Rücksicht beim Schneeschuhlaufen

Das Waldreservat Kreisalpen ist ein bedeutendes Naturschutzgebiet. Gleichzeitig führen offizielle Winterwanderwege durch dieses Gebiet. Wie Erholungsnutzung dennoch stattfinden kann, regeln der Waldentwicklungsplan sowie das kantonale Waldreservatskonzept.

Olivia Hug
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An den Ausgangspunkten der Winterwanderwege im Waldreservat Kreisalpen weisen Infotafeln auf das richtige Verhalten hin. (Bild: Olivia Hug)

An den Ausgangspunkten der Winterwanderwege im Waldreservat Kreisalpen weisen Infotafeln auf das richtige Verhalten hin. (Bild: Olivia Hug)

NESSLAU. Es gibt immer mehr begeisterte Schneeschuhläufer, auch im Toggenburg. Das weiss der Ennetbühler Reinhard Kobelt, Präsident der St. Galler Wanderwege, deren Ziel die Förderung des Wanderns ist. «Ausgeschilderte, offizielle Schneeschuhtrails gibt es vor allem im obersten Toggenburg, wo es auch präparierte, trittfeste Winterwanderwege gibt», sagt er. In den tieferen Lagen der Region bahnen sich vor allem Schneeschuhläufer vielfach ihre eigenen Wege durch die verschneite, romantische Winterlandschaft. Die St. Galler Wanderwege schlagen zwar einige, betreffend Lawinen oder Rutschungen ungefährliche Routen beispielsweise unterhalb der Schwägalp vor – doch bevorzugen manche das Spazieren querfeldein.

Dieses Querfeldeingehen wird dann zum Problem, wenn die Wanderfreudigen – vielfach unwissend – durch ein Naturschutzgebiet gehen. Hier läuft der unwissende Wintersportler Gefahr, die Tierwelt in ihrer Winterruhe zu stören. Und dies hat Folgeschäden: Sowohl für die Fauna als auch für die Flora. Schreckt man beispielsweise ein Reh auf, verbraucht es viel mehr Energie als sonst. Diesen Energieverlust deckt es, indem es frisst. Entweder findet es im Winter keine Nahrung und stirbt – oder es frisst Rinde, was wiederum zum Verbiss der Bäume führt.

Seltene Tierarten erhalten

Nun führt ein beliebtes Wegnetz für Wanderfreudige Sommer wie Winter genau durch das Naturschutzgebiet des Waldreservats Kreisalpen. Die sich auf einer Fläche von 470 Hektaren über das Gebiet zwischen Passhöhe, Chräzerenpass und Schiltmoos in der Gemeinde Nesslau erstreckende Waldfläche wurde vom Kanton St. Gallen als «sehr bedeutendes Reservat» ausgeschieden und stellt einen wichtigen Lebensraum für das Auerhuhn sowie weitere seltene und gefährdete Vogelarten dar (siehe Kasten). «Für das Auerhuhn gilt dasselbe wie fürs Reh. Auerhähne fühlen sich im Winter besonders gut getarnt, da sie sich zuschneien lassen. Werden sie nun beispielsweise durch einen Schneeschuhläufer aufgeschreckt, fliehen sie panikartig und verbrauchen Energie», erläutert Ernst Aerne, Förster im Revier Stockberg, in welchem sich das der Kreisalpenkorporation Krummenau-Nesslau gehörende Waldreservat befindet.

Um die Bewirtschaftung des Waldreservats zugunsten des Auerhuhns und die Sicherstellung des Lebensraums für die gefährdeten Vogelarten kümmert sich der Forstdienst. 2004 wurde diesbezüglich ein Vertrag mit 50jähriger Gültigkeit abgeschlossen. Ernst Aerne kann bekräftigen, dass die Massnahmen mittlerweile Früchte tragen: «Wir haben mittels Monitoring und dank der Aufzeichnungen der Jäger festgestellt, dass die Tiere in den Gebieten, in welchen wir Massnahmen getroffen haben, vorkommen. Auch eine alle paar Jahre stattfindende Kotanalyse zeigt uns, dass sich der Bestand der Vögel vergrössert.»

Störfaktoren vermeiden

Wie kann nun also ein Wanderweg und damit verbundenes Störpotenzial direkt durch ein so wertvolles Waldreservat führen? Die vielfältige Erholungsnutzung innerhalb des Reservats ist im Waldentwicklungsplan (WEP) Stockberg sowie in dessen Basis, dem Waldreservatskonzept St. Gallen, festgehalten. So ist eine solche Freizeiteinrichtung im Gebiet wo Natur und Landschaft Vorrang geniessen, grundsätzlich möglich – sofern sie eingeschränkt oder kanalisiert und die Störung damit verringert wird. Konkrete Beispiele sind die offizielle, ausgeschilderte Führung eines Wegnetzes beispielsweise für Wanderer und Jogger. Grösseren Störfaktoren wie Reitern, Bikern und Autofahrern kann der Zugang zum empfindlichen Gebiet mittels Fahr- oder Reitverboten verwehrt werden. Im Falle von Ausübenden anderer Freizeitaktivitäten, die kein festes Wegnetz erfordern (Pilzsammler, Orientierungsläufer, Skitourenfahrer oder Schneeschuhläufer), bleibt die Information über Hinweistafeln. «An den offiziellen Wanderwegen und Rastplätzen im Kreisalpen-Reservat hat es insgesamt 16 Infotafeln, welche die Leute darüber informieren, dass sie sich in einem Naturschutzgebiet befinden und die Wege nicht verlassen sollten», sagt Revierförster Ernst Aerne.

Festhalten in Schutzverordnung

Ein Wegabschnitt von der Passhöhe zur Chräzeren wurde jüngst offiziell ausgeschildert, da er vielfach begangen worden ist, obwohl es sich um keine offizielle Strecke handelte. Kein seltenes Phänomen, dass sich die Wintersportler ihre eigenen, «fixen» Wege bahnen. «Solange alle dort durch gehen, macht das nichts», weiss Reinhard Kobelt. «Die meisten Schneeschuhläufer halten sich an die Hinweise und Routen», weiss auch Ernst Aerne. Doch gebe es dennoch eine kleine Zahl solcher, die quer durch die Landschaft gehe. Inwiefern und ob dieses Nichteinhalten geahndet wird, regelt die kommunale Schutzverordnung. Die Nesslauer Schutzverordnung ist derzeit in Bearbeitung, das Weggebot im Kreisalpen-Gebiet wird darin verankert. Sichtet der Förster künftig einen Winterfreizeitsportler, der das offizielle Wegnetz verlässt, kann er ihn bis zum Eintreffen der Polizei aufhalten. Dieser wiederum steht es zu, eine Busse zu erlassen.

Ebenfalls angepasst und in der Schutzverordnung Nesslau festgehalten wird der neue Verlauf des Wegabschnitts im Rietfaltlig. Im Rahmen der Erstellung des WEP Stockberg haben sich die Vertreter der St. Galler Wanderwege; die Politische Gemeinde; das Amt für Natur, Jagd und Fischerei; das Amt für Raumentwicklung und Geoinformation; Vertreter von Naturschutzorganisationen sowie die Waldeigentümer darauf geeinigt, dass der Weg im Winter offiziell umgeleitet wird. Dies, da er sehr nahe an einem Balz-Platz für Auerhühner vorbei führt und diese dadurch gestört werden könnten. Sowohl der Revierförster als auch der Präsident der Wanderwegorganisation sind bei der Lösung des Konfliktes zwischen Naturschutz und Erholungsnutzung dabei gewesen. «Für uns ist dies eine gute Lösung und für Schneeschuhläufer denke ich auch. Uns liegt schliesslich auch etwas am Erhalt der Natur», sagt Reinhard Kobelt.