Wer für wenig Geld übernachten will, bucht über die Internetplattform Airbnb. Wie zwei Beispiele aus dem Appenzellerland zeigen, muss so ein Zimmer nicht spartanisch eingerichtet sein.
Karin Erni
karin.erni@appenzellerzeitung.ch
Die Buchungsplattform Airbnb macht in letzter Zeit vor allem mit Negativschlagzeilen auf sich aufmerksam. Immer wieder hört man, dass Betrüger das System für obskure Geschäfte missbrauchen. Letzte Woche berichteten verschiedene Medien, dass ein Gastgeber in Amsterdam gegenüber einer Frau handgreiflich geworden war und sie die Treppe hinuntergeschubst habe. Doch die Grösse des Unternehmens relativiert die Zahl der Zwischenfälle. Airbnb vermittelt gemäss eigenen Angaben Unterkünfte an 160000000 Gäste in 65000 Städten und in 191 Ländern.
Wer den Internetauftritt von Airbnb besucht, wird denn auch empfangen von originellen Unterkünften in aller Welt: Da gibt es ein «Trullo», ein Bauernhaus mit Zipfeldach in Apulien, ein Muschelhaus in Mexiko, eine Bambus-Öko-Hütte in den Reisfeldern von Bali oder ein Baumhaus im Brasilianischen Dschungel. Von der ursprünglichen Idee des Übernachtens beim Gastgeber auf einer Luftmatratze sind diese Luxus-Angebote meilenweit entfernt.
Im Appenzellerland ist diese Form der Zimmervermietung noch vergleichsweise wenig verbreitet, doch das Angebot wächst. Auf der Suche nach Übernachtungsgelegenheiten sind derzeit in In- und Ausserrhoden 26 Angebote gelistet. Das günstigste ist «Zimmer Nr. 2 mit Blick auf Heiden» für 29 Franken pro Nacht, das Teuerste ein «Cosy Apartment» in der Lustmühle für 165 Franken. Allerdings können hier bis zu sechs Personen übernachten.
Die Anzeige «991 die Adresse in Teufen» weckt die Aufmerksamkeit der Journalistin. Vermieter ist ein gewisser «Felix». Auf Nachfrage lädt er zu einer Besichtigung ein. Die Liegenschaft Löchli 991 befindet sich unterhalb des bekannten Ausflugsrestaurants Waldegg und verfügt über die nahezu identische Aussicht auf den Alpstein. Die Liegenschaft gehört Felix Schellenberg. Der Architekt hat das Haus, dessen Scheune einst abgebrannt war, von Grund auf neu erstellt. In den oberen Stockwerken wohnt und arbeitet er. Unten logieren die Airbnb-Gäste in zwei Zimmern mit eigener Dusche und einer gemeinsamen Küche. Die Zimmer sind unterschiedlich eingerichtet. Während das eine in elegantem Art-Déco-Stil aus den 1920er-Jahren ausstaffiert ist, verfügt das andere über moderne Holzmöbel. Stolz zeigt Schellenberg die Badezimmer, die er komplett mit gebrauchten Bauteilen ausgestattet hat. Das entspreche seiner Philosophie, so der 60-Jährige. «Man sollte nicht immer alles wegwerfen, was noch gut ist.» Er sei viel auf Reisen und nutze jeweils auch Airbnb-Angebote. Frühstück bietet er nicht mehr an, seit seine Partnerin nicht mehr hier wohnt. «Ich bin ein Spätaufsteher.» Für die Gäste sollte dies kein Problem sein, sie können sich in der gut ausgestatteten Küche selber verpflegen. Viele seiner Gäste seien Patienten der Paracelsus-Klinik. Diese müssten ohnehin eine spezielle Diät einhalten und könnten nicht in normalen Restaurants essen. «Eine Frau bringt jeweils einen eigenen Mixer für die Zubereitung ihrer Mahlzeiten mit sich.» Mit der Belegung seiner Zimmer ist Schellenberg nur mässig zufrieden. «Es könnte mehr laufen.» Wenn in Teufen jeweils Lindy-Hop-Anlässe stattgefunden hätten, sei er ausgebucht gewesen.
Die Zimmer im «Löchli» hätten der Schreibenden gut gefallen. Doch weil sie von zu Hause aus ebenfalls auf den Säntis sieht, fällt die Wahl des Übernachtungslokals auf das «schöne Dachzimmer in altem, einfachem, hellhörigem Appenzellerhaus mit wohltuendem Ausblick über den Bodensee». Anbieterin dieser Unterkunft ist Monika Graf. Für die alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen bedeutet die Zimmervermietung ein Zusatzeinkommen zu ihrer freischaffenden Tätigkeit als Masseurin. «Ich habe nach dem Auszug meines Exmannes gemerkt, dass ich mich in der kleinen Kammer im Erdgeschoss fast wohler fühle als im grossen Dachstock.» Eine Freundin habe ihr von der Plattform Airbnb erzählt und sie habe sich mehr aus Neugierde angemeldet. «Ich war den Sommer über praktisch ausgebucht.» Das war vor vier Jahren und daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Winter sei es jeweils ruhiger, da geniesse sie wieder etwas mehr Privatsphäre, sagt Monika Graf.
Das Bauernhaus im Wolfhäldler Ortsteil Zelg betreten die Gäste, wie früher üblich, über die Küche. Am Tisch in der Stube wird gegessen, geplaudert und gespielt. In der Nebenstube befindet sich das Bad. Zu den Schlafzimmern geht es über knarrende Holztreppen. Das, und das Fehlen eines eigenen Badezimmers für die Gäste, sei der Grund, dass sie den Zimmerpreis eher tief halte, sagt Monika Graf. Einen Fernseher gibt es hier ebenfalls nicht. Auf moderne Kommunikation muss man aber nicht verzichten. Auf dem Tisch liegt der WLAN-Schlüssel bereit, denn der Handyempfang ist im Vorderland bekanntlich nicht der beste. Die Sonne versinkt an diesem Abend kitschig-schön im Bodensee. Es ist ruhig, von weit unten im Tal hört man leise den Verkehr der Autobahn rauschen. Mit der Dunkelheit kommt die Müdigkeit. Und kaum ins Kissen gekuschelt, ist die Schreibende auch schon eingeschlafen. Das Stellen des Weckers auf 6 Uhr hätte sie sich sparen können, denn pünktlich um 5 Uhr kräht der Güggel. Fast zeitgleich erhebt sich hinter dem Pfänder die Sonne. Das Rheindelta liegt noch in seinem Schatten, der Bodensee ist glatt wie ein Spiegel. Auf der nahen Wiese spaziert ein Lama daher. Wenn nicht die Arbeit im Büro rufen würde, man wähnte sich hier oben in den Ferien.