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Mit 150 Jahren ist die Kantonsverfassung Innerrhodens eine der ältesten der Schweiz. Die Totalrevision dürfte nun mehr Zeit im Grossen Rat in Anspruch nehmen. Die Standeskommission schlägt unter anderem mehr Finanzkompetenzen für den Kanton oder einen kürzeren Amtszwang vor.
Wer die Verfassung des Kantons Appenzell Innerrhoden liest, merkt rasch: Das Dokument ist unübersichtlich. Seit die Verfassung 1872 in Kraft trat, wurde sie 35-mal teilrevidiert, aber nie im Ganzen überarbeitet. So verweist die Verfassung in unzähligen Fussnoten auf vergangene Landsgemeinden. Seit einem Bericht der Standeskommission von 2018 ist klar, dass eine solche Totalrevision der Kantonsverfassung guttun würde.
Für den Grossen Rat dürfte dies nun aufwendiger werden als gedacht. Der Kanton hatte vergangenen Freitag mitgeteilt, dass der Grosse Rat im nächsten Jahr wohl eine zusätzliche Session halten muss. Es liesse sich derzeit nicht abschätzen, wie viel Zeit der Grosse Rat für die Beratung des Geschäfts brauchen werde, schreibt der Kanton. Es könne nicht damit gerechnet werden, dass sich das Geschäft ohne weiteres zusätzlich zu den üblichen Geschäften in einer der fünf ordentlichen Sessionen unterbringen lässt.
Der regierende Landammann Roland Dähler sagt, eine ausserordentliche Session des Grossen Rats sei nur äusserst selten notwendig. «Die Standeskommission ist der Meinung, dass der Grosse Rat für die Beratung eines so wichtigen Geschäfts genug Zeit bekommen muss.» Dafür wurde der 4. September 2023 reserviert. Im Frühling oder Frühsommer 2023 soll entschieden werden, ob diese zusätzliche Beratung wirklich benötigt wird. Dann sei besser absehbar, wie die ordentlichen Sessionen im Juni und Oktober belastet sein werden und wie gross der Diskussionsbedarf bezüglich der neuen Verfassung sein wird.
Den Anstoss zur Totalrevision gab der Grosse Rat 2018, als er die Standeskommission beauftragte, den Revisionsbedarf zu prüfen. Roland Dähler sagt: «Aus unserer Sicht war klar, dass die heutige Kantonsverfassung funktioniert, aber dass sie Verbesserungspotenzial hat.» Das Stimmvolk hatte am 9. Mai 2021 an der Urne im Grundsatz zugestimmt. Die Standeskommission hatte damals versprochen, dass die Verfassung nur der heutigen Zeit angepasst werden soll, nicht aber grundsätzliche strukturelle Änderungen des Staatswesens vorgenommen werden.
Seither hat die Standeskommission eine Interessengruppe eingesetzt, in welcher Bezirke, Feuerschaugemeinde, Kirch- und Schulgemeinden, Gerichte, Verbände sowie Parteien vertreten sind. Dreimal haben sich die Standeskommission und die Interessengruppe bereits getroffen, im August sind weitere Termine angesetzt, so Dähler. Die umfassenden Vorbereitungsarbeiten und rechtlichen Abklärungen werden durch Ratsschreiber Markus Dörig vorgenommen. In einzelnen Fragen werde externe Beratung beigezogen.
Durch die Revision solle die Verfassung übersichtlicher, inhaltlich und sprachlich konsequenter und insbesondere schlanker werden, so Dähler. Die Standeskommission steckt mitten in den Diskussionen. Dähler sagt: «Ein Punkt, der immer wieder Anlass zu Diskussionen gibt, ist die Frage, welche Anpassungen aus formellen Gründen möglich sind. Die Abgrenzung, ob es sich bei den Änderungen noch um formelle oder bereits um strukturelle Anpassungen handelt, ist nicht messerscharf.»
So sehe der aktuelle Entwurf der Standeskommission etwa den Ausbau der Finanzkompetenzen der Standeskommission, der Landsgemeinde und des Grossen Rats vor. Dähler sagt: «Das Steuervolumen hat sich derart vergrössert, dass eine solche Anpassung zeitgemäss ist.» Auch die Dauer des Amtszwangs soll von acht auf vier Jahre reduziert werden. Noch beraten werde etwa, ob künftig ein Amtsantritt verzögert angetreten werden können, damit Zeit bleibt, um Vorkehrungen im Beruf treffen zu können. Auch die Aufzählung der Staatsaufgaben werde immer wieder thematisiert, so Dähler.
Die Revision soll die Verfassung zudem verschlanken. Dähler sagt, dass manche Aspekte nicht mehr in der neuen Kantonsverfassung vorkommen werden. Stattdessen sollen eigene Gesetze für den Grossen Rat, die Staatsorgane oder die Bürgerrechte geschaffen werden. Damit aber die Innerrhoderinnen und Innerrhoder durch diese Verschlankung nicht verunsichert würden, werde die Standeskommission diese Gesetze zeitgleich mit dem Verfassungsentwurf vorlegen, so Dähler.
Gemäss Zeitplan wird die Vorlage im Frühjahr oder Frühsommer 2023 an den Grossen Rat überwiesen. Roland Dähler sagt, er rechnet mit drei Lesungen im Grossen Rat. Ende April 2024 sollte die Landsgemeinde über das Geschäft befinden können. Danach wird das Bundesparlament entscheiden, ob die Kantonsverfassung mit der Bundesverfassung vereinbar ist.