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Eine 55-jährige Autofahrerin stiess im September 2017 in Gais mit einer Velofahrerin zusammen. Diese verletzte sich dabei. Die Autofahrerin wurde per Strafbefehl gebüsst und zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Dagegen wehrte sie sich nun vor Gericht.
Die 55-jährige Beschuldigte lenkte im September 2017 in Gais, Strahlholz, ihr Auto von einem Parkplatz; sie wollte über ein Trottoir nach rechts Richtung Gais fahren. Dabei übersah sie eine Radfahrerin, die von rechts kommend auf dem Trottoir Richtung Bühler fuhr. Die Fahrzeuge prallten zusammen. Die Velofahrerin zog sich eine Fussverletzung zu.
Auch wenn die Velofahrerin laut den gesetzlichen Bestimmungen gar nicht auf dem Trottoir Richtung Bühler hätte fahren dürfen – der Velostreifen dient Fahrenden Richtung Gais – «hätte die Beschuldigte sie sehen und entsprechend reagieren müssen», schrieb der Staatsanwalt sind seiner Anklageschrift. Schliesslich dürfe ein Trottoir auch von «fahrzeugähnlichen Fahrzeugen», wie Trottinett oder Skateboards, benützt werden, die auch nicht im Schritttempo gefahren würden.
Deshalb habe die Frau eine einfache Verkehrsregelverletzung und somit eine pflichtwidrige Unvorsichtigkeit begangen, so der Staatsanwalt. «Die Tatsache, dass die Radfahrerin sich ebenfalls falsch verhalten hat, vermag die Beschuldigte nicht von den ihr gemachten Vorwürfen zu entlasten», so der Ankläger.
Er verurteilte die Autolenkerin per Strafbefehl wegen mangelnder Aufmerksamkeit und fahrlässiger Körperverletzung zu einer bedingten Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu je 140 Franken (1400 Franken), bei einer Probezeit von zwei Jahren und einer (unbedingten) Busse von 400 Franken - ausserdem zur Bezahlung von Kosten und Gebühren Kosten von 680 Franken.
Dagegen erhob die Frau Einsprache. Deshalb kam es zum Prozess. Vor Gericht sagte die Frau, sie habe nach rechts, dann nach links geschaut; es sei ihr unmöglich gewesen, die Velofahrerin zu sehen; sie sei vorsichtig nicht ganz nach vorn gefahren.
Der Verteidiger plädierte auf Freispruch. Die Frau habe ihr Auto vorsichtig aus der Ausfahrt gelenkt; dagegen sei die Radfahrerin mit einer Geschwindigkeit von 24 bis 31 km/h die steile Strasse runtergefahren. Da könne man «laufen lassen». Er verwies auf das Strassenverkehrsgesetz (SVG), auf die Bestimmungen in Art. 26.1.: «Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet.» und Art. 31.1. «Der Führer muss das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann.»
Man müsse davon ausgehen können, dass sich andere Verkehrsteilnehmer korrekt verhielten, also niemand von rechts verbotenerweise das Trottoir benütze. Die Frau habe nach links geblickt, dorthin, woher der Verkehr kommen konnte. In ihrem Schlusswort sagte die Beschuldigte, es tue ihr leid.
Der Einzelrichter sprach die Autolenkerin zwar schuldig, reduzierte aber die Strafe: Er verurteilte sie zu einer bedingten Geldstrafe zehn Tagessätzen zu je 80 Franken und zu einer Busse von 200 Franken sowie zur Bezahlung der Kosten. Es spiele keine Rolle, dass die Radfahrerin nicht hätte auf dem Trottoir fahren dürfen.
Die Autolenkerin habe eine Sichtweite von 18 Metern gehabt. Die Velofahrerin sei weniger schnell gefahren als 25 bis 31 km/h, sonst wäre das Rad nach dem Zusammenprall weiter gerutscht. Wenn die Frau sich vorsichtig hereingetastet hätte, hätte sie das Velo gesehen und wäre gesehen worden. Die Zivilforderungen wurden auf den Zivilweg verwiesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.