Stieftochter wie ein «Verdingkind» gehalten

APPENZELL. Jahrelang hat ein Landwirt im Kanton Appenzell Innerrhoden seine Stieftochter traktiert. Jetzt muss er der Stieftochter Schadenersatz und Genugtuung zahlen.

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Bundesgericht in Lausanne (Bild: Keystone)

Bundesgericht in Lausanne (Bild: Keystone)

Zwölf Jahre alt war das Mädchen, als es im Januar 2002 auf den Landwirtschaftsbetrieb zu seinem Stiefvater im Kanton Appenzell Innerrhoden kam und wie ein Verdingkind behandelt wurde. Während mehr als drei Jahren musste das Mädchen, das an einer Wahrnehmungsstörung litt und deshalb sehr langsam und sehr sensibel war, übermässig in Haus und Hof arbeiten. Nach den Feststellung des Kantonsgericht Appenzell Innerrhoden musste sich das schulpflichtige Mädchen nicht nur um die drei jüngeren Brüder kümmern, diese wecken, wickeln und anziehen, sondern ihnen auch das Frühstuck und manchmal bei Abwesenheit der Mutter auch das Mittag- und Abendessen kochen. Damit nicht genug. Das Geschirrabwaschen und das Besorgen der Wäsche gehörten ebenso zur Pflicht wie im Stall helfen, heuen und Obst ernten. Dass darunter die Schulaufgaben litten, liegt auf der Hand. Arbeitete das Mädchen nicht, wie es der Rabenstiefvater wollte, wurde es mit Schimpftiraden überhäuft oder gar mit Gegenständen beworfen.

Busse, Schadenersatz und Schmerzensgeld
Das zuständige Bezirksgericht sprach den Stiefvater im Juni 2007 wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflichten schuldig. Es verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 7500 Franken sowie zu einer Busse von 500 Franken. Darüber hinaus muss er dem Mädchen Schadenersatz in unbekannter Höhe sowie - als Schmerzensgeld - eine Genugtuung von 4000 Franken bezahlen. Nach dem Kantonsgericht Appenzell Innerrhoden hat nun auch das Bundesgericht diese Verurteilung geschützt.

Posttraumatische Belastungsstörung
Wer wie hier ein 12 jähriges Mädchen, für das er zu sorgen hat, jahrelang unter physischer und verbaler Demütigung sowie auf Kosten der schulischen Integration als Arbeitskraft missbraucht und dadurch das Opfer in seiner körperlichen und seelischen Entwicklung gefährdet, verstösst laut Bundesgericht klarerweise gegen seine Fürsorge- und Erziehungspflichten. Im konkreten Fall trifft dies umso mehr zu, als die Stieftochter wegen einer Wahrnehmungsstörung überdurchschnittlich langsam war und sehr sensibel reagierte. Weil das Mädchen heute an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, ist der rabiate Landwirt zu Recht auch zur Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld verurteilt worden, meint das Bundesgericht. Der Landwirt muss die Gerichtskosten von 4000 Franken bezahlen. (tzi)