PENSIONIERUNG: Freude am Sport wecken

Die aus Ostdeutschland stammende Hannelore Seidl hat 26 Jahre lang in Lichtensteig und Nesslau Sport unterrichtet. Gerne blickt sie auf diese Zeit zurück.

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«Ich bin sehr glücklich, dass ich in der Schweiz als Sportlehrerin arbeiten durfte.» Dies sagt Hannelore Seidl wenige Tage nachdem sie zum letzten Mal als Sportlehrerin mit den Mädchen der Nesslauer Oberstufe in der Turnhalle stand. «Mein Ziel war immer, dass die Schüler gerne in den Sport kommen, sich anständig verhalten und sich über die Schulzeit hinaus weiter betätigen. Ich habe davon profitiert, dass in Nesslau mit der Jugi, dem Unihockey, dem Volleyball und dem Handball ein breites Sportangebot auf Schul- und Vereinsebene existiert.»

Dass sie ihre Pensionierung in der Schweiz erleben würde, hat sich Hannelore Seidl nie ausgemalt. Sie ist in der ehemaligen DDR aufgewachsen und hat dort Sport studiert. Keine Selbstverständlichkeit, denn von rund 240 Anwärtern erhielten gerade einmal 24 nach einem strengen zweitägigen Auswahlverfahren einen Studienplatz in Potsdam. Die Zeit als Lehrerin in Ostdeutschland sei geprägt gewesen durch ein tolles Kollegium in Chemnitz. Kurz nach der Wiedervereinigung Deutschlands nahm Hannelore Seidls Ehemann eine Dozentenstelle an der Textilfachschule Wattwil an, die Familie zog mit ihm. Sie trat ihre Stelle in Lichtensteig an. Besonders gerne erinnert sie sich da an die Schullager. «Ich war sicher in 50 Lagern als Köchin dabei», erzählt sie. Die Kinder mussten ihr helfen und lernten so einiges für das soziale Zusammenleben. «Aber besonders die letzten Jahre in Nesslau durfte ich viel lernen, über das Miteinander in der Schule und ebenso über das tägliche Leben. Und ich hatte wieder das Glück, in einem tollen Kollegium zu arbeiten.»

«Wir haben viel zusammen gelacht»

Ihre Leidenschaft fürs Geräteturnen hat Hannelore Seidl nicht nur gegenüber ihren Schülern gezeigt. «Ich war im Turnverein Wattwil dabei», sagt sie mit glänzenden Augen. Sie hatte eine gute Zeit im Verein und war mehrmals mit den Stufenbarrenturnerinnen an kantonalen Turnfesten dabei. Dass sie die älteste Turnerin war, habe sie nie gestört. Auch im Turnunterricht habe sie bis zuletzt am Stufenbarren und an den Ringen vorgeturnt, sagt sie stolz.

Doch der Turnunterricht von Hannelore Seidl war nicht nur auf Leistung ausgerichtet. Sie war stets um ein gutes Verhältnis zu den Schülerinnen bemüht. Dazu gehörte, sie zu sich nach Hause einzuladen. «Dort haben mich die Jugendlichen anders erlebt und ich sie auch», sagt sie. An diesen Nachmittagen hätten sie jeweils sehr viel gelacht. Und ihre Guezli, gebacken nach DDR-Rezept, hätten auch geschmeckt.

Bis zur letzten Lektion hat Hannelore Seidl nicht an ihrer Berufswahl gezweifelt. «Ich wüsste heute noch keinen anderen Beruf für mich», sagt sie. Nachdenklich stimmt es sie, dass viele ihrer Studienkollegen verbittert und desillusioniert sind. Pläne für die Zeit ihrer Pensionierung hat Hannelore Seidl keine gemacht. «Ich habe bereits jetzt in meinem Leben viel mehr erlebt, als ich je erhofft habe. Ich bin mit meinem Platz in der Welt zufrieden.»

Sabine Schmid

sabine.schmid@toggenburgmedien.ch