Caroline Raither-Schärli hat die Leitung des Appenzeller Volkskunde-Museums in Stein übernommen. Die Ausgangslage war nach dem plötzlichen Abgang der früheren Geschäftsführung für die 39-Jährige nicht einfach. Trotzdem freut sie sich auf den Neustart des Hauses. Ihre Ideen, was sie in der Institution umsetzen will, sind vielfältig.
Im Erdgeschoss des Appenzeller Volkskunde-Museums in Stein sind noch im Rahmen der Sonderausstellung die geschnitzten Senntümer aus der Privatsammlung von alt Bundesrat Hans-Rudolf Merz ausgestellt. Doch bald wird umgestellt. Ab dem 5. März ist die Ausstellung zu den Reformtänzerinnen und Wollaposteln zu sehen. Es ist die erste Sonderschau, welche Caroline Raither-Schärli, neue Leiterin des Museums, eröffnet. «Viel hatte ich mit der Ausstellung nicht zu tun, da ich erst seit ein paar Wochen hier bin. Trotzdem ist mir dieser Moment als meine erste Vernissage hier im Haus sehr wichtig», sagt die 39-Jährige. Am 1. Februar hatte sie die Leitung der Institution übernommen.
Die Idee ist, dass Raither künftige Sonderausstellungen kuratiert. Doch ihre Anstellung umfasst mehr. Viel mehr. Die Museumsleiterin führt ins erste Obergeschoss in die Dauerausstellung. Im Raum mit den «Gaiser Wänden», im Renaissancestil bemalte Holzbohlenwände aus einer bäuerlichen Stube, hält sie inne. «Die Leute kommen meistens die Sonderausstellungen besuchen und wissen gar nicht, welche Schätze wir hier in der Dauerausstellung haben.» Diese will sie stärker ins Bewusstsein rücken. Dazu will sie einzelne Räume und Objekte, die grösstenteils der Stiftung für Appenzellische Volkskunde gehören, neu präsentieren, Vermittlungsangebote lancieren und vermehrt Führungen anbieten.
Der Tatendrang ist gross. Zwar befinde sie sich, wie sie selbst sagt, noch in der Orientierungsphase, in welcher sie den Betrieb und die Mitarbeitenden kennen lernt, doch sie steckt schon voller Ideen, in welche Richtung sich die Institution entwickeln soll. Alle Veränderungen sollen aber langsam und in stetiger Absprache mit dem Team umgesetzt werden, verspricht Raither. Jenes wurde in den vergangenen Monaten deutlich vergrössert: Raither hat als Geschäftsführerin/Kuratorin ein 80-Prozent-Pensum inne, Britta Müller wurde ebenfalls zu 80 Prozent angestellt und zeigt sich für das Marketing wie auch den Betrieb verantwortlich. Raffaela Lehmann ist Vollzeit angestellt und für die Bereiche Administration, Buchhaltung, Lohnwesen sowie für den Empfang zuständig. Insgesamt sind das mehr Stellenprozente als vorgängig der Museumsleitung zur Verfügung standen. «Das erlaubt uns natürlich mehr Möglichkeiten», so Raither.
Die Sonderausstellungen würden wie bis anhin weitergeführt, jedoch neue Schwerpunkte gesetzt. Die volkskundliche Thematik des Hauses könnte weiter gefasst und im Kontext von Themen aus den Bereichen Kunst oder Architektur ausgestellt werden, sinniert die neue Museumsleiterin. Die angesprochenen Möglichkeiten beinhalten aber auch die Museumspädagogik, welche neu im Appenzeller Volkskunde-Museum verankert werden soll. Und: Raither möchte das Profil des Museums schärfen. Will heissen: «Das Haus wird bislang zu wenig als Kulturinstitution wahrgenommen.» Die Inhalte des Museums sollen hierfür stärker nach aussen getragen werden. Um dieses Ziel zu erreichen, möchte die Museumsleiterin unter anderem den Shop des Museums neu gestalten. «Es ist sehr gut, dass bereits ein Shop mit breitem Angebot vorhanden ist. Er sieht jedoch zu sehr aus wie eine Touristeninfo und ein Souvenirladen. Wir müssen viel stärker auf qualitätvolle, regionale und nachhaltige Produkte setzen. Warum in Fernost hergestellte Massenware verkaufen, wenn an unserem Webstuhl im Museum selbst hochwertige Textilien hergestellt werden?»
Es ist der Blick von aussen, der ihr aktuell helfe, Stärken und Schwachstellen im Museum zu erkennen, so Raither. Die Abläufe lerne sie laufend kennen. «Ich werde sicher aber noch in das eine oder andere Fettnäpfchen treten, bis ich mit allem vertraut bin.» Die Kunsthistorikerin lebt in Sevelen, leitete zuvor das Museum Prestegg in Altstätten. Im Zuge der Einstellung des professionellen Museumsbetriebs wurde ihre Anstellung dort aufgelöst. Turbulente Zeiten hat sie hinter sich – genauso wie die Genossenschaft als Trägerin des Museums in Stein. Aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen über die Ausrichtung des Museums sowie die personelle Situation hatten sich die vorgängigen Co-Geschäftsleiterinnen dazu entschlossen, die Kulturinstitution zu verlassen. Vergangenes will Raither nicht aufwärmen, sie sagt jedoch, dass der Start in Stein gut verlaufe. Gespräche mit den Mitarbeitenden würden helfen, dass jene ihre Skepsis vor dem Neustart verlieren. «Mit den zusätzlichen Stellenprozenten ist auch immer eine Ansprechperson im Haus. Das verbessert den Austausch und kann viele Konflikte entschärfen.»
Alle neuen Ideen werden erst in Absprache mit der Stiftung, welche das Museum finanziert, umgesetzt. Diese erlebt Raither als «sehr offen und aufgeschlossen». Ihre Vorstellungen seien allerdings auch nicht aus der Luft gegriffen, sondern museologisch fundiert, so die 39-Jährige. Eine Zielvorgabe, wie viele Besucherinnen und Besucher bis Ende Jahr erreicht werden müssen, hat die neue Museumsleiterin nicht auferlegt bekommen. Aber sie will den Erfolg auch nicht in erster Linie in Zahlen messen. «Ich sehe einfach das grosse Potenzial dieses Hauses. Man kann es zu einer bedeutenden Grösse in der Museumslandschaft machen. Ich freue mich, mit meinem Team darauf hinzuwirken. Aber es ist ein Prozess, und der braucht seine Zeit.»