VORTRAG: «Ihr müsst zusammenhalten!»

In der bis zum letzten Platz besetzten Aula des BWZ Toggenburg in Wattwil fesselte Historiker Hans Büchler sein Publikum mit einer Reise durch die bewegte und bewegende Geschichte des Wattwiler Weltkonzerns Heberlein.

Peter Küpfer
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Rolf Fauser, Fitness- und Bewegungstrainer (links), und Peter Tindl, Expansionsleiter Update Fitness, am neuen Standort im Wattwiler «Glaspalast». (Bild: Martina Signer)

Rolf Fauser, Fitness- und Bewegungstrainer (links), und Peter Tindl, Expansionsleiter Update Fitness, am neuen Standort im Wattwiler «Glaspalast». (Bild: Martina Signer)

Peter Küpfer

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@toggenburgmedien.ch

Im Rahmen des Kulturforums der Wattwiler Sonntagsgesellschaft zeigte Hans Büchler anhand aussagekräftiger Bilddokumente, wie die Heberlein-Werke entstanden, wie sie sich entwickelten und dabei die Geschicke Wattwils mitbeeinflussten, zeitweilig fast symbiotisch. Die Geschichte Wattwils wäre wohl anders verlaufen, wenn in den 20er- Jahren des 19. Jahrhunderts ein gewisser Georg Philipp Heberlein, rheinländischer Garnfärbergeselle, auf seiner Walz nicht auch Station in Wattwil gemacht hätte. Das war aber der Fall. Dort fand der geschickte Wanderbursche nämlich nicht nur Arbeit, sondern bald einmal auch eine Frau, die Wattwilerin Elisabeth Ambühl, Tochter eines angesehenen Sattlermeisters. Die beiden legten familiengeschichtlich den Grundstein zum Familienbetrieb Heberlein. Denn ein Familienbetrieb ist Heberlein in seinen guten Zeiten im Wesentlichen geblieben, über fünf Generationen hinweg, auch unter wechselnder Rechtsform und in den Jahren ungebremsten Wachstums. Die verwandtschaftlichen Bande der Unternehmerfamilie waren schon in den ersten Generationen stark. Sie blieben es bis zum schmerzlichen Ende 2001.

Dynamische Entwicklung

Die Devise «Ihr müsst zusammenhalten» wurde seinen Nachkommen schon von Stammvater Georg Philipp eingeschärft. Manche der vielen Nachfahren des Pioniers stellten ihr ganzes Können denn auch ganz in den Dienst des Unternehmens. Manchmal stand ihr Engagement für den Familienbetrieb im Zeichen des Verzichts. So hätte beispielsweise Georg Heberlein (vierte Generation, 1902–1984), Hauptmann im Generalstab, lieber eine Karriere als Berufsoffizier eingeschlagen, verzichtete dann aber zu Gunsten der Firma darauf und leitete ihre Geschicke lange Jahre zusammen mit seinen beiden Vettern Rudolf und Eduard. Insbesondere Cousin Rudolf Heberlein (1901–1958), ganz auf amerikanische Methoden eingeschworen, ein Motoren- und Technikbewunderer, nachmaliger Verwaltungsratspräsident der Swissair, drängte auf Modernisierung und internationale Verankerung. Neue Methoden zur Veredelung der Textilien und selbstentwickelte Verfahren, die ursprünglichen Naturfarben auch chemisch zu erzeugen, und der damit verknüpfte Textildruckbereich verhalfen dem Wattwiler Konzern bald einmal zu Weltruhm. Ihm folgten einträgliche Lizenzen, besonders nachdem das Unternehmen das bahnbrechende Kräuselgarn «Helanca» zur Produktionsreife entwickelt hatte. Die Marke Helanca erlebte einen grenzenlosen Siegeszug um die ganze Welt. Das ermöglichte dynamisches Wachstum und Investition. Das Wachstum des Konzerns schlug sich auch sehr direkt im Wachstum der Einwohnerzahlen Wattwils nieder. In seinen besten Jahren beschäftigte das Unternehmen an die 5000 Arbeitnehmer überall auf der Welt, davon die Hälfte in Wattwil.

Soziales und kulturelles Engagement

Nicht nur in ihrem eigenen Metier erwiesen sich die fünf Generationen als geschickt. Auch in sozialer und kultureller Hinsicht können die Heberleins als aufgeschlossen, teilweise auch als Gönner und Förderer bezeichnet werden. Eduard Heberlein war Mitbegründer des Toggenburger Orchestervereins. Das Unternehmen stiftete Wattwil in den 20er- Jahren, als die Schweiz noch unter dem Schock des Generalstreiks stand, ein Volkshaus mit Bibliothek und Saal, den heutigen Thurpark. Für «Heberlianer» wurden günstige Wohnungen und Zweifamilienhäuser gebaut, später und besonders sichtbar die ab 1969 errichteten drei Hochhäuser im Ulisbach. Die Firma unterhielt schon früh ein Personalrestaurant und eine Kinderkrippe, einen eigenen Tennisplatz und eine Fussballmannschaft. Das war auch ein Stück vorausschauende Sozialplanung in Hinblick auf immer grösser werdenden Personalbedarf, der dann in den 1970er-Jahren trotzdem nicht mehr gedeckt werden konnte – einer der Gründe, warum der Wattwiler Riese ab den 1980er-Jahren zu kriseln begann und schliesslich 2001 unterging. Der Schock sitzt bei vielen immer noch tief.

Der Referent stützte sich bei seinen Bilddokumenten und Ausführungen auf das von ihm selbst herausgegebene Buch «Heberlein 1835–2015. Von der Lohnfärberei zum Industriekonzern» (Toggenburger Verlag 2015, ISBN 978-3-908166-70-2). Erhältlich im Buchhandel.