TOGGENBURGER TRACHTENSTREIT: Scharlachrotes Unrecht durch einen Untätowierten

Eine einheimische Tracht, gemixt mit einer Russenmütze und einem Bastrock aus der Südsee, sorgt im Toggenburg derzeit für Ärger. "Die eigene Tracht ist immer die schönste", schreibt Serge Hediger, Redaktionsleiter des "Toggenburger Tagblatts", in seinem Kommentar. Und fragt sich, wie die Fotomontage in der Südsee wohl ankommt.

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Geht es um Trachten, verstehen besonders traditionsbewusste Menschen teilweise wenig Spass. (Bild: Keystone (Symbolbild))

Geht es um Trachten, verstehen besonders traditionsbewusste Menschen teilweise wenig Spass. (Bild: Keystone (Symbolbild))

Für sein Klangfestival "Naturstimmen on tour" wirbt Klangwelt Toggenburg mit einer Fotomontage. Ein Toggenburger im traditionellen Brusttuch trägt eine Russenmütze. Unter seinem Bastrock aus der Südsee blitzen die nackten Beine hervor. Trachten- und Jodelfreunde talauf talab sind empört. Sie empfinden die Toggenburger Tracht durch das Inserat als verhunzt und verschandelt. Tatsächlich?

Diese Meinung fusst auf drei gedanklichen Irrtümern: Tracht ist nicht uralt, nicht urbäuerlich und nicht unveränderlich. Die Tracht, wie wir sie heute kennen, entwickelte sich erst im 17. und 18. Jahrhundert aus der Mode der höheren Stände, des städtischen Bürgertums und des ländlichen Patriziats heraus. Es ist die Kleidung des Adels (darum die Kniebundhose), die schliesslich in veralteter Form von den Bauern übernommen wurde. Alte beschlagene Hosenträger zeigen den Sennen statt mit Fladenhut noch mit Dreispitz, der einst bevorzugten Hutmode des Adels. Hosenladenketten können nicht älter sein als die Taschenuhren, die sie halten. Und der zum Uhrschlüssel geschmiedete Fünfliber mit dem Alphirten im Sennenchutteli? Der wurde ab 1922 in Umlauf gebracht.

Natürlich: Die eigene Tracht ist die schönste. Immer. Für jeden. Daran lässt sich nicht rütteln. Drum stellen wir uns doch kurz vor, wie ein Bewohner einer der Inseln der Republik Fidschi sich beim Betrachten des Inserats die Frage stellt, ob seiner Tracht hier nicht schlarlachrotes Unrecht angetan worden sei. Notabene durch einen, dessen Arme nicht mal tätowiert sind.

Serge Hediger
serge.hediger@toggenburgmedien.ch