Reise in die gute alte Zeit

Speerspitz

Sabine Schmid
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Für Geschichte interessiere ich mich erst, seit ich die Schule abgeschlossen habe. Damit scheine ich im Trend zu liegen. Zumindest gibt dies das Schweizer Fernsehen vor, das auch in diesem Sommer wieder Leute auf Zeitreise schickt und sie das Leben von damals, der «guten alten Zeit», (er)leben lässt.

Vor kurzem habe ich ebenfalls eine solche Zeitreise unternommen, Ziel Mittelalter. Mit staunenden Augen sehe ich Männer, Frauen und Kinder, die diese Zeit zelebrieren. In einfache Röcke gekleidet, sitzen sie vor Hütten, kochen ihr Essen auf dem Feuer und trinken Met aus Steinkrügen oder sogar aus Trinkhörnern. Die Frauen nähen, die Kinder spielen mit Steinen oder versuchen sich im Bogenschiessen. Nebenan haben Ritter ihr Lager aufgeschlagen. Gekleidet in Kettenhemden, üben sie sich im Schwertkampf. Von irgendwo her erklingt Minnegesang, Gaukler und Narren ziehen durch die Strassen. Als Höhepunkt gibt es ein Ritterturnier. Unter grossem Jubel des Publikums reiten grimmige Männer auf Pferden gegeneinander an. Sie buhlen um den Titel des Ersten Ritters, und um die Gunst der Prinzessin. Einzig, dass die Protagonisten hie und da ein Smartphone zücken, passt so gar nicht zum Dekor. Mich liess diese Zeitreise jedoch nicht zum Mittelalterfan werden. Denn für mich bleibt diese Epoche dunkel. Geprägt von tyrannischen Herren, die sich auf dem Buckel der Bauern und einfachen Leute bereicherten, von korrupten Kirchenmännern, vom Elend der Bauern und der einfachen Leute und von unhaltbaren hygienischen Zuständen, die zu schlimmen Krankheiten führten.

Wie unterschiedlich werden die Meinungen über unsere Epoche in ferner Zukunft sein? Werden sich die Menschen im Jahr 2517 Jeans, T-Shirts und Sneakers anziehen und eine Kappe aufsetzen? Werden sie mit Smartphones «bewaffnet» irgendwo hinsitzen und in die kleinen (oder vielleicht für diese Zeit antik grossen) Bildschirme gaffen, ohne miteinander zu reden? Werden sie Donald Trump als «Reformator» feiern? Ich weiss es nicht und bin froh, dass ich diese Zeit ebenso wenig erleben werde wie das von vielen als «gute alte Zeit» gelobte Mittelalter.

Sabine Schmid

sabine.schmid@toggenburgmedien.ch