Eine Schiffsreise nach Buenos Aires, Erzählkunst von Volker Ranisch und kulinarische Köstlichkeiten aus der «Freihof»-Küche: Die Gäste des «Kulinarischen Kammerspiels» erlebten einen unvergesslichen Abend.
Organisiert durch das Team der Bibliothek Büelen in Nesslau und durchgeführt im Restaurant Freihof, Germen, stand am Samstagabend ein Treffen von Lyrik und Kulinarik auf dem Programm. Der in Mosnang lebende Schauspieler Volker Ranisch begleitete die Gäste auf eine fiktive Schiffsreise mit Start in New York und Ziel Buenos Aires. Seine Lesung, der auf knapp eine Stunde zusammengefassten Schachnovelle von Stefan Zweig, war Genuss für Ohren und Augen. Ebenfalls Genuss auf höchstem Niveau bot das «Freihof»-Team mit Küchenchefin Vreni Cutolo. Sie hatte sich ein Menü mit unverkennbar südamerikanischem Touch einfallen lassen. Wenn also Essen und Trinken Leib und Seele zusammenhalten und dazu ein kulturell-lyrisches Erlebnis auf höchstem Niveau geboten wird, kann der Abend nur als gelungen bezeichnet werden.
Bei der Schachnovelle beginnt das Ganze eher banal. Musik, das Besteigen eines Luxusdampfers, Einblick auf die oberflächliche Lebensweise gut betuchter Reisender und ein Schachweltmeister, mundfaul, überheblich und absolut nicht gesellschaftsfähig.
Doch nach dem leichten Einstieg und dem ersten Teil des kulinarischen Genusses wird die tiefere Bedeutung des 1942 erschienen Werkes von Stefan Zweig deutlich. Gekonnt und mit einer Sprache, die jeden Anwesenden in seinen Bann zieht, nimmt Volker Ranisch die Zuhörenden mit auf die Reise. Er erzählt von psychischen Abgründen, welche ein Gefangener der Gestapo erlebt hat. Dr. B., wie dieser in der Novelle genannt wird, taucht just in dem Moment auf dem Schiff auf, als ein reicher Ingenieur mit dem Namen Mc Connor gegen den Schachweltmeister Mirko Czentovic antritt. Dass diese Partie nur gegen Bezahlung eines stattlichen Betrages zustande kam, ist ein weiterer Beweis für die anfänglich oberflächlich gestaltete Geschichte.
Was im Dezember 1942 als limitierte Erstauflage mit nur gerade 300 Exemplaren auf den Markt kam, hat sich zu einem Weltbestseller entwickelt. Die Schachnovelle von Stefan Zweig verkaufte sich weit über eine Million Mal. Vielfach wird das Buch als Schullektüre verwendet und findet auch Anklang bei Literaturwissenschaftlern. Sie ist, und da trat Volker Ranisch den Beweis an, auch ein «Glücksfall ausgereifter Erzählkunst», wie der Germanist Rüdiger Görner unlängst betonte.
Doch was bringt einen weit gereisten Theater- und Filmschauspieler wie Volker Ranisch ausgerechnet ins Toggenburg? «Es war der Wunsch, irgendwo sesshaft zu sein, und die Schweiz hat mir schon immer gut gefallen. Als sich vor einigen Jahren dann die Gelegenheit bot, im unteren Toggenburg ein wunderbares Haus mit Garten zu erwerben, musste ich einfach zugreifen», so die bescheidene Aussage. Nebst Auftritten in der näheren Umgebung hat der frei schaffende Künstler auch Engagements in Berlin, Erfurt und St. Gallen. «Alles kein Problem, ich bin rasch am Flughafen, reisen ist einfach und erholen und auftanken kann ich dann wieder in meinem Zuhause.»
Volker Ranisch ist, dies durften die Gäste am Samstagabend erleben, ein Künstler zum Anfassen. Trotz Erfolge bei mehreren «Tatort»- und «Polizeiruf 110»-Folgen, trotz Engagement bei namhaften Theaterhäusern, unter anderem beim Deutschen Theater in Berlin, ist er bescheiden und unterhält sich gerne mit dem Publikum.
Adi Lippuner