Während des ganzen Jahres steht Pfarrer Oliver Gengenbach in Mogelsberg für die Gläubigen zur Verfügung. Während des ganzen Jahres? Nein. An drei Tagen schlägt sein Herz nur für die Basler Fasnacht.
Kaum zu glauben, wie laut und durchdringend der Klang eines so kleinen Instruments, man nennt es auch Schreiholz, sein kann. «Ich spiele deswegen nur mit Gehörschutz», sagt Oliver Gengenbach in ausgeprägtem Baslerdialekt, als er das Piccolo abgesetzt hat. Seine Herkunft erklärt denn auch die Leidenschaft des in Mogelsberg wohnhaften Pfarrers: die Basler Fasnacht. Er spiele jedoch nicht in einer der renommierten Cliquen, sondern in einem so genannten freien «Schyssdräggzigli», das während der «drey scheenschte Dääg» des Jahres mit Trommeln und Pfeifen durch die Basler Gassen zieht. Mit Üben sei er jetzt im Januar zwar spät dran — eigentlich hätte er im Juni damit beginnen müssen —, aber bis zum 6. März, wenn es um vier Uhr morgens wieder heisst: «Achtig! Morgestraich! Vorwärts, Marsch!», bleibe ja noch Zeit.
Die Stücke, die sie jeweils mit ihrem «Schyssdräggzigli» spielten, hätten teils militärischen Ursprung, teils seien es auch moderne Kompositionen. «Für Piccolo besteht eine lebendige Kompositionskultur. Diese modernen Stücke sind aber meist etwas über-originell und verschnörkelt zu spielen, so dass ich mich auf die bekannteren beschränke und bei den zwei, drei anderen aussetze», sagt Oliver Gengenbach. Eine kleine Verschnaufpause täte ohnehin jeweils gut. Denn das Piccolospiel brauche viel Luft, vor allem wenn es bergauf gehe und es auch noch kalt und rutschig sei. Zudem erfordere das Spielen eine rechte Lippenspannung, so dass es nach einiger Zeit zu Krämpfen kommen könne.
Doch nicht nur die Musikanten leiden unter den kalten Temperaturen. Auch für die Instrumente sind die Kälte und die Dauerbeanspruchung eine Belastungsprobe. «Es kann durchaus vorkommen, dass am Piccolo Dichtungen der Kläppchen abfallen und Federn brechen oder bei Trommeln das Fell reisst. Dafür gibt es während der Fasnacht extra Notfalldienste, die einem das Instrument express — freilich für gutes Geld — reparieren, so dass man gleich wieder weiterziehen kann.»
Trommel und Piccolo haben in der Familie Gengenbach eine lange Tradition. Gengenbach senior war während rund sechzig Jahren Mitglied und während zwölf Jahren Obmann, später dann Archivar, einer Fasnachtsclique. Dort lernte der Trommler auch eine hübsche Piccolospielerin kennen, die Oliver Gengenbachs Mutter werden sollte. Dennoch hat Junior Gengenbach erst mit Anfang 30 angefangen, das Piccolospiel zu lernen. «Als ich dann aber begonnen habe, die Tradition weiterzuführen, habe ich es innerhalb von gut eineinhalb Jahren erlernt», sagt der 50-Jährige. Beigebracht habe er es sich im Selbststudium anhand von Grifftabellen, Noten, Tonaufnahmen und durch Tipps von Freunden.
Neben dem Umherziehen durch die Gassen mit seiner kleinen Clique freue er sich, während der drei Tage wieder einmal die Familie und langjährige Freunde zu treffen. «Daher bedeutet für mich die Basler Fasnacht sozusagen Heimaturlaub für die Beziehungspflege.»
Lese- und Aluegtip: Peter A. Gengenbach, Alti Richtig 1926–2001. Geschichte einer Basler Fasnachtsclique.