Sanierung
Ehemaliges Fabrikantenhaus: In Schwellbrunn kann bald im Baudenkmal logiert werden

Die Renovationsarbeiten an der verlotterten Villa beim Dorfeingang laufen auf Hochtouren. Sie sollen Ende Jahr grösstenteils abgeschlossen sein. Dann steht das vierstöckige Gebäude für verschiedene Nutzungen bereit.

Karin Erni
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Das Fabrikantenhaus, hier auf einer alten Postkartenansicht, soll bald wieder erstrahlen und der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.

Das Fabrikantenhaus, hier auf einer alten Postkartenansicht, soll bald wieder erstrahlen und der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.

Bild: PD

Das ehemalige Fabrikantenhaus steht etwas erhöht beim Dorfeingang von Schwellbrunn an der Gerenstrasse. Das stattliche viergeschossige Gebäude aus dem 18. Jahrhundert lag ein Vierteljahrhundert lang in einem Dornröschenschlaf. Die letzten Eigentümer hätten das unter Schutz stehende Objekt nur noch als Ferienwohnung und Gerümpelkammer benutzt, sagt Walter Zellweger. Als ein Erbe aus Zürich die Liegenschaft veräussern wollte, hatte der Schwellbrunner Meisterflorist die Idee, es zu kaufen und nach der Sanierung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Er gründete dafür mit einigen Gleichgesinnten im Jahr 2020 eine Stiftung, die das Haus kaufen konnte.

Ferienwohnungen mit Charme

Die neue Nutzung sieht vor, dass das Erdgeschoss und der Garten der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Die Räume im ersten Stock können für Anlässe gemietet werden. Darüber liegt eine grosse Wohnung auf zwei Stockwerken, die wochenweise durch Gruppen von acht bis zehn Personen gemietet werden kann. Die Vermietung erfolgt über die Stiftung Ferien im Baudenkmal. Sie gehört zum Schweizer Heimatschutz und macht rund 50 sorgfältig restaurierte Objekte der Allgemeinheit zugänglich.

In diesen Räumlichkeiten können nach der Renovation Anlässe durchgeführt werden.

In diesen Räumlichkeiten können nach der Renovation Anlässe durchgeführt werden.

Bild: Karin Erni

«Das Fabrikantenhaus in Schwellbrunn ist ein unbeschreiblich schöner Ort», sagt Projektleiterin Claudia Thommen, welche die Sanierung begleitet. «Uns ist wichtig, dass alle gemachten Eingriffe ablesbar sind. Das heisst, man erkennt, welche Teile neu sind und warum das gemacht wurde.» Es wird nur so viel wie nötig restauriert. Priorität habe, den Charakter des Objekts zu bewahren, so Thommen. «Gäste, die in einem Baudenkmal nächtigen, erwarten keine absolute Perfektion.» Dass das Gebäude so lange vernachlässigt worden war, sei in diesem Fall ein Vorteil, ergänzt Walter Zellweger. «Dadurch ist viel Originalsubstanz erhalten geblieben und es gab keine Renovationssünden, die man wieder hätte herausreissen müssen.»

Bausubstanz mit Überraschungen

Stiftungspräsident Walter Zellweger begleitet die Bauarbeiten.

Stiftungspräsident Walter Zellweger begleitet die Bauarbeiten.

Bild: Karin Erni

Bei der Hausräumung 2021 wurden 20 Tonnen Material entsorgt. Nach der Bestandesaufnahme und Projektierung dauerte es acht Monate, bis die Baubewilligung erteilt wurde. Im Februar dieses Jahres konnten die Bauarbeiten starten. Dabei kamen zahlreiche Überraschungen zutage. «Das Haus wurde mit bescheidenen Konstruktionen gebaut und in den über 200 Jahren mehrfach umgestaltet. Wir haben unterschiedliche Bauweisen vorgefunden. Die Wände des Hauptbaus sind Strick, beim Anbau Ständer und beim Treppenhaus ausgemauerter Ständer», sagt Architekt Peter Hubacher von Keller Hubacher Architekten in Herisau. «Die Statik war ungenügend, weil tragende Wände versetzt standen und tragende Balken daher sogar gebrochen waren. Schäden wurden meistens unfachmännisch repariert. Ein morscher Türpfosten in Holz wurde mit einem Ziegelstein geflickt.»

Das Haus steht direkt auf Fels und lehmigem Boden. Daher begannen die Schwellen und Holzdielen im EG zu faulen. Für die Sanierung mussten alle Böden demontiert, hinterlüftet und wieder eingebaut werden. Um Schäden durch eindringende Feuchtigkeit in den Wänden zu vermeiden, werden die hangseitigen Wände entfeuchtet. Dafür wurde das System Anderegg gewählt, das mittels Elektroosmose aufsteigende Feuchtigkeit im Mauerwerk im Zaum hält.

Im Haus fanden sich zahlreiche unsachgemäss durchgeführte Flickarbeiten.

Im Haus fanden sich zahlreiche unsachgemäss durchgeführte Flickarbeiten.

Bild: Karin Erni

In den unteren Geschossen musste zuerst die Statik durch zusätzliche Träger und Stützen verbessert werden, damit die darüberliegenden Räume öffentlich genutzt werden können. Teilweise geschah dies durch sichtbare Stützbalken. Die Böden wurden mit zusätzlichen Schichten für den Brandschutz ertüchtigt. «Die Vorgabe ist, dass sie einem Feuer 30 Minuten standhalten», so der Architekt.

Das Appenzeller-Zeitung-Zimmer

Im ersten Stock erinnern nur noch einige Wandkacheln an den grossen Ofen, der hier einmal stand. «Er war zu schwer und mit der vorgesehenen Nutzung nicht vereinbar», erklärt Hubacher. In den vier untereinander verbundenen Räumen sollen Anlässe bis zu bis 50 Personen stattfinden können. Eine Überraschung fanden die Bauleute im zweiten Stock: Unter dem Täfer kamen alte Ausgaben der «Appenzeller Zeitung» zum Vorschein. Diese waren einst als Windpapier aufgeklebt worden. «Leider sind Papier und die Farben nicht UV-beständig. Darum wurden die Zeitungen abfotografiert und auf Holztafeln gedruckt», erklärt Hubacher. «Diese werden später als schützende Wandverkleidungen dienen.»

Die Räume wurden früher mit Zeitungen als Windschutz abgedichtet.

Die Räume wurden früher mit Zeitungen als Windschutz abgedichtet.

Bild: Karin Erni

Auch die Aussenarbeiten seien schwierig gewesen, sagt Hubacher. «Das Grundstück ist auf drei Seiten nicht viel grösser als das Haus. So mussten die Bauarbeiten für den Kanalisationsanschluss, Retention und den Pellettank auf allerengstem Raum stattfinden. Um eine 3.2 Meter breite Durchfahrt für Gemeindefahrzeuge sicherzustellen, wird das Gebäude bei der Gerenstrasse bis auf eine Höhe 4.5 Metern eingeschnitten. Auch in die Sicherheit wird investiert: Es muss ein Fluchtweg von der Terrasse über eine Aussentreppe bis ins Pärkli geschaffen werden.

Beheizt wird die Liegenschaft mit einer Pellet-Zentralheizung. Für den Tank musste ein vier Meter tiefes Loch in den Felsen gehauen werden. Das Haus bleibt teilweise ungedämmt, um den ursprünglichen Charakter nicht zu zerstören. «Das ist kein Problem, die massiven Strickwände sorgen für angenehmes Wohnklima und die alten Doppelfenster isolieren gar nicht so schlecht», sagt Claudia Thommen.

Ein Teil der alten Küche bleibt erhalten.

Ein Teil der alten Küche bleibt erhalten.

Bild: Karin Erni