Das See-Burgtheater Kreuzlingen hebt Ödön von Horváths Krisendrama «Kasimir und Karoline» in die Gegenwart. Denn Sprache und Thema seien zeitlos, sagt Regisseurin Astrid Keller.
Dieter Langhart
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«Irgendwo muss ein Lappen sein», sagt Leopold Huber zu Astrid Keller, der Produzent zur Regisseurin. Er trägt Stühle herbei, wischt sie ab, stellt sie an den langen Tisch. Zwischen Probe und Probenbesprechung und nächster Probe ist die Presse eingeladen, sich ein Bild zu machen vom neuen Freilichtstück: Blick auf die Bühne und Blick auf den See. Genau hier, auf der Seebühne im Kreuzlinger Seeburgpark, wird Kasimir und Karoline die Liebe abhandenkommen, zu Jahrmarktlicht und hitziger Musik.
Denn es ist eine bittere Zeit. 1932. Kasimir verliert seine Arbeit, und seine Freundin Karoline will mehr vom Leben: Geld, Aufmerksamkeit, ihr Stück vom Glück. Zum Stück «Kasimir und Karoline» sagt Leopold Huber: «Es ist alles sehr schön. Und alles sehr wahr. Und was schön ist, ist wahr.» Seine Frau Astrid Keller hat die Karoline vor Jahren gespielt, jetzt führt sie Regie in Ödön von Horváths Stück. «Ich liebe die Sprache und was darunter liegt. Das Thema und Horváths literarische Qualität sind zeitlos.» Dem naturgemäss nicht sehr aufbauenden Motiv will sie die Komik entgegensetzen und «genügend Remmidemmi».
Maria Lisa Huber, die Tochter von Astrid Keller und Leopold Huber, spielt die Karoline. Sie kommt frisch vom Max-Reinhardt-Seminar in Wien und freut sich auf ihre erste grössere Rolle. «Endlich nicht mehr nur Stückentwicklungen.» Kaspar Locher mimt den Kasimir bereits zum dritten Mal. «Ich versuche, die bisherigen Inszenierungen zu vergessen.» Die zwei gehen aufs Oktoberfest, wollen die bittere Zeit vergessen und sich vergnügen. Karoline aber wird mit Schürzinger flirten, also mit Florian Steiner, der schon mehrmals am See-Burgtheater zu sehen war. Auch er mag Horváths «extrem dichte Sprache».
Kasimir betrinkt sich mit dem Kleinkriminellen Merkl Franz. Lennart Lemster zu seiner Rolle: «Mich interessiert, warum er krumme Dinge dreht, warum er sich aus der Gesellschaft ausklinkt, was darunter liegt, was nicht gesagt wird.» Und jetzt übers Kreuz: Kasimir bandelt mit Franz’ Freundin Erna an. Darstellerin Tatjana Sebben will, «dass das Publikum realisiert, was zu ändern wäre. Ich will die Hoffnung zeigen.»
Zwei reiche Säcke werfen ein Auge auf Karoline: Kommerzienrat Rauch und Landrichter Speer. Bastian Stoltzenburg als Rauch: «Ich muss das ganze Stück durch Wasser trinken statt Bier und Schnaps – und fühle mich dennoch betrunken.» Und Werner Biermeier sagt über Rauch: «Er ist ein Arschloch, aber eigentlich eine arme Sau – eine vielschichtige Figur.»
Nicht zu vergessen die zwei indirekten Hauptrollen: Bühne und Kostüme von Beate Fassnacht und Goran Kovacevic’ Musik, er nennt sie den «Bauch des Stückes». Er und das Baro Drom Orkestar aus Florenz spielen derbe Bierzelt-Knaller ebenso wie Arrangements klassischer Musik, «eine Gratwanderung», wie er einräumt. Ob er damit auch den SL 500 und das Shire Horse in weiteren Rollen meint?
Premiere: Do, 13.7., 20.30 Uhr, Seeburgpark, Kreuzlingen Vorstellungen bis 10.8. Infos und Kartenreservation: see-burgtheater.ch