In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg traten rund 2200 junge Schweizer Männer trotz Verbot in die Fremdenlegion ein. Auch ein knappes Dutzend Toggenburger Männer liessen sich einziehen.
Fabian Brändle
Die Kolonialmacht Frankreich hatte Bedarf, denn im Indochina- sowie im Algerienkrieg wehrten sich nationale Freiheitsbewegungen gegen die «Fremdherrschaft». Die Fremdenlegionäre verübten nicht selten auf Geheiss ihrer Offiziere Kriegsverbrechen. Folter von Gefangenen, Verstümmelungen oder Massaker an Zivilpersonen gehörten auf beiden Seiten zum Repertoire an schon damals international geächteten Gewaltmitteln.
Dass in den Reihen der Fremdenlegion auch mindestens elf junge Toggenburger kämpften, kann man in der ausgezeichneten Studie des Basler Historikers Peter Huber nachlesen, der 424 repräsentative Fälle untersucht hat. Da die Archivgesetze die Anonymisierung der Beteiligten verlangen, werden keine Namen oder Herkunftsorte genannt.
Die Schweizer Militärjustiz hatte systematisch Akten anlegen lassen. Wenn sie der zurückgekehrten Legionäre habhaft wurde, wurden diese zu mehrmonatigen Gefängnisstrafen verurteilt. Diese Akten enthalten auch selbst geschriebene Lebensläufe, die Auskunft geben über Herkunft, soziale Umstände und Motive, in die Fremdenlegion einzutreten. Die allermeisten Schweizer Fremdenlegionäre waren blutjung, manche sogar noch minderjährig. Diese gaben dann im Rekrutierungsbüro am Hafen Marseilles neben falschen Namen auch falsche Geburtsjahre an. Dann verliefen Interventionen des Schweizer Konsuls im Sande.
Dass die Legion Schwerverbrecher anzog, stimmt so nicht und ist wohl eine Propagandalüge ihrer Gegner. Zwar hatten die meisten Schweizer Fremdenlegionäre schon einmal unliebsamen Kontakt mit Polizei und Justiz gehabt. Doch meistens waren kleine Delikte wie ein Diebstahl oder eine Unterschlagung dafür verantwortlich.
Viele junge Männer wollten auch an den neuen Konsumverheissungen nach dem Krieg partizipieren, sich ein Töffli kaufen oder eben stehlen. Die meisten waren Ledige, die eine Lehre abgebrochen hatten, nun arbeitslos waren oder als Gelegenheitsarbeiter oder als Tagelöhner niedrige Arbeiten zu verrichten hatten und dafür entsprechend tiefe Löhne bezogen. Die meisten «Freiwilligen» stammten aus der Unterschicht, viele aus zerrütteten Verhältnissen. Manche hatten eine Vergangenheit als Verdingbuben oder als Heimkinder zu beklagen. Projekte, auszuwandern, waren oft an mangelnden finanziellen Möglichkeiten gescheitert.
Die Legion versprach denn auch einen Neuanfang für ein bisher als verpfuscht empfundenes Leben. Die Karten würden neu gemischt, hiess es, das Vorleben spiele keine Rolle. Der Sold war zwar tief, reichte aber für reichlich Alkohol sowie für den Besuch von Bordellen oder eine einheimische Freundin auf Zeit, die für den Mann kochte, die Wäsche besorgte und auch sexuelle Dienste anbot. Der Drill war namentlich in der Ausbildungszeit in Algerien hart und von Schikanen begleitet. Manche Offiziere waren veritable Sadisten. Wer sich als widerspenstig erwies oder Befehle verweigerte, dem drohten empfindliche Strafen. Hitze, Kälte und natürlich die unmittelbaren Kampfhandlungen drückten auf die Moral. Ein Aufstieg in die Offizierkaste war nicht möglich, denn die Offiziere waren nur Franzosen. Kein Wunder also, das mancher Legionär seinen Entschluss bereute und desertierte. Manche sprangen im Suezkanal vom Schiff, andere wählten den Landweg über Marokko, wo ihnen dann der Schweizer Konsul weiterhalf. Die algerischen Freiheitskämpfer hatten eigene Fluchthelfer, die beim Weg durch die Wüste behilflich waren. Wer aber erwischt wurde, hatte mit jahrelangem scharfem Arrest in der Wüste zu rechnen.
Durchaus typisch ist also die Biografie eines Toggenburger Fremdenlegionärs, den der Historiker Peter Huber «Ewald Beerli» nennt. «Beerli» war der Sohn eines Besitzers eines Coiffeursalons, erlebte aber in Kindheit und Jugend nur wenig Geborgenheit, sondern Zwietracht und Instabilität. Er stammte aus erster Ehe und hatte mit zwei Stiefmüttern zurechtzukommen, die ihn nicht akzeptierten und den Vater gegen ihn aufhetzten. Schläge gehörten zum Alltag. Nach acht Jahren Primarschule floh «Beerli» auf einen Bauernhof. Er arbeitete anschliessend als Casserolier in Zürich und Lausanne sowie als Gussputzer bei Escher-Wyss, wo er wegen des Staubes gesundheitliche Probleme bekam. Als Arbeitsloser wurde er auch zum Obdachlosen, teilte also das harte Los des Zürcher Subproletariats. Eine Liebschaft mit einer jungen Frau verlief enttäuschend. Nach fünf Jahren kehrte «Beerli» aus Indochina zurück und versuchte vergeblich, im väterlichen Geschäft unterzukommen. Das traf nicht für alle Fremdenlegionäre zu: Manche erhielten eine Rente vom Staat Frankreich und hatten gespart. Andere heirateten und fassten im Berufsleben Fuss. Dies zeigt bei aller Gleichförmigkeit der Lebensläufe auch individuelle Unterschiede und Handlungsoptionen auf.