LICHTENSTEIG. Seit 13 Jahren ist Bruno Sutter Präsident des Chössi-Theaters und hat die Aktivitäten des Kleintheaters markant ausgebaut. «Ehrenamtlicher Theaterdirektor ist ein Lebenstraum», sagt er. Nun gibt er sein Amt ab und sucht einen jungen Nachfolger.
«Ich bin vom Typ her eher der Erbsenzähler, halt ein Mann der Wirtschaft», sagt Bruno Sutter. Er war Textilkaufmann, Geschäftsführer einer Mischfuttermühle, später der Blockfabrik in Lichtensteig und jetzt Chef der Zweigstelle Winterthur der Stiftung Espas, die Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen betreut. «Das Künstlerische hat mich aber immer fasziniert.» Auch wenn er klare Vorlieben hat («ich hätte gerne mehr Sprechtheater im Chössi»): Ins künstlerische Programm habe er sich nie eingemischt, sagt der abtretende Chössi-Präsident. Dafür gibt es Programm-Verantwortliche. Und das mit der Erbsenzählerei hat zwei Seiten: Bruno Sutter hat die Sponsoren-Betreuung zur Kernaufgabe des Chössi-Präsidiums gemacht, aber er war auch der Motor zahlreicher Veränderungen und hatte den Mut, die Aktivitäten des Chössi-Theaters markant zu erweitern – mit aufwendigen Eigenproduktionen, Theaterkursen oder dem Projekt «artists in residence». Erleichtert wurde dies auch dank des kantonalen Kultursprungs in den Regionen: Als Bruno Sutter vor 13 Jahren sein Amt antrat, erhielt das Chössi-Theater vom Kanton jährlich 10 000 Franken. Heute sind es 70 000 Franken. Und bei der Miete des Theatergebäudes kommt ihm die Fritz Schiess AG entgegen, er zahle lediglich die Hälfte des marktgerechten Zinses, sagt Bruno Sutter.
«Für mich war dieses Amt ein Glücksfall», betont er. Den Wert kultureller Aktivitäten könne man nicht hoch genug schätzen. Zudem habe er, als er 1999 ins Toggenburg kam, durch sein Amt innert kurzer Zeit enorm viele Menschen kennen gelernt.
Warum nun sein Rücktritt? «Ich werde dieses Jahr 63. Das Chössi-Theater braucht in den nächsten Jahren personell eine Verjüngung.» Im Vorstand sind die meisten über 50 Jahre alt. Dasselbe trifft auch auf die Mehrzahl der Theaterbesucher und auf die rund 150 Helfer zu. Sein Rücktritt sei also mehr ein Vernunftentscheid. Denn Theaterdirektor zu sein, das war für Bruno Sutter die Erfüllung eines Lebenstraums. Durchschnittlich einen halben Tag pro Woche habe er für diese ehrenamtliche Aufgabe aufwenden müssen, sagt er. Angestrebt habe er ein solches Amt vorher nicht. Es brauchte einen glücklichen Zufall: Er war 1999 gerade Geschäftsführer der Blockfabrik Lichtensteig geworden, da schlug ihm der Journalist Stephan K. Haller am Rande eines Zeitungsinterviews vor, Chössi-Präsident zu werden. Im Gegenzug übernahm Haller die Pressearbeit für das 100-Jahr-Jubiläum der Harmonie Lichtensteig, bei dem Bruno Sutter OK-Präsident war. Im Chössi-Theater herrschte Aufbruchstimmung, von Stephan K. Haller und Reto Stähelin lag ein Konzept vor für die Verdichtung des Spielplans und den Ausbau der Gastronomie.
Bruno Sutter stieg ein und setzte dieses Konzept um. In den letzten dreizehn Jahren hat das Chössi-Theater seine Aktivitäten denn auch massiv ausgebaut: Ausser in der Ferienzeit gibt es jedes Wochenende ein Theater oder Konzert. Eine grössere Profi-Küche konnte 2003 vom Coop-Restaurant übernommen werden und erlaubte den Ausbau der Gastronomie: Seither gibt es statt Sandwiches richtige, von ehrenamtlichen Helfergruppen gekochte und servierte, mal währschafte, mal exotische Menus – immer mit einem Auge auf das Abendprogramm kreiert. So werde etwa vor dem Auftritt von «Heinz de Specht» Fleischvogel serviert und ein Schälchen Vogelfutter dient als Tischdekoration. Diese spezielle Kombination im gemütlichen Chössi-Restaurant verleihe dem Chössi-Theater weit über das Bühnenprogramm hinaus den Ruf charmanter, kunstsinniger Gastfreundlichkeit. Davon ist Bruno Sutter besonders begeistert: «Was unsere Helfergruppen jedes Wochenende an Engagement zeigen, ist wohl einzigartig.»
Ein Präsident mit Sinn für Zahlen, aber ohne schauspielerische Ambitionen? Ohne zu zögern, sagt er: «Nein, dafür bin ich zu wenig locker.» Einmal aber stand er dennoch selbst auf der Bühne. Es war ein Schultheater und Bruno Sutter spielte einen Elf in Shakespeares Sommernachtstraum (vierzig Jahre vor der Chössi-Co-Produktion «Sommernacht Traum» im Kraftwerk Krummenau).
Später war er ein kulturbeflissener Jugendlicher – die Schule hatte ihm die Theater-Leidenschaft eingepflanzt: «In der Oberstufe am Kollegi Appenzell hatten wir sehr kulturliebende Lehrer, die Kapuziner-Patres.» Als Lehrling war er dann Stammgast im Stadttheater St. Gallen. Gut erinnert er sich an eine Aufführung von Samuel Becketts «Warten auf Godot». Ein Stück, «das ich damals überhaupt nicht verstanden hatte», erzählt Bruno Sutter. Er lacht über seine jugendliche Ernsthaftigkeit: «Wir wollten die damalige Avantgarde unbedingt verstehen und zerbrachen uns über jene Stücke die Köpfe.» Das Theater rückte allerdings bald in den Hintergrund. Karriere in Beruf und Militär prägten die kommenden dreissig Jahre bis zum Chössi-Präsidium.
Nicht alles klappte in den letzten Jahren: Die Theaterschule auf der Oberstufe musste bald beerdigt werden und das Interesse an den Theaterkursen bleibt bescheiden: «Eine zarte Pflanze, ein bisschen künstlich beatmet», sagt Bruno Sutter. Derzeit besuchen acht Personen den Theaterkurs und fünf den Tanzkurs. Das Ziel, ein eigenes Ensemble aufzubauen, bleibe aber ein langfristiges Ziel.
Anderes wie die Künstlerwohnung kam erst im zweiten Anlauf zustande: Statt im alten Polizeigebäude im Städtli wohnen die Theaterleute nun seit bald zwei Jahren gleich über ihrem neuen Proberaum im ehemaligen Bahnhof Lichtensteig. Dieses «artist in residence»-Angebot sei finanziell selbsttragend, sagt Bruno Sutter. Nebst der grosszügigen Unterstützung durch Toggenburger Wirtschaft und einige Privatpersonen, ist eine gewisse finanzielle Absicherung durch die kantonale Subvention vorhanden. Regelmässige Eigenproduktionen sind realistisch, die Zusammenarbeit mit anderen Kulturakteuren im Tal hat sich bewährt.
Dies soll auch im 2014 spielen: Dann plant das Chössi-Theater mit der Kanti Wattwil und anderen zusammen eine weitere Gross-Produktion, ein Musical in der Markthalle Wattwil. Näheres will er derzeit noch nicht verraten. Die Zukunft des Chössi-Theaters scheint jedenfalls aufgegleist zu sein.