal in Gähwil befand sich im alten Schulhaus und hatte am Sonntagmorgen jeweils von 10 bis 12 Uhr geöffnet. An Sonntagen, an denen gewählt worden ist, war der markante Bau im Zentrum des Dorfes Treffpunkt der Bevölkerung. Es war während vieler Jahre Tradition, dass die Einwohner während des Wahlwochenendes nach dem Kirchgang das Wahllokal aufsuchten.» Bei der Frage nach einem speziellen Ereignis muss Jakob Keller nachdenken: «Die amtliche Arbeitszeit war durchaus kollegial und stets gemütlich. An etwas Ungewöhnliches kann ich mich gar nicht erinnern, es lief alles immer korrekt ab. Hie und da kam es vor, dass die Stimmberechtigten ihren Stimmausweis vergessen hatten.» Nach Schliessung des Gähwiler Wahllokals und Versiegelung der Wahlurne dislozierte Jakob Keller jeweils mit einem weiteren Stimmenzähler ins Kirchberger Gemeindehaus und half dort bei der Auszählung.
Eine einschneidende Veränderung zeichnete sich im Jahre 1994 ab. Mit der Einführung der brieflichen Abstimmung nahm der Gang zur örtlichen Wahlurne massiv ab. Vier Jahre später war im alten Schulhaus definitiv Schluss. Heute können die Stimmberechtigten der Gemeinde am Wahlsonntag nur noch in Bazenheid abstimmen oder das Stimmcouvert beim Gemeindehaus direkt in den Briefkasten werfen. Jakob Keller stellte seine Dienste der Öffentlichkeit nicht nur an den Wahlwochenenden zur Verfügung. Er gehörte während Jahrzehnten auch zum Team der Stimmenzähler an der Bürgerversammlung. Nach seinem Rücktritt per Ende 2016 kann er es in Zukunft etwas beschaulicher angehen. «Ich habe das Amt immer sehr gerne ausgeführt, nach 40 Jahren war es nun Zeit, das Amt abzugeben.» In seiner Freizeit möchte Jakob Keller die begonnene Restauration eines Citroën DS mit Jahrgang 1970 zu Ende führen. «Das wird mich noch eine Weile beschäftigen», erklärt er mit einem Lachen. Darüber hinaus findet der dreifache Vater und dreifache Grossvater seine Erfüllung beim Wandern, Jassen und im Männerchor Gähwil.