Gais
Geschickt netzwerken, um Spendengelder einzutreiben: Das macht nun der ehemalige CEO von Bischoff Textil

44 Berufsjahre lang engagierte sich Thomas Meyer aus Gais für das St.Galler Unternehmen Bischoff Textil – davon die letzten sechs Jahre als CEO. Der Textilkaufmann arbeitete sich von ganz unten nach ganz oben. Auch nach der Pensionierung blieb er ein umsichtiger Netzwerker. Die Stiftung Solidarität mit der Welt liegt ihm besonders am Herzen.

Claudia Hutter
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Wanne Gais – ein zurückgezogener Ort, um in die Welt hinaus zu wirken: Thomas Meyer präsidiert das Regionalkomitee Ostschweiz der Stiftung Solidarität mit der Welt.

Wanne Gais – ein zurückgezogener Ort, um in die Welt hinaus zu wirken: Thomas Meyer präsidiert das Regionalkomitee Ostschweiz der Stiftung Solidarität mit der Welt.

Bild: Claudia Hutter

Thomas Meyer, 71, war von 2010 bis 2016 CEO der Bischoff Textil. Das St.Galler Unternehmen entwickelt und produziert seit über 90 Jahren hochwertige, exklusive Stickereien, die weltweit Absatz finden. Die Stoffe werden für Mode, medizinische Produkte und technische Textilien eingesetzt. Bischoff Textil hat Werke in der Schweiz, Thailand und Sri Lanka. Ihr Name stand und steht auch heute noch als ein Wahrzeichen für die Ostschweizer Textilindustrie und ihre Tradition.

Thomas Meyer wohnte mit seiner Frau Verena und den heute drei erwachsenen Kindern während 35 Jahren an der Rösslistrasse in Gais. Die beiden Töchter und der Sohn sind derweil ausgezogen. Sohn Aurèle Meyer dürfte vielen in der Region bekannt sein: Er ist Geschäftsführer der Brauerei Locher in Appenzell.

Nochmals bauen, aber nicht neu

Im Frühjahr bezogen die Meyers in der Wanne Gais ein umgebautes, über 200-jähriges Appenzeller Heidenhaus. Das neue Zuhause überzeugt durch stilvoll ausgewählte und eingesetzte Materialien, den Lichteinfall, das Eingebettetsein in die reizvolle Hügellandschaft des Appenzellerlands und den weitläufigen und dennoch naturnah gestalteten Garten. Nichts scheint zu viel zu sein an und in diesem Haus und um es herum, und gleichzeitig nichts vergessen gegangen. Der angrenzende alte Schafstall mauserte sich zu einem hellen, modernen Fonduestübli. Der ehemalige Geschäftsführer hält in diesem separaten Bau öfters seine Sitzungen ab. Verena Meyer-Marty führt ihre Praxis für Atem- und Craniosacral-Therapie im Parterre.

Thomas und Verena Meyer haben sich bei der St.Galler Bischoff Textil im Alter von 18 respektive 20 Jahren kennen gelernt: Er war kaufmännischer Angestellter, seine Frau damals kaufmännische Lehrtochter. Der gebürtige Gossauer war schon immer von der Textilbranche fasziniert. Meyer machte seine Berufslehre bei der Filtex in St.Gallen, dann zog es ihn nach London. Mit 20 Jahren kehrte er zurück und trat seine Stelle bei der Bischoff Textil an, wo er 44 Jahre blieb und sich hocharbeitete bis zum CEO. «Ich war der Ostschweizer Firma treu, da ich mich schon früh wie ein Unternehmer betätigen konnte», erläutert der Gaiser. So eröffnete er bereits als 22-Jähriger in Paris ein Verkaufsbüro und lebte während zweieinhalb Jahren in der europäischen Modemetropole. Meyer: «Bei der Bischoff Textil wurde nicht von der Chefetage herab über mich bestimmt. Man liess mir viel Spielraum zur Entfaltung.»

Know-how im Appenzellerland verschwunden

Meyer erlebte als Textilkaufmann viele Entwicklungen mit in den letzten vier Jahrzehnten. Die Globalisierung erforderte ständige Anpassungen und Innovationen von den «Textilern». Auf die Frage, ob er es bedaure, dass im Appenzellerland fast alle Textilunternehmen verschwunden seien, antwortet er: «Ja, diese Entwicklung ist bedauerlich. Damit ist leider auch ein grosser Verlust von Know-how verbunden.»

Meyer war von 1998 bis 2003 Präsident der Geschäftsprüfungskommission der Gemeinde Gais. Bis im Juni dieses Jahres amtierte er als Präsident von Textilland Ostschweiz. Der Verein, der sich aus der Textilindustrie, der Hotellerie, Gastronomie und den Tourismusunternehmen zusammensetzt, macht das Textilland Ostschweiz mit seiner bedeutenden Vergangenheit erlebbar. Auch wenn in der Schweiz nicht mehr viel produziert werde, so finde doch die Forschung und Entwicklung weiterhin in der Ostschweiz statt, betont Meyer.

Kleinunternehmerinnen fördern

Bereits seit 2018 amtet er als Präsident des Regionalkomitees Ostschweiz der Stiftung Solidarität mit der Welt. Hier kann er sein Netzwerk, das er sich als Unternehmer aufbaute, zum Tragen bringen. «Die Stiftung richtet sich nach christlichen Grundwerten», sagt Thomas Meyer. «Wir investieren in Projekte und Menschen, unabhängig ihrer Ethnie und Religion.» Es sind vielfach Frauen, welche unterstützt werden. Meyer dazu: «Frauen haben die Fäden in der Hand».

Als Unternehmer ist er während Jahren weltweit gereist und hat gesehen, wie in vielen Ländern – vor allem in afrikanischen Staaten – die Frauen die volle Arbeitslast tragen. Gleichzeitig wissen sie, wie mit Geld umzugehen ist, während die Männer oft nur wenig zum Lebensunterhalt beitragen. «Bereits mit fünf Franken kann unsere Stiftung eine Frau gezielt fördern», so Meyer. So werden aus einfachen Arbeiterinnen bald schon Kleinunternehmerinnen, die wiederum anderen Frauen eine Erwerbsarbeit zugänglich machen.

Auch die Berufsausbildung von Jugendlichen ist ein wesentlicher Aufgabenbereich von SDW. Die Beiträge der Spendenden an die Stiftung variieren von 20 bis 25’000 Franken. Noch bis zu seinem 75. Geburtstag möchte Thomas Meyer sein Amt beim Regionalkomitee weiterführen. Er lächelt vielsagend: «Dann ist Schluss, Altersguillotine. Ich werde bis dahin einen Nachfolger vorschlagen müssen.» Doch noch geht die Arbeit lange nicht aus.

Stiftung Solidarität mit der Welt SDW

Die 17 Regionalkomitees der Stiftung Solidarität mit der Welt sammeln Geld für Entwicklungsprojekte der schweizerischen Missionsgesellschaften. Die Mitglieder der Regionalkomitees, des Stiftungsrats und des Prüfungsausschusses arbeiten ehrenamtlich. Sie sind in Wirtschaft und Gesellschaft verankert und nutzen ihre Verbindungen für die Sammeltätigkeit. Gelegenheiten zum Spenden gibt es viele – zum Beispiel bei einem Firmenjubiläum, Geburtstagen, Weihnachtsanlässen, als Legat oder weil der Spendende sicher sein will, dass der Beitrag ankommt. Schwerpunkte der Entwicklungszusammenarbeit sind Grund- und Berufsausbildung, das Schaffen von Arbeitsplätzen, die Einkommensförderung sowie die Gesundheit und Ernährungssicherheit. 2022 unterstützte Solidarität mit der Welt 34 Entwicklungsprojekte in 20 Ländern auf drei Kontinenten. Die Regionalkomitees haben im vergangenen Jahr eine Summe von 640’000 Franken zusammengetragen. Die Geschäftsstelle der Zewo-zertifizierten Stiftung ist in Wädenswil. (ch)