Wiederverwertung
Früher Not, heute Tugend: Das sparsame Appenzell wird zum «Silicon Valley der Nachhaltigkeit»

Karl Locher von der gleichnamigen Brauerei ist ein Pionier der Kreislaufwirtschaft. Mit seiner Stiftung will er auch andere Firmen dazu motivieren, Gebrauchtes wiederzuverwenden.

Karin Erni
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Karl Locher hat mit der Wiederverwertung von Lebensmittelabfällen Erfolg.

Karl Locher hat mit der Wiederverwertung von Lebensmittelabfällen Erfolg.

Bild: Karin Erni

Am Mittwochabend fanden sich zahlreiche Interessierte im Besucherzentrum der Brauerei Locher in Appenzell ein. Eingeladen hatte die von Karl Locher gegründete Stiftung für Nachhaltigkeit, welche die Kreislaufwirtschaft fördern will. Ihr Ziel ist es, den Anteil an zirkulär arbeitenden Firmen von derzeit 10 auf 40 Prozent zu erhöhen. Networking-Anlässe wie dieser sollen helfen, Anbieter und Abnehmer von Produkten zusammenzubringen.

Sparen als Erfolgsmodell

Für den Firmeninhaber ist die Wiederverwendung von noch Brauchbarem schlicht «logisch», wie er in seinem Impulsreferat ausführte. Er erzählte von den Anfängen seiner Tätigkeit im Familienbetrieb, die zeitlich mit der Aufhebung des Bierkartells zusammenfiel. Um im nun freien Biermarkt reüssieren zu können, mussten mehr Sorten gebraut werden. Doch die Infrastruktur im Stammhaus am Brauereiplatz war klein und veraltet. Geld von der Bank war nicht zu erwarten. «Also kauften wir überall in der Schweiz und im Ausland von den eingegangenen Brauereien Anlagen und Teile ein und bauten sie in Appenzell zusammen», erzählt Locher. «So konnte die Produktion gesteigert und mit dem erzielten Gewinn später ein neues modernes Betriebsgebäude finanziert werden.»

Whisky als Nebenprodukt

Eine weitere Anekdote Lochers handelte von alten Bierfässern: «Wir besassen noch diese massiven Holzfässer, die teilweise über sieben Generationen verwendet worden waren. Da hatte ich die Idee, darin Whisky zu lagern.» Die jahrzehntealten Rückstände in den Fässern verliehen der Spirituose den unverwechselbaren Geschmack und der «Säntis Malt» wurde zum Erfolg. 5000 Fässer lagert die Firma mittlerweile an verschiedenen Orten. Auch die Produktion des beliebten Essigs ist auf die Wiederverwertung von Bierresten zurückzuführen. Aus der Brauhefe wird ein Futter für Zuchtfische hergestellt. Und auch das Abwasser der Zuchtbecken wird wieder genutzt: Es dient als Gemüsedünger.

Brauerei könnte 50’000 Menschen ernähren

Wichtigstes Nebenprodukt der Bierherstellung ist der Treber. Aus der früher lediglich als Tierfutter verwendeten Proteinquelle stellt Locher mittlerweile eine grosse Palette an Produkten wie vegetarischen Fleischersatz, Pizza und Apérogebäck her. «Wir könnten mit der Brauerei theoretisch 50’000 Menschen ernähren», sagte Locher. «Eine Tonne Treber ersetzt eine Hektare Sojapflanzung. Durch die Wiederverwendung als Nahrungsmittel sparen wir Unmengen an Dünger, Transportenergie und damit auch CO2 ein.»

Im zweiten Teil des Abends erfuhren die Teilnehmenden von Aloisia Predota, was die Migros in Sachen Kreislaufwirtschaft unternimmt. Predota ist Sustainability Manager bei FFB-Group, die zu den bedeutendsten Nahrungsmittelproduzentinnen der Schweiz gehört.