Von Kuschelpädagogik hält der Lehrer im «Tintelompe» auf der Waldegg nicht viel. Er macht klare Ansagen im Zeitgeist der 1950er-Jahre und wird genau dafür von den «Schülerinnen» und «Schülern» geliebt.
Wer schon einmal mit einer Gruppe im historischen Schulzimmer auf der «Waldegg» in Teufen war, kennt das Gefühl: Kaum sitzt man im engen Schulbank und muss mit Feder und Tinte seinen neuen Namen ins Heft kritzeln, geht man auf Zeitreise. Uralte, längst überwunden geglaubte Charaktereigenschaften treten zutage. Und auch die sonst so netten Kolleginnen und Kollegen entpuppen sich als Streberin, Rätschbäsi oder Klassenclown.
Max Bünzli alias Martin Spirig ist eine der drei Lehrpersonen im «Tintelompe». Er stehe seit 35 Jahren auf der Bühne, sagt der 60-Jährige. «20 Jahre lang bin ich mit Zaubershows aufgetreten, Dann wurde ich von Waldegg-Besitzer Chläus Dörig angefragt, ob das Klassenzimmer nicht etwas für mich wäre.» Das Konzept kommt beim Publikum an: 70’000 Gäste haben seit Bestehen das Angebot besucht, manche kommen mehrfach und von weit her. Unterdessen hat der gelernte Postangestellte sein Hobby zum Beruf gemacht. «Ich bin ziemlich sicher der bestgebuchte Comedian in der Schweiz.»
Ob Nonne oder Firmenchef, der gestrenge Max Bünzli behandelt alle gleich. Ausser natürlich sein Lieblingskind. «Eines – in der Regel ein Mädchen – ist mein Liebling. Sie darf alles ungestraft machen und bekommt ein extra grosses Dessert», so der Lehrer. Das wiederum sorgt beim Rest der Klasse für Unmut. «Sie provozieren und spielen mir Streiche. Doch der Bünzli hat auf alles eine Antwort. Sie kommen alle unter die Räder», sagt er und verzieht dabei keine Miene.
Vor einigen Monaten sei auch der damalige Bundesrat Ueli Maurer unter den Schülern gewesen, erinnert sich Martin Spirig. «Weil er sich beim Schreiben keine Mühe gegeben hat, habe ich sein Heft zerrissen und er musste die vierte Klasse wiederholen.» Spirig nimmt die Rolle ernst. Seine Kleidung aus Wollstoff im 1950erJahre-Look mit Schiebermütze wurde von einer Kostümbildnerin aus München massgeschneidert. «Wir machen Unterricht wie eine normale Schulklasse in jener Zeit», sagt er. «In der Pause wird Gummitwist gespielt. Auch ein Schulreisli gehört dazu. Da geht es jeweils in den Stall zu den Ochsen und Ziegen.»
Max Bünzli ist beliebt bei seinen «Schülerinnen» und «Schülern». Er zeigt auf die Wand beim Eingang zur Schulstube. Sorgfältig in Schnürlischrift verfasste Dankesbriefe hängen da. Er sagt: «Die Schulstunden sind sehr nachhaltig. Die Besucher erinnern sich noch nach Jahren an ihren Namen, den sie von mir bekommen haben.» Eine bis zwei Reklamationen erhalte er zwar auch pro Jahr, sagt Martin Spirig. «Vor allem Lehrer sind eine schwierige Kundschaft. Sie haben selten Humor und können kaum über sich selber lachen.» Einmal habe sich gar ein Schulleiter nach dem Programm erkundigt, damit sie sich darauf vorbereiten könnten, erinnert er sich stirnrunzelnd. «Aber es sind natürlich nicht alle Lehrer so und der Beruf ist heutzutage ja wirklich nicht einfach.»
Ein Ende des Erfolgs im Klassenzimmer ist nicht abzusehen. Nebst den Engagements auf der Waldegg organisiert Martin Spirig zusätzlich Comedy-Dinners in der ganzen Deutschschweiz. Dabei wird er von einem Musiker begleitet, der mehrere Instrumente spielt. «Wir brauchen keine Bühne und mischen uns unter die Leute, das kommt gut an», sagt Spirig. «Der Wirt muss nur für Speis und Trank sorgen, den Rest übernehmen wir.»
Das Thema «Schule früher, heute und in Zukunft» interessiere Jung und Alt. Nach der Show, beim Dessert, steht Max Bünzli für Gespräche zur Verfügung. «Vielen Leuten ist unwohl, mit dem heutigen Schulsystem», sagt der Vater von vier Kindern. «Die Eltern mischen sich überall ein. Schüler müssen nichts mehr aushalten, finden für alles eine Ausrede und haben keine Ausdauer mehr.» Er sehe bei seinen fünf Enkelkindern, wie es in der heutigen Schule abläuft.
Seit 14 Jahren wohnt der in St.Gallen Aufgewachsene in einem ehemaligen Bauernhaus in Stein. Denn: «Wenn man so viel mit Menschen zu tun hat, tut es gut, in ruhiger Umgebung abzuschalten.»