Der Wattwiler Hermann Bollhalder gehört zu den Exoten auf den Rennstrecken. «Wer zuerst bremst, hat verloren» – diese Devise gilt allerdings nicht vorbehaltlos für den 50jährigen «Jungrennfahrer».
WATTWIL. «Rookie» Hermann Bollhalder findet die Faszination im Automobilrennsport beim Schnellfahren unter kontrollierten Bedingungen. Eine Altersfrage? Wohl nicht nur, denn für «Bolle», wie er von seinen Rennfreunden genannt wird, sind wohl Geschwindigkeit und Fahrspass entscheidend, jedoch nur dann, wenn er die Kontrolle über sein Fahrzeug behält. Das bedeutet für ihn, dass das fahrerische Können dem sportlichen Ehrgeiz die Grenzen vorgeben muss. Und am Fahrstil zu arbeiten ist deshalb sein wichtigstes Anliegen.
Hermann Bollhalder hat schon immer von einer Rennfahrerkarriere geträumt – mit 47 hat er schliesslich die nationale Rennlizenz erworben und sich damit den Bubentraum erfüllt. Als junger gelernter Automechaniker musste er sich entscheiden: einen VW Golf kaufen und im Cup mitfahren oder die Meisterprüfung machen. Die Vernunft hat damals obsiegt; Mechanikermeister Hermann Bollhalder führt seit gut 15 Jahren einen angesehenen Händlerbetrieb in Wattwil mit rund zehn Mitarbeitern und widmet sich in erster Linie dem Verkauf. In der Freizeit aber schraubt der Meister selber und hat sich dazu ein Objekt ausgesucht, das man selten auf Rennstrecken sieht: einen Speedster – den Sportwagen von Opel, der in fünf Jahren nur knapp 7000mal gebaut wurde.
Das Fahrzeug mit seinem Aluminium-Monocoque basiert auf dem Lotus Elise, liefert serienmässig als Sauger 147 und als Turbo 200 PS. Bei einem dank Kunststoffcarrosserie günstigen Wagengewicht von knapp einer Tonne verfügte bereits das Serienmodell über ansprechende Fahrleistungen. Bolle jedoch wollte mehr und hat nun, für die Saison 2016, 389 PS aus dem 2,2-Liter-Basismotor herausgekitzelt.
Die von Eggenberger Motorsport abgestimmte Motorkonfiguration mit Turbolader kann mit einem Drehmoment von 450 Nm im Bereich von 3500 bis 6500 Motorumdrehungen aufwarten. Ein sequenzielles eng gestuftes Getriebe sorgt für die bei Bergrennen und Slaloms entscheidende Beschleunigung – auf Kosten der Spitzengeschwindigkeit, die jedoch bei dieser Art Rennen nicht entscheidend ist.
Was fasziniert Hermann Bollhalder als «Spätzünder» am Rennsport? Klar, die Geschwindigkeit: «So schnell wie möglich, aber kontrolliert. Der Rang ist für mich nicht entscheidend, sondern der Fahrspass. Das Risiko darf nicht ausser Kontrolle geraten, und ein gutes Rennwochenende ist für mich eines, an dem ich nie sagen muss: Schwein gehabt!» Das bedeutet konkret, dass Bolle nicht unbedingt spektakulär um die Kurven driftet, sondern einen Fahrstil zu erreichen sucht, wie ihn die grossen Könner beherrschen.
Dass ein unspektakulärer Fahrstil schnell sein kann, zeigen seine beachtlichen Erfolge, gekrönt von einem ersten Rang beim Slalom von Bure im letzten Jahr. Mit seinem eher ungewöhnlichen Fahrzeug hat er bei dieser Gelegenheit der Porsche-GT3-Meute die Heckleuchten gezeigt. Und Bollhalder hofft natürlich, mit seinem jetzt nochmals verbesserten Auto weitere Lorbeeren zu holen – allerdings, wie gehabt, mit der Prämisse: sicher, kontrolliert, aber schnell. Wichtig ist für ihn nicht das Siegen um jeden Preis, sondern das Mitmachen, das Ausschöpfen der eigenen Möglichkeiten, das Herantasten an die Grenzen – ohne diese mit enormen Kostenfolgen zu überschreiten.
Die Rennfahrerei, wie sie von vielen Amateuren in der Schweiz betrieben wird, ist wie eine Sucht: Wer einmal von ihr befallen ist, wird sie kaum mehr los. Die Rennen selbst – in der Schweiz ausschliesslich Bergrennen und Slaloms – sind wohl der zeitlich kleinste Teil dieser Leidenschaft, doch natürlich der aufregendste. Auf der anderen Seite ist es aber die Szene selbst, welche die Beteiligten in ihren Bann zieht. Fast wie bei den Grand Prix der Fünfziger- und Sechzigerjahre fühlt man sich im Fahrerlager wie im Schoss einer Familie von Gleichgesinnten. Man reist mit Camper und Hänger an, führt Benzingespräche mit den Freunden, die man dann auf der Piste knallhart, aber fair bekämpft, und geniesst jeden Anlass «fast wie Ferien».
Hobbyfahrer wie Hermann Bollhalder machen auch alles selbst, ohne technisches Personal im Hintergrund, und scheuen sich natürlich nicht vor öligen Händen. Rennfahren stellt aber auch hohe körperliche Anforderungen, betont Bolle, dem seine eigene Fitness wichtig ist. So zählt er nach dreimaliger Absolvierung des Engadiner Skimarathons bereits zur Langlauf-Elite C. Und bei guter Thermik steuert er beispielsweise an einem Samstag seinen Gleitschirm von der Ebenalp im Idealfall bis nach Hause in Wattwil. Am Sonntag setzt er sich dann morgens um sechs Uhr aufs Velo und radelt in knapp zwei Stunden hoch nach Wasserauen, um sein Auto zurückzuholen. Das reicht dann locker, um mit frischen Gipfeli am heimischen Frühstückstisch einzutreffen. Das Familienleben soll ja schliesslich nicht zu kurz kommen, meint Bollhalder, der mit seiner Frau stolz auf die beiden erwachsenen Söhne ist – obwohl keiner der beiden den Mechanikerberuf ergriffen hat.