Im Hinblick auf die Abstimmung zur Altersvorsorge 2020 fand am Donnerstag in Bütschwil eine Podiumsdiskussion statt. Dabei wurde klar: Neben dem Alter beeinflussen auch andere Faktoren die Entscheidung.
Ein Blick auf das Programm deutete bereits im Vorfeld auf einen spannenden, aktualitätsbezogenen Abend hin. «Altersvorsorge 2020 – ein Generationenkonflikt?» stand da. Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, hatten die Jungfreisinnigen Toggenburg auf Donnerstagabend vier Persönlichkeiten aus der Politik zum Podium im Seniorenzentrum Solino in Bütschwil eingeladen. Als Befürworter der Reform waren dies Nationalrätin Barbara Gysi (SP) und Grossrat Tino Schneider (JCVP), von Seiten der Gegner traten Ständerätin Karin Keller-Sutter (FDP) und Kantonsrat Mike Egger (JSVP) zur Diskussion an. Der hochkarätig besetzte Anlass lockte über 80 Interessierte aus der Region an.
Pünktlich um 19.30 Uhr eröffnete Ruben Schuler, Präsident der Jungfreisinnigen Toggenburg, die Veranstaltung. Erfreut nahm er zur Kenntnis, dass Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlichster Altersstufen im Publikum sassen. «Das ist gut, schliesslich geht es heute um ein Thema, das sowohl junge als auch ältere Menschen betrifft», sagte er. Es folgten die Grussworte von Solino-Leiter Markus Brändle und Kantonsratspräsident Ivan Louis (SVP).
Anschliessend griff Simon Seelhofer zum Mikrofon, um die wichtigsten Punkte der Vorlagen zusammenzufassen, über die am 24. September abgestimmt wird. «Es geht hier um drei Herausforderungen», hob der Präsident der FDP Kirchberg hervor. «Einerseits ist da die Ausgangslage, die besagt, dass Arbeitnehmer für die Rentner aufkommen. Andererseits spielen auch die demografische Entwicklung und die steigende Lebenserwartung eine Rolle. Also die Tatsache, dass es immer mehr Rentner geben wird.» Es stelle sich nun die Frage, wie man am besten auf all dies reagiere. Die Vorlage «Bundesgesetz über die Reform der Altersvorsorge 2020» verfolge das Ziel, die AHV und die Pensionskasse in Zukunft zu sichern. «Wie auch immer die Abstimmung ausgeht: Handlungsbedarf ist auf jeden Fall da», sagte Simon Seelhofer.
Mit dem Leitspruch «Feuer frei» gab Ruben Schuler anschliessend das Wort ans Podium weiter. Sven Bradke, Vizepräsident der FDP des Kantons St. Gallen und Inhaber der Mediapolis AG in St. Gallen, amtete als Moderator. Er verstand es, Struktur und manchmal auch eine Prise Humor ins Gespräch einzubringen. Bradkes Prognose zum Ausgang der Abstimmung war übrigens diplomatisch: «Ja oder Nein, das weiss ich nicht. Aber es wird auf jeden Fall knapp.» Er hoffe aber, sagte der Moderator, dass sich im Laufe des Abends jede und jeder definitiv entscheiden könne.
Als Erster durfte Mike Egger, mit 25 Jahren der Jüngste in der Runde, seine Meinung äussern. Der Reformgegner aus dem Rheintal ist der Ansicht, dass durch die Reform Mehrkosten entstünden, die dann den Bürgerinnen und Bürgern auferlegt würden – dies sei nicht fair und nicht ehrlich. Anders denkt der um ein Jahr ältere Tino Schneider, Grossrat aus dem Kanton Graubünden. «Ich befürworte die Reform, auch wenn ich nicht mit allen Punkten einverstanden bin. Eine Veränderung ist dringend nötig», sagte er. Er sehe das Ganze als Zwischenlösung bis zum Jahr 2030. Auch die 53-jährige Wilerin Barbara Gysi ist «nicht mit allen Einzelheiten der Vorlage zufrieden», wie sie betonte. Karin Keller-Sutter, die ebenfalls in Wil wohnt und 53 ist, plädierte wiederum für ein klares Nein: «Die Reform geht meines Erachtens in die falsche Richtung. Sie anzunehmen wäre etwa, wie aus Torschlusspanik unüberlegt zu heiraten – das kommt nicht gut.» Der Vergleich sorgte für einige Lacher aus den Reihen der Zuhörerinnen und Zuhörer. Die FDP-Politikerin aber blieb ernst. «Bei einem Ja zur Reform wird die AHV defizitär, da weniger Einnahmen als Ausgaben getätigt werden», ist sie überzeugt.
Auch wenn die entgegengesetzten Meinungen auf dem Podium teilweise hart aufeinanderprallten: Es gab an diesem Abend durchaus Punkte, in denen sich die Politikerinnen und Politiker unabhängig von Pro und Kontra einig waren. So befürworteten sowohl Karin Keller-Sutter als auch Barbara Gysi das flexible Rentenalter, das die Reform mit sich bringen würde. Mit einer Erhöhung des Rentenalters für Frauen würde sich Barbara Gysi allerdings trotz ihrer Zustimmung schwertun, während Karin Keller-Sutter diesen Aspekt als «in Ordnung» bezeichnete.
Auch die ansonsten gegensätzlich argumentierenden Jungpolitiker Schneider und Egger fanden eine Gemeinsamkeit: Beide sind gegen die 70 Franken, die Neurentnern im Falle einer Annahme der Reform zustehen würden, weil das finanziell nicht aufgehe. Während der Befürworter von der JCVP aber das Gesamtpaket in den Vordergrund stellt – «alle müssen etwas hergeben, und alle bekommen etwas, deshalb sage ich insgesamt Ja» – betrachtet der Kollege von der JSVP die Reform als «Brandbeschleuniger, welcher der Wirtschaft und den Wenigverdienern schadet». In einer Sache allerdings waren sich alle vier Podiumsteilnehmer einig: Sie sehen die Reform als Kompromiss. Die einen können damit leben, weil sie im Sinne der Solidarität entscheiden, die anderen stören sich zu sehr an einzelnen Aspekten und werden darum gegen die Reform stimmen.
Nach rund einer Stunde wollte Sven Bradke abschliessend von den Podiumsteilnehmern wissen, wie es im Falle eines Neins zur Reform weitergehen könnte. «Dann müssen die Gegner einen neuen Vorschlag machen», meinte Barbara Gysi. Karin Keller-Sutter stimmte der SP-Vertreterin zu und sagte, dass es dann am besten sei, zuerst ein «kleineres Paket mit weniger tief greifenden Veränderungen aufzugleisen». Anschliessend eröffnete Sven Bradke die Fragenrunde. Aus dem Publikum ertönten mehrere reformkritische Stimmen, es folgte aber auch eine energische Stellungnahme einer Befürworterin.
Ruben Schuler, der die Veranstaltung im Namen der Jungfreisinnigen organisiert hatte, meinte nach der Diskussion, angesprochen auf den in der Ankündigung erwähnten Generationenkonflikt: «Das Alter allein ist hier wohl nicht ausschlaggebend. Es geht zudem um Unterschiede bezüglich Ansichten, Lebenslagen und Prioritäten.»
Am Sonntag, 24. September, fällt die Entscheidung über den «Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer» und das «Bundesgesetz über die Reform der Altersvorsorge 2020». Für eine Umsetzung dieser Reform müssen beide Vorlagen angenommen werden. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer erfordert ein Ja von Volk und Ständen.