Sehen sich Schülerinnen und Schüler mit privaten Problemen konfrontiert, fehlt ihnen eine geeignete Ansprechperson. Im Mittelland soll nun das Angebot der Schulsozialarbeit eingeführt werden.
Den Aufwand abzuschätzen, ist schwierig. «Manchmal ist es wochenlang ruhig, dann gibt es Zeiten, in denen einzelne Fälle einen grossen Anteil meiner Arbeitszeit besetzen», sagt Teufens Schulleiter Urs Schöni. Gemeint sind Problematiken, mit welchen sich die Schülerinnen und Schüler auseinandergesetzt sehen: zum Beispiel Depressionen, Magersucht, Suchterkrankungen oder Schwierigkeiten im Elternhaus. In den letzten Jahren gab es auch Situationen, in denen Schülerinnen und Schüler aus unterschiedlichen Gründen regelmässig nicht zum Unterricht erschienen. Was tun? In Speicher, Bühler, Gais, Rehetobel, Trogen und Teufen soll auf das Schuljahr 2019/2020 nun ein gemeinsames Angebot der Schulsozialarbeit eingerichtet werden, welches sich genau mit solchen Problematiken auseinandersetzt. Finanziert wird das Angebot durch die Gemeinden, der Kanton will vorerst beobachten, wie rege die Schulsozialarbeit genutzt wird.
Rückblick: 2013 trafen sich die Schulleitungen des Appenzeller Mittellandes zum gegenseitigen Austausch. Was auffiel, war, dass viele vor den gleichen Problemen stehen: «Wir müssen uns häufig genau mit solchen Fällen und Situationen auseinandersetzen, deren Ursprung nur bedingt in der Schule liegt», fasst Schöni zusammen. Ignorieren kann die Schule solche Umstände nicht, gelte es doch, die Schülerinnen und Schüler in Sozial-, Selbst- und Fachkompetenz auszubilden. «Wenn das Kind irgendwo blockiert ist, hat das auch Auswirkungen auf die anderen Bereiche», so Schöni weiter. Lehrpersonen und Schulleitungen sind gefordert – doch die zeitlichen Ressourcen und die fachlichen Ausbildungen fehlen. Die Probleme und Konfliktsituationen werden bislang nach bestem Wissen und Gewissen gelöst, doch das hinterlässt «einen fahlen Beigeschmack», wie es der Teufner Schulleiter umschreibt. «Wir können schliesslich nicht gleichzeitig als Entscheidungsinstanz und als Berater tätig sein». Und familiäre Themen gehörten ohnehin nur bedingt in die Schule. Was also, gilt es zu tun? Schöni wünscht sich eine professionelle, unabhängige Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeit. Der Schulpsychologische Dienst in Bühler ist erste Ansprechinstanz in diesen Fällen. Die alltägliche Begleitung kann dieser aber nicht gewährleisten. «Es braucht eine Ansprechperson vor Ort: Fachpersonen, die den Weg einer Schülerin oder eines Schülers über einen längeren Zeitraum begleiten können.»
Andere Kantone haben die Schulsozialarbeit bereits eingerichtet. Ausserrhoden noch nicht. Das Angebot der Mittelländer Schulsozialarbeit hätte somit Pioniercharakter. «So würde ich es aber nicht bezeichnen. Wir hinken im Vergleich zu anderen Kantonen deutlich hinterher», wirft Schöni ein. 2014 wurde eine Bedarfsanalyse durchgeführt. Eltern, Lehrer, die Sozialen Dienste und Schüler wurden befragt. Die Ergebnisse wurden in der Arbeitsgruppe, welche die Schulkommissionen des Mittellandes zwischenzeitlich gegründet hatten und der Schöni vorsteht, ausgewertet. Einhelliger Tenor: Ein solches Angebot würde begrüsst. An einer Informationsveranstaltung berichteten anschliessend Schulsozialarbeiter der Stadt St. Gallen über ihre Erfahrungen. Schliesslich wurde 2017 ein Rahmenkonzept in Auftrag gegeben. Die zentrale Frage: Wer ist Träger? Angegliedert ist die Schulsozialarbeit nun der Schule, unterstellt ist sie einer Steuergruppe bestehend aus je einem Mitglied der Partnergemeinden. Teufen hat sich als Sitzgemeinde zur Verfügung gestellt.
Vorgesehen sind für die 1630 Schülerinnen und Schüler der Mittelländer Gemeinden 290 Stellenprozente für die Schulsozialarbeit inklusive der Stellenleitung. Die Schulsozialarbeiter hätten ihre eigenen Büros in den Schulen, um so die Präsenz vor Ort zu gewährleisten – wenn die Schulsozialarbeit denn tatsächlich eingeführt wird. Ausser in Gais unterstehen die Kosten in den jeweiligen Gemeinden dem fakultativen Referendum. In Gais muss aufgrund der geltenden Finanzkompetenzen zwingend eine Abstimmung durchgeführt werden. Schöni rechnet damit, dass diese im November 2018 oder März 2019 stattfinden wird. Zurzeit wird die Vereinbarung noch mit den einzelnen Gemeinden bereinigt. Falls kein fakultatives Referendum ergriffen wird und die Volksabstimmung in Gais erfolgreich verläuft, löst die Steuergruppe die jetzige Arbeitsgruppe dann ab.