Politische Bildung
Diskutieren wie die Mächtigen: Die Kanti Trogen simuliert eine Kantonsratsdebatte

Am Mittwoch wurde der Kantonsratssaal in Herisau von Schülerinnen und Schülern der Kanti Trogen besetzt. Als fiktive Kantonsrätinnen und Kantonsräte debattierten sie über die Energiepolitik.

David Widmer
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Lernende der Kanti Trogen im Kantonsratssaal in Herisau.

Lernende der Kanti Trogen im Kantonsratssaal in Herisau.

Foto: daw

«Aber, liebe Frau Kollegin der SVP», leitet der FDP-Kantonsrat Oertle sein Gegenargument ein. Mit überzeugter Stimme und gewinnendem Blick. Auch wenn man es fast meinen könnte: Hier handelt es sich weder um eine echte Kantonsratssitzung, noch sind die beiden Jugendlichen Mitglied irgendeiner Partei. Was im Kantonsratssaal in Herisau stattfindet, ist eine Politiksimulation und die Kantonsrätinnen und Kantonsräte werden durch Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule Togen verkörpert.

Die fiktive Kantonsratssitzung ist ein Projekt, das im Rahmen des Regierungsprogramms 2020–2023 mit dem Schwerpunkt «Politische Bildung» entstand. Geleitet wird die Simulation von der Etharion GmbH, einem nebenberuflichen Non-Profit-Unternehmen, welche das Rollenspiel auch entworfen hat.

Alle Lernenden haben vorgängig ein Faktenblatt zu ihrer Rolle bekommen. Sie wissen also, woher sie kommen, welcher Partei sie angehören und was ihre Persönlichkeitszüge sind. Ausserdem ist ihre politische Position grob vorgegeben.

Debatte über ein neues Energiegesetz

In der Simulation, die in der gleichen Form schon in anderen Kantonen durchgeführt wurde, geht es um ein neues Energiegesetz. Dieses wurde vom Regierungsrat, gespielt von vier Lernenden, erarbeitet und soll nun diskutiert werden. Konkret dreht sich die Debatte um den Ersatz von Öl- und Gasheizungen in den Wohnhäusern des Kantons Appenzell Ausserrhoden.

Der erste Auftrag von Patrik Zamora, Spielleiter der Etharion GmbH, lautet: «Besammelt euch in euren zugeteilten Fraktionen und erarbeitet eine gemeinsame Stellungnahme zum Thema!» Zügig finden sich die Jugendlichen zusammen und besprechen sich. Während sich die einen Fraktionen ziemlich schnell einig sind, kommt es in anderen zu angeregten Diskussionen. «Wir haben über unser Statement abgestimmt. Es war ein sehr knapper Entscheid, bloss eine Stimme hat den Unterschied gemacht», erzählt die fiktive FDP-Fraktion.

Dann eröffnet der Kantonsratspräsident die Sitzung, begrüsst die Anwesenden, erteilt das Wort. Es kommt sogar zu einer Massregelung: «Ich bitte Sie, es gibt hier keine falschen und richtigen Meinungen. Bitte verzichten Sie auf solche Wertungen», weist er eine SP-Politikerin zurecht.

«Man darf uns Jugendliche nicht unterschätzen»

Mauro Schilter spielt den FDP-Kantonsrat Oertle

Mauro Schilter spielt den FDP-Kantonsrat Oertle

Foto: daw

Der eingangs erwähnte FDP-Kantonsrat Oertle wird von Mauro Schilter gespielt, ein wahrer Aktivposten in der Debatte. Das Experiment finde er spannend, sagt er, da er sich sehr für Politik interessiere. Er ist auch der Meinung, dass das Stimmrechtsalter 16 eingeführt werden sollte. «Wir Jungen sind durchaus in der Lage, uns eine Meinung zu politischen Themen zu bilden», gibt er sich selbstbewusst. Ihm sei klar, dass Jugendliche möglicherweise leicht zu beeinflussen, vielleicht sogar zu manipulieren sind. Schilter schlussfolgert:

«Genau darum ist politische Bildung auch so wichtig.»
Lena Senn als SVP-Kantonsrätin Bischofberger

Lena Senn als SVP-Kantonsrätin Bischofberger

Foto: daw

Lena Senn fühlt sich zwar in ihrer Rolle als SVP-Politikerin nicht restlos wohl, trotzdem gefällt ihr das Rollenspiel. Es sei interessant, mal einen anderen Blick auf die Politik zu erhalten. So ein Perspektivenwechsel könne sicher nicht schaden. Ihr seien dadurch Politikerinnen und Politiker irgendwie nähergekommen.

«Das sind am Ende ja ganz normale Menschen wie wir»,

schmunzelt Senn, die das Stimmrechtsalter 16 ebenfalls befürwortet, bevor sie sich wieder der Diskussion in ihrer Fraktion zuwendet.

«Interesse und Motivation ist das Ziel»

Patrik Zamora, Spielleiter der Etharion GmbH

Patrik Zamora, Spielleiter der Etharion GmbH

Foto: daw

Ein glühendes Engagement für politische Bildung ist Spielleiter Patrik Zamora anzumerken. Während der Debatte bewegt er sich durch den Saal und flüstert verschiedenen Schülerinnen und Schülern etwas zu, will ihnen bei ihrer Argumentation helfen. Das Ziel des Projekts sei nicht, dass die Jugendlichen zu Profis werden, was die politischen Abläufe betrifft. Viel wichtiger sei etwas anderes: «Wir wollen die jungen Menschen für Politik begeistern, Interesse wecken und sie motivieren, an politischen Prozessen mitzuwirken.»

Das fiktive Kantonsparlament fällt an diesem Mittwochmorgen folgende Entscheide: In spätestens zehn Jahren müssen Öl- und Gasheizungen durch erneuerbare Systeme ersetzt werden, Mieterhöhungen aufgrund von Umbaukosten werden verboten und unterstützt werden die Sanierungen nicht durch Subventionen, sondern durch Steuererleichterungen. FDP-Kantonsrat Oertle geht heute zufrieden aus der Sitzung, das Parlament ist seiner Meinung in zwei von drei Fällen gefolgt.