Nächste Woche rutschen in Alt St. Johann wieder die Hornschlitten vom Hummersboden ins Dorf – zum letzten Mal nach einem Vierteljahrhundert. Die Tradition begann dereinst mit einer Vision der Gründer: Zum grössten Hornschlittenrennen in der Schweiz wollte man werden.
ALT ST. JOHANN. 2001, ein Jahr an das sich die Mitglieder des Hornschlittenclubs Alt St. Johann gerne erinnern. Rund 220 Schlitten vor rund 5000 Zuschauern bedeuteten Teilnehmerrekord. Das Schweizer Fernsehen drehte vor Ort in Starkenbach, die Organisatoren hatten alle Hände voll zu tun. Spätestens zu jenem Zeitpunkt konnten sie mit Sicherheit sagen: Wir sind das grösste Hornschlittenrennen in der Schweiz.
Schon 1988, als sich 15 Männer aus Alt St. Johann aus den Reihen des Hornschlittenclubs zusammentaten, um das erste Hornschlittenrennen auf die Beine zu stellen, hatte man diese Vision. Zum grössten Renn-Event in der Schweizer Hornschlitten-Szene wollte man heranwachsen. Was andere aus einer Schnapsidee zu später Stunde beschliessen, meinten die Begründer des Hornschlittenrennens Alt St. Johann todernst. «Das wollten wir wirklich. Wir waren motiviert», erinnert sich Präsident Hans Alpiger an jenen Augenblick, da die damals aktiven und schweiz- wie europaweit sehr erfolgreichen und lange dominierenden Hornschlittler die Gründung beschlossen. Das war nur wenige Monate vor der erstmaligen Austragung im Februar 1989. 60 Teilnehmer zählte man dazumal. Auch damals war das Schweizer Fernsehen vor Ort.
Das erste Hornschlittenrennen fand statt – wetterbedingt nicht einmal auf der Originalstrecke Hummersboden in Alt St. Johann – und schon sahen die Organisatoren ein: Dieser Event muss jährlich ausgetragen werden. 25 Jahre sind seither vergangen. Jedes Jahr im Februar flitzten mehr und mehr Hornschlitten ins Tal, bis zum Höhepunkt 2001. Danach flachte die Teilnehmerzahl wieder ab. Und nun soll heuer, am 16. Februar, das traditionelle und weit herum bekannte Hornschlittenrennen im oberen Toggenburg zum letzten Mal vonstatten gehen. Der harte Kern des Vorstands mag nicht mehr, der Nachwuchs fehlt, im kleineren Rahmen weiterzumachen, macht angesichts des sowieso entstehenden Aufwands keinen Sinn – und so beschlossen zwei Drittel der Mitglieder an der letzten Hauptversammlung den Endpunkt der 25jährigen Hornschlitten-Ära. «Ich bin nicht frustriert», betont Hans Alpiger, «aber wir wollen besser dann aufhören, wenn es am schönsten ist.» Das klingt wie eine Floskel. Doch dem Präsidenten des Hornschlittenclubs ist es ernst: «Die Teilnehmerzahlen gehen zurück. Vielleicht ist es in ein paar Jahren schon ein Flop, so dass dies die letzte Erinnerung sein würde. Wenn wir nun aufhören, wird das letzte Rennen den Leuten als grossartige Erinnerung bleiben.»
Schade sei es zwar, doch es sei in Ordnung. Immerhin hatte man fünf Jahre länger durchgehalten, als ursprünglich gedacht. Eigentlich wollte man schon beim 20. Hornschlittenrennen aufhören.
Etwas Spezielles haben sich die 21 Clubmitglieder für das 25. Hornschlittenrennen nicht ausgedacht – dass es zu einem Highlight wird, dafür werden die Teilnehmer schon selber sorgen. Vor knapp einer Woche etwa präsentierte das Hornschlittenteam Bözen aus dem Aargau, das seit sieben Jahren regelmässig über die Alt St. Johanner Piste flitzt, sein diesjähriges Gefährt: Dinosaurier Rudy. Es ist bei weitem nicht das erste Aufsehen erregende Gefährt – die Hornschlittenfahrer aus dem Unterland sind schon in der Titanic und mit einem Mammut aufgekreuzt. «Auf diese närrischen Typen ist Verlass. Und sie bringen immer eine ordentliche Fangemeinde mit ins Toggenburg», sagt Hans Alpiger.
Eben die ausgefallenen Schlitten seien es denn gewesen, die das grosse Publikum nach Alt St. Johann gebracht hatten und dazu beitrugen, dass das hiesige Hornschlittenrennen zum schweizweit grössten wurde. Die Teilnehmer der Kategorie «Originelle Schlitten», in welcher vielmehr der Auftritt als die benötigte Zeit auf der 1080 Meter langen Strecke zählt, wurden immer gefördert. «Wir haben schnell erkannt, dass die Originellen die Zuschauer anziehen», so der Clubpräsident. Dabei sei man zu Beginn noch belächelt worden. Und heute sind die Schiffe, Raketen, Ställe, Rettungswagen und was da sonst noch mehr schlecht als recht den Hügel hinunter rutscht nebst den rasanten Profisport-Hornschlitten, die nunmehr eine Minute für ihre Talfahrt benötigen, nicht mehr wegzudenken. Ganz zu schweigen von dem Aufmarsch am Vormittag, wenn die Konstruktionen auf Jeeps, Traktoren und Transportern angeliefert und auf die Strasse zum Ausgangspunkt, dem Bauernhof im Hummersboden, geschleppt werden.
Doch nach all den Jahren haben die Organisatoren – noch sind mit Hans Alpiger, Noldi Alpiger, Guido und Patricia Alpiger, Peter Bühler und Daniel Kaiser sechs Gründungsmitglieder dabei – an Routine gewonnen. Alles ist in einem Pflichtenheft dokumentiert, Professionalität hat Einzug gehalten. «Früher waren wir schon im Dezember nervös. Heute legen wir erst in der Woche vor dem Rennen so richtig los, was die Arbeiten an der Piste angeht», schildert Hans Alpiger. Es habe zwar schon Zeiten gegeben, da man vieles hat lernen müssen, gibt er zu. «Doch wir holten uns Rat bei Leuten, die über das nötige Know-how verfügten.»
So in einer langen Nacht vor dem Rennbetrieb, da die Strasse vom Dorf zum Startpunkt komplett schneefrei war. Partout wollte man das Rennen nicht absagen. «Um drei Uhr früh haben wir noch diskutiert. Besonders einer hat auf der Durchführung beharrt», erzählt der Präsident. Und so habe man die Strasse mit haufenweise Salz überschüttet und grosse Mengen Schnee herangeschafft. «Zum Schluss war die Piste pickelhart.»
Denn abgesagt oder um eine Woche verschoben wurde das Rennen nicht einmal in den 25 Jahren. Immer schon war das Datum auf den dritten Samstag im Februar fixiert. Selbst wenn die Piste wegen des mangelnden Schnees hat auf Iltios, unterhalb der Sellamatt oder nach Starkenbach versetzt werden müssen. Selbst wenn der Schnee mit Sattelschleppern im Älpli hat geholt werden müssen. Selbst wenn man die Teilnehmer und Zuschauer im zweiten Jahr der Austragung bis weit in die Amdener Höhi hat schicken müssen, wo noch etwas Schnee lag.
Das soll nun nach der letzten, ebenfalls traditionellen Hornschlitten-Party nach dem Rennen in der Tennishalle Unterwasser Vergangenheit sein. Ob den Organisatoren nächstes Jahr im Februar nicht plötzlich langweilig wird oder sie ein Kribbeln verspüren? «Nein», sagt der Präsident mit Gewissheit. Und schliesslich habe er noch andere Ideen, was er anstelle des Hornschlittenrennens organisieren könnte. Doch das sei Zukunftsmusik. «Zuerst müsste ich jemanden finden, der auch Lust darauf hat», begründet Hans Alpiger.
Das 25. Hornschlittenrennen Alt St. Johann findet statt am Samstag, 16. Februar. Anschliessend Party in der Tennishalle Unterwasser mit den «Grubentalern». www.hornschlittenrennen.ch