Auch in Wäldern, die vor Naturgefahren schützen, muss geholzt werden. Damit der Wald auch nach Jahrzehnten dieselbe Funktion erfüllen kann, wird er gelichtet und dadurch sichergestellt, dass Jungbäume wachsen können.
STEIN. Beim Befahren der Staatsstrasse zwischen Stein und dem Steinbruch Starkenbach ist im Winter Vorsicht geboten. Zum einen besteht im kurvigen Strassenabschnitt häufig die Gefahr von Glatteis, zum anderen rutschen vom steilen Hang ab und zu kleine wie grössere Mengen Schnee auf die Fahrbahn. Und das, obwohl das Waldstück gleich oberhalb der Strasse als «Wald mit besonderer Schutzfunktion» ausgewiesen ist.
«Man kann das nicht so allgemein sagen, sondern muss das Waldstück quasi von zwei Seiten betrachten», sagt Thomas Abderhalden, Revierförster des Gebietes Speer. Er steht am Waldrand hoch über der Kantonsstrasse, am Strässchen zum Fuchsboden, etwa dort, wo die Gemeindegrenze zwischen Nesslau und Wildhaus-Alt St. Johann verläuft und das Forstrevier Speer aufhört. Er weist talauf, dorthin wo oberhalb der Steinmauer einst der Wald abgeholzt und Netze zum Schutz vor Felsstürzen gespannt worden sind. «Es stehen dort heute zu wenig Bäume, um vor Rutschungen zu schützen, weshalb in jenem Bereich Schnee runter geht.» Thomas Abderhalden dreht sich talabwärts und erklärt: «Hier jedoch kann der Wald seine Schutzfunktion wahrnehmen. In diesem Bereich verhindern die Bäume, dass sich Schnee lösen kann.»
Geht man in der Zeit rund 100 Jahre zurück, gingen zwischen Stein und Alt St. Johann nicht nur kleinere Schneebretter nieder, sondern teils gewaltige Lawinen. Diese lösten sich allerdings nicht im Wäldchen im Fuchsboden, sondern weiter südlich, am Mittagberg, und grollten mit grosser Wucht ins Tal. Heute passiere dies nicht mehr, erläutert Thomas Abderhalden: «Dank dessen, dass der Wald aufgeforstet und die Lawinenverbauung Schilt erstellt wurde. Betrachtete man den Wald von oben, würde man keine Wiesen oder Alpweiden mehr sehen.»
Dem Wald am Häderen- und am Mittagberg ist ebenfalls die Funktion eines Schutzwaldes zugewiesen. Insgesamt erfüllen rund 6400 Hektaren des Toggenburger Waldes eine Schutzfunktion. Das sind etwa 45 Prozent der Waldfläche – kantonsweit sind es rund 53 Prozent. Solche Wälder haben zum Zweck, Siedlungsgebiete oder wichtige Sachwerte wie Verkehrswege vor vielerlei Naturgefahren zu schützen: Vor Lawinen, vor Erdrutschen oder vor Steinschlägen. Sie vermindern Erosionen oder stellen sicher, dass Gewässer nicht durch abrutschendes Material gestaut werden und dadurch Hochwasser ausgelöst wird. Gemäss Informationen der Fachstelle für Gebirgswaldpflege gilt im Falle des Schutzes vor Steinschlag: Je mehr und je dickere Stämme, desto mehr Schutz, denn dadurch erhöht sich die Möglichkeit, dass herunterstürzende Steine durch Bäume aufgehalten werden. Besonders geeignet sind Laubbäume oder fäuleresistente Nadelbäume wie die Weisstanne. Auch bietet sich bei nicht ausreichendem Schutz allein durch den Wald die Möglichkeit eines kombinierten Schutzes mit einer technischen Verbauung an: beispielsweise eines Dammes oder eines Steinschlagschutznetzes. Grundsätzlich ist ein Schutzwald die kostengünstigste Methode, das Risiko durch Naturgefahren zu reduzieren.
Wälder, die vor Lawinen schützen, befinden sich direkt im Anrissgebiet. Sie verhindern, dass sich der Boden oder der Schnee überhaupt loslöst. Im Falle des Fuchsbodenwaldes erfüllen vor allem jüngere Bäume die schützende Funktion, wie Thomas Abderhalden erklärt: «Alte, grosse Bäume sind schwer. Auf dem felsigen Untergrund wie hier kann ihr Wurzelwerk nicht tief genug greifen. Gesunde, kleinere Bäume stehen sicherer.»
Damit der Wald auch während der nächsten Generation und darüber hinaus seine Funktion wahrnehmen kann, muss er so bewirtschaftet werden, dass stets genügend Jungbäume wachsen können. Ältere oder absterbende Bäume werden geholzt. Letzten Dienstag ist der Fuchsbodenwald gelichtet worden – weiteren älteren Bäumen steht der Holzschlag noch bevor, wie die vom Revierförster angebrachten Markierungen zeigen. Dies geschehe in diesem Waldstück etwa alle zehn Jahre, so Thomas Abderhalden. «Wichtig ist, dass die nötige Stammzahl, das heisst, wie viele Bäume auf welcher Fläche stehen, immer stimmt.» Um die Bewirtschaftung und die Holzung hat sich der Waldeigentümer selber zu kümmern. Da es sich bei diesem Wald um einen Schutzwald handelt, erhält er für die Pflege und Bewirtschaftung Beträge vom Kanton. Weil sich das Waldstück im Steilhang über einer wichtigen Strasse befindet, hat sich der Waldeigentümer ausserdem in Absprache mit dem Kanton um die zeitweise Regelung des Verkehrs kümmern müssen – zum Schutz vor allfällig herunter fallendem Material. Ausserdem gelte es beim Holzschlag zu beachten, dass die benachbarten, insbesondere die jungen, Bäume nicht beschädigt werden, weiss Thomas Abderhalden.
Dass sich der Winter für Holzschläge eignet, hänge damit zusammen, dass die Bäume zu dieser Jahreszeit härter und stärker sind. «Im Sommer sind die Bäume im Saft und daher viel verletzlicher. Beim Fällen eines Baumes könnte der benachbarte Schaden nehmen und dadurch faulen», so der Revierförster. Als weiteres Plus spiele auch der Schnee mit: Der gefrorene, schneebedeckten Boden wird weniger beschädigt.