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Appenzellerland
Wie in der gesamten Schweiz gibt es auch im Appenzellerland von Jahr zu Jahr weniger
Landwirtschaftsbetriebe. Die Innerrhoder Evelyn und Sepp Manser begegnen der schwierigen Lage mit Erfindergeist.
Evelyn und Sepp Manser sind sich bewusst, dass die Gegenwart für Landwirte nicht einfach ist und die Zukunft die Branche vor grosse Herausforderungen stellt. Trotzdem zeigen sich die Mansers bei einem Besuch am Frühstückstisch in Schwende voller Tatendrang und versprühen Zuversicht, als sie von ihren Projekten und Ideen erzählen.
Seit über 20 Jahren betreiben die 44-Jährige und der 47-Jährige bereits Landwirtschaft.
Vieles hat sich für Bauern in dieser Zeit verändert. Aus der neusten landwirtschaftlichen Strukturerhebung des Bundes geht hervor, dass die Anzahl Betriebe im Appenzellerland im vergangenen Jahrzehnt um rund 15 Prozent zurückgegangen ist (siehe Grafik). Ende 2018 gab es in Ausserrhoden 10 Betriebe weniger als zwölf Monate zuvor. In Innerrhoden waren es deren vier.
Der Rückgang ist ein Trend, der sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen dürfte. Dieser Druck der Zukunft sei bei vielen Innerrhoder Familienbetrieben zu spüren, sagt Evelyn Manser. Sie und ihr Mann begegnen diesem Druck mit Innovation. 2016 begannen die Mansers mit dem Betrieb einer Pouletmast – der einzigen in Innerrhoden.
«Davor hatten wir null Ahnung vom Pouletmästen», sagt Sepp Manser. Der Aufbau dieses neuen Betriebszweigs erfolgte, nachdem die Familie auf einen Schlag rund zehn Hektaren Land verloren hatte. «Da haben wir etwas gesucht, dass bodenunabhängig ist», sagen beide. Schliesslich sei man auf «Alpstein Poulet» gestossen. Als die Familie das Projekt in Angriff nahm, sei man bei anderen Bauern durchaus auf Misstrauen gestossen, teilweise kam Neid von Berufskollegen. Sepp Manser sagt:
«Weil es nun gut läuft bin ich gleich doppelt stolz.»
Heute kommen rund die Hälfte der Einnahmen der Familie Manser aus der Poulemast. Das eingegangene Risiko hat sich ausbezahlt. Daneben betreibt Sepp Manser weiterhin Milchwirtschaft, Evelyn Manser leitet eine Milchsammelstelle. Die Sammelstelle sei so ein Ort, wo sich der Rückgang an Betrieben bemerkbar mache, so Evelyn Manser. Vor 20 Jahren habe man da noch rund doppelt so viele Bauern angetroffen.
Sowohl Evelyn als auch Sepp Manser bestreiten seit langem in niedrigem Pensen Arbeiten ausserhalb der Landwirtschaft, um das Gesamteinkommen zu vergrössern. Das täten heute wohl die meisten Innerrhoder, sagen die beiden. Ohne Pouletmast müsste vor allem Evelyn Manser in einem höheren Pensum einem Zweitberuf nachgehen.
Ab diesem Sommer soll der Betrieb noch breiter abgestützt sein. Vergangenes Jahr wurden 120 Holunderbäume gepflanzt. Das Holunderblütenextrakt wird in wenigen Wochen erstmals «Goba» geliefert und zur Herstellung von «Flauder» verwendet werden. Dieses neue Projekt der Mansers stiess bei Berufsgenossen zuweilen ebenfalls auf Stirnrunzeln. Sepp Manser entgegnet diesen Zweiflern:
«Man muss etwas tun! Man kann doch nicht die ganze Zeit jammern.»
In den Augen der Familie setzt man mit der Holunderzucht fort, was man bereits mit der Pouletmast begonnen hatte: Man setzt auf Regionalität. Das sei der einzige Weg vorwärts, sagt Evelyn Manser mit Blick auf die Landwirtschaftsbetriebe im Appenzellerland. So sehen beide ihren Hof denn auch auf dem Richtigen Weg. Sepp Manser sagt:
«Für uns ist klar: Wir gehen vorwärts. Fertig»
Die Familie lässt keinen Zweifel daran, dass sie auch in Zukunft «hart pickeln» und Wagnisse eingehen wird.
Die Ergebnisse der neusten landwirtschaftlichen Strukturerhebung des Bundes überraschen Beat Brunner keineswegs. Der Präsident des Ausserrhoder Bauernverbandes sagt: «Diese leichte Abwärtstendenz findet seit Jahren in diesem Masse statt und wird auch so weitergehen.» In der Tat sank die Anzahl der Landwirtschaftsbetriebe im vergangenen Jahrzehnt in Ausserrhoden um 15 und in Innerrhoden um 16 Prozent.
Die Bauern im Appenzellerland würden auch in Zukunft gefordert sein, sagt Brunner. Schliesslich sei die Landwirtschaft topografiegebunden. So liege der Fokus hierzulande auf der Nutzung von Grasland. Man setze weniger Kraftfutter ein. Dabei sieht Brunner das Appenzellerland in einem Punkt durchaus im Vorteil. Der landesweite Trend hin zu mehr Nachhaltigkeit komme der Region entgegen. «Wir produzieren bereits sehr nachhaltig», sagt Brunner. Mit Blick auf die Zukunft sieht der Verbandspräsident für die Bauern im Appenzellerland keine konkreten Gefahren – mit Ausnahme der «Trinkwasserinitiative».
Dieses Volksbegehren hat zum Ziel, dass Landwirtschaftsbetriebe, die Pestizide einsetzen oder prophylaktisch von Antibiotika Gebrauch machen, keine Direktzahlungen mehr erhalten. «Eine Annahme der Initiative würde hierzulande das Betreiben von Pouletmast, Schweinemast und das Halten von Legehennen verunmöglichen», sagt Brunner. Der Bundesrat lehnt die Initiative ohne Gegenvorschlag ab. Darüber abgestimmt wird voraussichtlich 2020.