Zeitungsjubiläums-Serie: Vom Redaktionspult in die Thurgauer Regierung

Die Liste der ehemaligen Redaktorinnen und Redaktoren der «Appenzeller Zeitung» enthält einige bekannte Namen. Ein gewisser Jakob Stark hat es gar bis in die Thurgauer Regierung gebracht.

Karin Erni
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Schon vor 25 Jahren gab es Sommerserien, wie Regierungsrat und Historiker Jakob Stark anhand einer damaligen Ausgabe der «Appenzeller Zeitung» zeigt. (Bild: KER)

Schon vor 25 Jahren gab es Sommerserien, wie Regierungsrat und Historiker Jakob Stark anhand einer damaligen Ausgabe der «Appenzeller Zeitung» zeigt. (Bild: KER)

Jakob Stark ist seit 2006 Regierungsrat des Kantons Thurgau und leitet heute das Departement für Finanzen und Soziales. Seit er sich erinnern könne, habe er Journalist werden wollen, so der 59-Jährige.

«Ich habe immer gern geschrieben. Nach der Matura an der Kantonsschule Frauenfeld habe ich gleich ein Volontariat bei der Thurgauer Zeitung absolviert.»

Studiert hat der vielseitig Interessierte anschliessend aber doch. In Frage gekommen seien Geschichte, Rechtswissenschaften oder – für ihn als Bauernsohn – auch Agronomie. Den Ausschlag zum Geschichtsstudium gab der damalige Chefredaktor der Thurgauer Zeitung, der Historiker war. Als Nebenfach habe er noch Volkswirtschaft und Publizistik belegt, so Stark. «Ich war so angefressen vom Journalismus, dass ich Publizistik im Hauptfach studiert hätte, wenn es das damals schon gegeben hätte.» Heute sei er froh, denn ein Geschichtsstudium biete einen breiteren Hintergrund.

Die erste Arbeitsstelle führte Jakob Stark zur Schweizerischen Bodensee-Zeitung, wo er zuerst als Lokalredaktor für Bischofszell und danach als Thurgau-Redaktor tätig war. «Doch dann habe ich einen guten Gump gemacht», sagt er nicht ganz ohne Stolz. Er habe eine Stelle auf der Wirtschaftsredaktion beim Zürcher «Tagesanzeiger» erhalten. «Obwohl ich damals bereits SVP-Mitglied war.»

Vom "Tagesanzeiger" zum "St.Galler Tagblatt"

Zu jener Zeit wurde er zudem Ortsvorsteher in seinem Wohnort, dem 300-Seelen-Dorf Buhwil. Die Tätigkeit habe er im Nebenamt ausgeführt, doch für den «Tagesanzeiger» sei das nicht vereinbar gewesen und man habe ihm zwei Jahre Zeit gegeben, das Amt wieder abzugeben. Doch Stark wechselte stattdessen den Arbeitgeber und ging als Inlandchef zum «St. Galler Tagblatt». In jener Zeit habe er Marcel Steiner, den Chefredaktor der damals noch unabhängigen «Appenzeller Zeitung» kennengelernt. Dieser stellte ihn an, um den Wirtschaftsteil auszubauen. Der Historiker zückt ein altes Arbeitszeugnis aus den fein säuberlich aufbewahrten Unterlagen: «Jakob Stark arbeitete vom 1. Mai 1993 bis 31. März 1995 bei der ‹Appenzeller Zeitung› in Herisau.»

Die Zeit in den damals modernen Büros an der Kasernenstrasse in Herisau sei ihm in guter Erinnerung, so Stark. «Wir waren wie eine grosse Familie. Der Verleger und die Technik, alles war sehr nah.» Bei seiner Arbeit habe er das Appenzellerland kennengelernt. Gut erinnern könne er sich an jene denkwürdige Landsgemeinde in Trogen, als Marianne Kleiner und Alice Scherrer als erste Frauen in die Regierung gewählt wurden. «Man hat eine Art Aufbruchstimmung gespürt.»

Zeitungsseiten von Hand zusammengefügt

Gern gemacht habe er das selbst entwickelte Wirtschaftsquiz, das die Kenntnisse der Leser über die Wirtschaft verbessern sollte. Sommeraktionen habe es damals schon gegeben, erinnert sich Stark. «Tapetenwechsel» hiess die Serie. «Eine Woche lang habe ich auf der Alp Aueli als Zusenn vom leider früh verstorbenen Werner Meile aus Dicken gearbeitet.»

An körperliche Arbeit nicht mehr gewohnt, sei es streng gewesen, die Stimmung auf der Alp aber herrlich. In der Woche darauf seien die Seiten dann im Büro produziert worden. Der Zeitungsumbruch sei damals noch ganz anders vonstattengegangen als heute. «Eine Maschine spuckte die Texte als Endlosspalte aus. Anschliessend wurden sie von den Metteuren zurechtgeschnitten und zu einer Zeitungsseite zusammengefügt.»

«Appenzeller Zeitung» war wichtig für Thurgauer

Er habe damals noch die besondere Aura der «Appenzeller Zeitung» gespürt, erinnert sich Stark. Das Blatt hatte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine wichtige Funktion für die demokratischen Kräfte im Thurgau, indem es die dortige liberale Bewegung von Thomas Bornhauser unterstützte. Die einheimischen Blätter hätten für die konservativen Aristokraten geschrieben, während die «Appenzeller Zeitung» liberales Gedankengut transportierte. Die restaurativen Kräfte wurden schliesslich gestürzt und der Kanton erhielt eine moderne liberale Verfassung.

Stark ist nicht traurig, dass er das Ende der Ausserrhoder Landsgemeinde und den Verkauf der Kantonalbank nicht mehr erleben musste. Er ging zur Weltwoche, damals noch im Besitz der Jean Frey AG. Vielleicht wäre er irgendwann in einer Chefredaktion gelandet, vermutet er rückblickend, doch die Politik habe ihn mehr fasziniert.

«Als Ortsvorsteher sah ich, dass es mir gut gelang, im Dialog Lösungen zu entwickeln und zum Wohl der Gemeinschaft umzusetzen.»

Im Zuge der Gemeindereorganisation kam es zu einem Zusammenschluss von Kradolf, Schönenberg, Neukirch und Buhwil zur Politischen Gemeinde Kradolf-Schönenberg. Stark wurde zum ersten Gemeindeammann. «Ab dann war fertig Journalismus.» Doch die Zeitung ist sein treuer Begleiter geblieben. «Ich nehme mir durchschnittlich täglich eine Stunde Zeit und lese die NZZ, den ‹Tagesanzeiger› und die ‹Thurgauer Zeitung›.» Er sei ein richtiger Fan von Zeitungen aus Papier, reisse Artikel raus und bearbeite sie mit Leuchtstift. Die Bemerkung der Schreibenden, er habe es als ehemaliger Redaktor der Appenzeller Zeitung «zu etwas gebracht», lässt er so nicht gelten. Der Beruf des Journalisten werde im Zeitalter der mobilen Kommunikation oft unterschätzt. «Er ist sehr wichtig. Heute wohl fast noch mehr als früher.»

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