WATTWIL: Armee bricht Damm ab

Seit Montag und auch noch heute brechen Angehörige des Katastrophenhilfe-Bataillons 23 die Staumauer im Hagtobel in Wattwil ab.

Martin Knoepfel
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Die Staumauer im Hagtobel besteht aus örtlichem Nagelfluhgestein und Beton. (Bilder: Martin Knoepfel)

Die Staumauer im Hagtobel besteht aus örtlichem Nagelfluhgestein und Beton. (Bilder: Martin Knoepfel)

Martin Knoepfel

martin.knoepfel@toggenburgmedien.ch

Die Präsenz der Armee kündigt sich an der Hagentobelstrasse an. Eine mobile Funkstation steht neben der Strasse, dazu olivgrüne Anhänger. Im Schatten eines Stalles warten einige Angehörige der Armee. Wehrmänner des Katastrophenhilfe-Bataillons 23 (Kata Hi 23) brechen im Rahmen der Übung Rathar die Reste der Staumauer im Hagtobel in Wattwil ab. Auch heute noch werden die Wehrmänner hier im Einsatz stehen. Die Staumauer liegt ungefähr auf der Höhe der Burg Iberg im Tobel, welches an dieser Stelle linksseitig durch steile Felswände begrenzt wird.

«Helm auf», kommandiert der Oberleutnant. Pünktlich um neun Uhr ertönen Hornstösse, erst fünf lang gezogene, dann drei kurze in rascher Reihenfolge. Dann knallt es nicht allzu laut aus dem Tobel, und das Echo hallt kurz nach. Nach der Sprengung darf der Berichterstatter ins Tobel hinab. Der Weg ist mit rot-weissen Plastikbahnen signalisiert. Am Boden liegt ein gelber Schlauch. Er führt dem Presslufthammer die Luft zu.

Vorgestern Montag habe man eine Probesprengung durchgeführt, um festzustellen, wie viel Sprengstoff man brauche, sagt der Sprengmeister, Oberleutnant Hansueli Preisig aus Richterswil ZH. Er ist im Zivilleben Inhaber eines Geschäfts für Käse und Wein. Jetzt brauche man sieben Kilogramm Sprengstoff, etwa 400 Gramm pro Kubikmeter.

Nach der Sprengung machen sich die fast 20 Wehrmänner daran, das lose Material mit einem Presslufthammer, mit Spitzhacken und Schaufeln und mittels eines Wasserstrahls abzutragen. Der Grund: Die Staumauer ist nur zu Fuss erreichbar. Zugleich wird der Bach auf einigen Metern umgeleitet, damit man dort Sprenglöcher bohren kann, wo der Bach sonst fliesst. Vor allem die Arbeit mit den Spitzhacken und den Schaufeln ist sehr anstrengend, und der Schweiss fliesst in Strömen über die Wangen der Wehrmänner, obwohl die Sonne durch das dichte Laubdach nicht bis auf den Boden des Tobels vordringt.

Das Material für die Staumauer stammt aus dem Tobel

Die Staumauer wurde aus Stampfbeton erstellt, das heisst, aus Nagelfluh-Gestein, das aus dem Hagtobel selber gewonnen wurde, und aus Beton. Die Gesteinsbrocken der Staumauer werden nicht abtransportiert, sondern im Tobel liegen gelassen. Der Bach wird sie vielleicht bei einem Hochwasser talwärts befördern. Die Armee hat die Aufgabe, keine Gesteinsbrocken mit über 30 Zentimetern Grösse zu hinterlassen. Das soll verhindern, dass das Geschiebe Durchlässe unter Brücken verstopft.

Die Staumauer war früher rund acht Meter hoch. Sie lehnte sich an eine natürliche Felsrippe im Tobel an. Das Wasser des Staubeckens trieb einen Generator an, der Strom für die Drehbänke einer Drechslerei erzeugte. Das Wasser wurde, nachdem es die Drechslerei verlassen hatte, noch für eine Flaschnerei beziehungsweise Spenglerei und zuletzt für ein Sägewerk gefasst. Die Anlage nutzte eine Fallhöhe von rund 38 Metern. Im Hagtobel sieht man unterhalb der Staumauer an einigen Stellen noch Überreste der Druckleitung. In der Staumauer ist der Grundablass sichtbar.

Das Staubecken ist seit Jahren verlandet. Das Hagtobel ist heute eine idyllische Waldlandschaft und ein Waldschutzgebiet. Mit Moos bewachsene Baumstämme liegen quer über dem Bach als Zeichen dafür, dass der Wald hier schon lange nicht mehr bewirtschaftet worden ist.