Reden ist Silber, Mitreden ist Gold

Der Stadtrat setzt bei der Planung von Entwicklungsgebieten immer stärker auf die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung. Damit sollen Debakel wie die doppelte Marktplatz-Schlappe künftig verhindert werden.

Elisabeth Reisp
Drucken
Bei der Entwicklung des Gebietes Bahnhof Nord wirkt die Bevölkerung aktiv mit. (Bild: Benjamin Manser)

Bei der Entwicklung des Gebietes Bahnhof Nord wirkt die Bevölkerung aktiv mit. (Bild: Benjamin Manser)

Über das erste Projekt für einen neuen Marktplatz hatte das Stimmvolk 2008 abgestimmt – und es für nicht akzeptabel gehalten. Einen zweiten Versuch hatten die Stimmbürger dann im März vergangenen Jahres an der Urne klar verworfen. Die Botschaft an den Stadtrat war deutlich: Man ist nicht zufrieden mit den Vorschlägen.

Dieser doppelte Rückschlag ist für den Stadtrat alles andere als ein Ruhmesblatt und kostet zudem ein Heidengeld. Um solche Leerläufe künftig zu vermeiden, setzt der Stadtrat immer mehr auf den Einbezug der Bevölkerung. Allerdings: Das letzte Wort wird immer der Stadtrat haben.

Fünf Entwicklungsgebiete sind aktuell

An einer Medienorientierung informierten Stadtpräsident Thomas Scheitlin, Baudirektorin Patrizia Adam und Florian Kessler, Leiter Stadtplanungsamt, über den Fortschritt der einzelnen Projekte zur Partizipation in der Stadtentwicklung. Aktuell bei fünf Entwicklungsgebieten lädt der Stadtrat Anwohner, Interessenvertreter, Gewerbetreibende und Unternehmer ein, mitzuwirken. Es sind dies die Gebiete Bahnhof Nord, Marktplatz, St. Fiden-Heiligkreuz, St. Gallen West/Gossau Ost und die Innenstadt. Stadtpräsident Thomas Scheitlin betonte zwar, dass die Bevölkerung schon seit langem in der einen oder anderen Form in Planungen einbezogen wird. In dieser professionalisierten und ausgebauten Form ist aber das Gebiet Bahnhof Nord das erste, bei welchem der Stadtrat im grossen Stil auf die Mitwirkung der Bevölkerung setzte. Nicht ohne Grund: Als die Stadt von ihrem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch machte und das Klubhaus so in die Hände von auswärtigen Investoren mit Neubauplänen fiel, wurde der Stadtrat dafür heftig kritisiert. Zu einem stattlichen Preis musste die Stadt das Klubhaus zurückkaufen. In einem partizipativen Prozess wurde nun ein Vorschlag zu einer möglichen Gestaltung des Gebietes ausgearbeitet, der Ende Monat der Bevölkerung vorgestellt wird. Anfang des nächsten Jahres entscheidet dann der Stadtrat über das Projekt.

«Die Leute wollen heutzutage mitreden»

Die Beispiele Bahnhof Nord und Marktplatz zeigen, dass das partizipative Verfahren nicht etwa aus reinem Grossmut des Stadtrates angewendet wird. Vielmehr war es der Druck der Bevölkerung und der Vorwurf an den Stadtrat, er nehme keine Rücksicht auf die Bedürfnisse der Stimmbürger, die den Stadtrat veranlassten umzudenken. «Es hat ein gesellschaftlicher Wandel stattgefunden», sagte Scheitlin. «Die Leute wollen heutzutage mitreden und teilhaben. Dies ist zu respektieren.» Die Partizipation gebe es aber nicht. Der Grad der Mitwirkung falle je nach Projekt und Anspruchsgruppen unterschiedlich aus.

Partizipatives Verfahren für 1,5 Millionen Franken

Mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zu nehmen, soll aber kein Lippenbekenntnis bleiben. So betonte Patrizia Adam: «Es wäre widersinnig, solchen Aufwand zu betreiben, die Wünsche aus der Bevölkerung aber nicht umzusetzen.» Gerade auch weil diese Verfahren personell und finanziell ressourcenintensiv seien, sagte Adam. Die Kosten solcher partizipativer Verfahren sind unterschiedlich hoch. Beim Gebiet St. Fiden-Neudorf etwa belaufen sich diese auf 1,5 Millionen Franken, sagte Stadtplaner Florian Kessler. «Der grosse Kostenpunkt sind hier die Fachaufträge an Dritte.»

Trotz Kostenaufwand helfen die partizipativen Verfahren dem Stadtrat, breitabgestützte Lösungen zu konzipieren. «Aber auf alle Wünsche können wir nie Rücksicht nehmen», sagte Scheitlin. «Am Schluss muss eine Entscheidung getroffen werden.» Diese obliegt dem Stadtrat, in allerletzter Konsequenz entscheidet aber das Stimmvolk an der Urne.