Richtplanung für Waldgebiete

Nach zwei Jahren Planung und Umsetzung steht der Waldentwicklungsplan Stockberg kurz vor Abschluss – ein Punkt muss noch geklärt werden. Der Plan weist nach der Prüfung verschiedener Interessen einzelne Waldflächen einer Funktion zu und dient als Grundlage für künftige Planungen.

Olivia Hug
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OBERES TOGGENBURG. Die einen gehen in den Wald, um Ruhe zu geniessen, andere, um Holz zu gewinnen. Die einen unternehmen am liebsten Winterwanderungen im Wald, die anderen jagen Rotwild. Die einen wollen ein artenreiches Naturschutzgebiet im Wald aufrecht erhalten, die anderen jagen am liebsten auf dem Bike-Sattel über Waldlichtungen. Und dann soll es noch Wildruhezonen geben und der Wald muss vor Lawinen schützen. Kurz: Die Interessen am und die Ansprüche an den Wald sind so zahlreich und vielfältig, wie die Toggenburger Wälder es selber sind. All diese Interessen sollen nun unter einem Hut vereinbart werden: Im Waldentwicklungsplan (WEP).

Interessengruppen vereinen

Der Waldentwicklungsplan ist Wegweiser und Leitplanke für alle, die ein Interesse am Wald haben – also nicht nur Förster und Waldeigentümer. Er regelt klar und behördenverbindlich, welcher Nutzung ein Waldgebiet zugeführt wird – und dies über 20 Jahre hinweg. Vor 10 Jahren hat der Kanton anlässlich der Waldentwicklungsplanung 19 Planungseinheiten über das Kantonsgebiet ausgeschieden, in welchen je ein eigenständiger WEP erstellt wird. Die meisten Waldregionen haben ihre WEP abgeschlossen und erlassen oder sind kurz davor. In der Waldregion 5 Toggenburg werden fünf WEP erstellt. Erlassen ist bisher der WEP Churfirsten.

Kurz vor der Genehmigung durch den Kanton steht der Waldentwicklungsplan Stockberg, der sich über das Gebiet der Gemeinde Nesslau erstreckt und die Forstreviere Stockberg, Speer und FOAG umfasst. Leiter dessen Planung ist Regionalförster Christof Gantner, für den es der erste WEP ist. Unter seiner Leitung haben knapp 30 Personen mit privaten wie öffentlichen Interessen in verschiedenen Arbeitsgruppen an den so genannten Objektblättern gearbeitet. Die Objektblätter vereinen spezifische Themen, an die die Nutzniesser unterschiedliche Ansprüche haben, definieren Ziele und allfällige Massnahmen. Der WEP Stockberg beinhaltet 32 solche Objektblätter. «Man kann den WEP mit einem Richtplan vergleichen. Der Unterschied ist, dass die Bevölkerung mitwirken kann», führt Christof Gantner aus. «Dass in Arbeitsgruppen gearbeitet wird, hat den Vorteil, dass man alle Parteien am selben Tisch hat. Man findet einen gemeinsamen Nenner.»

Kompromiss zweier Ansprüche

Einen gemeinsamen Nenner muss man beispielsweise da finden, wo die Interessen Erholungsnutzung (wie Schneeschuhlaufen) und Naturschutz an einem bestimmten Ort zusammentreffen. Konkret ist das im Waldreservat Kreisalpen (zwischen Rietbad und Passhöhe Schwägalp) der Fall. In diesem Gebiet leben seltene und gefährdete Vogelarten, deren Lebensraum erhalten werden soll. In diesem konkreten Fall hält der WEP fest, dass ein Reservatsvertrag umgesetzt wird, der ein Weggebot beinhaltet. Das Waldreservat Kreisalpen wird entsprechend der Vorrangfunktion Natur und Landschaft – und nicht der Funktion Erholung (siehe Stichwort) – zugewiesen. Mit einer Zuweisung im WEP ist die Funktion verbindlich.

Richtplan für künftige Vorhaben

Aus den definierten Zuweisungen im WEP könne man praktischen Nutzen ziehen, erläutert Christof Gantner: «Der WEP berücksichtigt jetzige und künftige Nutzungen. Ganz einfach gesagt: Will jemand eine Waldspielgruppe gründen oder einen Waldabschnitt mit einer Strasse erschliessen, kann er im WEP nachsehen, ob dieses Vorhaben im entsprechenden Gebiet möglich sein kann.»

Da sich der Waldentwicklungsplan über die Zeitdauer von 20 Jahren erstreckt, habe man entsprechend weit voraus planen und Partner in Arbeitsgruppen einschliessen müssen, die vielleicht erst in einigen Jahren in Kontakt mit Nutzniessern kommen, die ein anderes Interesse am selben Gebiet haben. Auch hier bringt der Regionalförster ein Beispiel: «Es gibt eine Gruppe, die daran interessiert ist, auf dem Wolzen einen Mountainbike-Park zu realisieren. Das steht in Konflikt mit Organisationen, die den Naturschutz und der Wildlebensraum auf dem Wolzen aufrecht erhalten wollen. Mit der Beteiligung beider Parteien an der Entwicklung des WEP konnte eine Lösung gefunden werden.»

Unterschiedliche Gewichtung

Dass sich zwei Funktionen im selben Gebiet realisieren lassen, liege daran, dass sie nicht von derselben Bedeutung sind, sagt Christof Gantner. «So genannte spezielle Funktionen wie ein Wanderweg durch ein Reservat stellen keine grosse Störung dar, so lange man den Bereich, in welchem er vorkommt, klar beschränkt.» Auch sei die Holznutzung in jedem Wald möglich, ausser der Waldeigentümer verzichtet auf die Nutzung. «Die Holznutzung wird im WEP nicht speziell ausgewiesen, denn geholzt werden muss überall. Ein Schutzwald kann schliesslich nicht während 20 Jahren die Schutzfunktion wahrnehmen, wenn er nicht gelichtet wird, damit neue Bäume wachsen», begründet der Regionalförster.

Ab Frühling leitet Christof Gantner die Planung und Umsetzung des WEP Regelstein. Dieser umfasst die Gemeinden Lichtensteig, Wattwil und Ebnat-Kappel.