Pionierprojekt für die Kinder

Am Donnerstagabend wurde in Ganterschwil der Verein «Familienzeit» gegründet. Das beispiellose Projekt nimmt sich der Herausforderung an, die Bedingungen für begleitete Besuchstage zwischen Eltern und Kinder zu verbessern und eine Lücke im sozialen Angebot der Region zu schliessen.

Thomas Geissler
Drucken

GANTERSCHWIL. Deutlich häufiger als vielleicht vermutet, kommt es dazu, dass Kinder nicht mit ihren Eltern aufwachsen können. Gründe dafür können ganz banal eine Trennung oder Scheidung sein, aber auch eine Fremdplazierung in einer Pflegefamilie oder Institution.

Wenn Kinder nicht bei ihren Eltern aufwachsen können, entstehen in der Entwicklung nicht selten Defizite. Denn der persönliche Kontakt ist für den Aufbau und das Erhalten der Verbundenheit zwischen Eltern und Kind gemäss Fachleuten unentbehrlich. Für die gesunde Entwicklung, auch im Hinblick auf die Identitätsfindung, ist die Beziehung zu beiden Elternteilen für ein Kind notwendig.

Niederschwellige Angebote

Durch ihre langjährige Berufstätigkeit bei den Sozialberatungen Uzwil beziehungsweise Oberuzwil-Jonschwil, haben die beiden Sozialarbeiter Carole Brun-Oehler und Balz Wielatt immer wieder feststellen müssen, dass für die Durchführung gerichtlich oder behördlich angeordneter, begleiteter Besuchsrechte Angebote fehlen, welche den Bedürfnissen der betroffenen Eltern und deren Kindern gebührend Rechnung tragen. Hier will der am Donnerstagabend frisch gegründete Verein «Familienzeit» Abhilfe schaffen. In Abstimmung mit Sozialarbeitern, Beiständen, Sozialpädagogen, Richtern und Psychologen, haben die Initianten des Projektes einen breiten Konsens darüber angetroffen, dass im Bereich des begleiteten Besuchsrechtes alternative und vor allem niederschwellige Angebote zur Verfügung stehen müssen.

Der mit rund einem Dutzend Mitgliedern frisch gegründete Verein will nun dafür Sorge tragen, dass Begegnungsräume für Eltern und Kinder angeboten werden, die bei grösstmöglichem Freiraum viel Unterstützung, Schutz und allenfalls auch Kontrolle bieten. Das Ziel ist die Schaffung eines Begegnungsortes, an dem Beziehungen aufgebaut, gepflegt und gefördert werden können. In Zusammenarbeit mit dem Kloster Magdenau und der Schulbehörde Degersheim werden ab dem Frühling deshalb begleitete Besuchstage und Besuchswochenenden, sowie begleitete Kinderübergaben angeboten. In dem Zisterzienser Kloster, welches mit seinem Gästehaus über eine breite Infrastruktur verfügt, wurde für das Pionierprojekt ein optimaler Ort gefunden. In unmittelbarer Nähe stehen zudem in einem Schulhaus unter anderem ein Werkraum und eine Gemeinschaftsküche zur Nutzung zur Verfügung, die wie auch das Gästehaus des Klosters für das Projekt der Begegnungswochenenden angemietet wurden.

Ab dem Frühjahr wird hier an zwei Wochenenden pro Monat die Möglichkeit gegeben, unter professioneller Anleitung und Begleitung, Begegnungen zwischen Eltern und Kindern zu gestalten.

Im Zentrum dieser Begegnungswochenenden steht das Kindeswohl, wie Balz Wielatt und Carol Brun erklären. Auch die Leiterin des Sozialamtes Oberuzwil-Jonschwil, Rahel Salis, hat in ihrer Arbeit viel beobachtet, dass «Probleme zwischen den Eltern oft auf die Kinder übertragen werden.» Diese gelte es abzufedern und eine möglichst konfliktarme Situation zu gestalten.

Ängste abbauen

«Die begleiteten Begegnungsangebote sollen dazu beitragen, die begründeten oder unbegründeten Ängste der Eltern zu mindern, indem ein Sicherungsnetz vorhanden ist», so Carol Brun. Denn als Sozialarbeiterin und Mediatorin weiss sie, dass sowohl die sorgeberechtigten Elternteile häufig Bedenken haben, dem besuchsberechtigten Elternteil das Kind zu überlassen. Auf der anderen Seite wissen die Besuchsberechtigten manchmal ebenfalls nicht, wie sie mit dem Kind umgehen sollen. «Es gibt auch die Fälle, dass jemand schlicht nicht in der Lage ist, ein Kind alleine zu betreuen», ergänzt Balz Wielatt.

Und genau hier kann das Angebot des Vereins helfen, Sicherheit zu geben und die für Vertrauen nötige Zuverlässigkeit eingeübt werden. Die Betreuung ist aber kein Pflichtprogramm. So steht der Aufenthalt auch Elternteilen und ihren Kindern zur Verfügung, die entweder durch mangelhafte Platzverhältnisse in den eigenen Räumen darauf zurückgreifen wollen oder die von dem Kontakt zu anderen Eltern und Kindern profitieren möchten. «Das kann allen Sicherheit und auch Ideen bringen», regt Carol Brun an.

So oder so ist es die Aufgabe des betreuenden Fachpersonals, nur so viel einzugreifen, wie nötig ist und den Beteiligten gleichzeitig Strategien an die Hand zu geben, die Kinderbetreuung auch alleine bewerkstelligen zu können.

Die durch die begleiteten Besuche entstehenden Kosten sind dem Kinderunterhalt zuzuordnen und damit primär durch den besuchsberechtigten Elternteil oder allenfalls durch beide Elternteile zu tragen, wenn sie für die Anordnung des begleiteten Besuchsrechtes verantwortlich sind.