Musikalische Spitzenklasse

Das weltweit gefragte Leipziger Streichquartett präsentierte in den vollbesetzten kleinen Casino-Sälen Delikatessen von Mozart, Mendelssohn und Brahms sowie ein modernes Opus von Jörg Widmann.

Ferdinand Ortner
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Das Leipziger Streichquartett mit dem neuen Primgeiger Conrad Muck (1. v. links) begeisterte in Herisau. (Bild: FO)

Das Leipziger Streichquartett mit dem neuen Primgeiger Conrad Muck (1. v. links) begeisterte in Herisau. (Bild: FO)

Im intimen Ambiente der kleinen Säle des Casinos eröffnete das renommierte Leipziger Streichquartett die Saison 2016/17 der traditionellen Konzertreihe mit delikater Kammermusik von W. A. Mozart, Felix Mendelssohn und Johannes Brahms. Dem romantisch-klassischen Programm verlieh ein Streichquartett von Jörg Widmann (geb. 1973) einen besonderen Akzent. Der Münchner gilt als bedeutender Komponist und als einer der besten Klarinettisten der Gegenwart.

Das Spitzenstreichquartett aus Leipzig – durch brillante Spielweise, faszinierende Klangsinnlichkeit und eminente Ausdruckskraft weltbekannt – brillierte mit begeisternden Interpretationen. Der neue Primgeiger Conrad Muck (seit 2015) überzeugte mit exzellentem Können und musizierte mit den kongenialen Partnern Tilman Büning (2.Violine), Ivo Bauer (Viola) und Matthias Moosdorf (Cello) in optimaler Harmonie.

Wunderbar die Klangkultur und der Sound sowie die Leichtigkeit und Souveränität der Vorträge. Man gewann den Eindruck, dass die künstlerischen Intentionen im persönlichen Zugang zur Musik und dem Erfassen der emotionalen Dimensionen der Werke zum gemeinsamen Wollen verschmolzen.

Eröffnet wurde der Abend mit Mozarts «Jagdquartett». Im rasanten Kopfsatz kamen das fröhlich bewegte Hauptthema (Jagdmotiv), die dynamischen Gegensätze und die belebenden spielerischen Elemente wirkungsvoll zur Geltung, ohne dass der Satz in die Konventionen traditioneller Jagdmusik abglitt. Nach dem galanten «Menuetto» mit dem graziösen Ländler gestalteten Primgeiger und Cellist das wunderschöne «Adagio» über weich vibrierendem Klanggrund als berührenden Zwiegesang, während der mit Esprit gespielte heitere Finalsatz fröhliche Tanzlaune versprühte.

Eine hochsensible Leistung der Musiker

In krassem Kontrast dazu stand das Streichquartett Nr. 4 von Jörg Widmann – ein ungemein anspruchsvolles Werk mit wechselnden Spielweisen und Klangfarben. Zum Werkverständnis war es sehr hilfreich, dass Matthias Moosdorf in die neuartige Kompositionsart einführte. Denn es war keine Musik «wie gewohnt». Der Komponist brach Tabus und vollzog einen Perspektivenwechsel. Die Musiker entwickelten hochkonzentriert aus dem Nichts heraus mit einer Vielfalt von Bewegungen, artfremden instrumentalen Klängen und menschlichem Atem eine gegenwartsbezogene rhythmische und tonale Struktur und schufen in schwebender Leichtigkeit und eigenartiger Atmosphäre ein harmonisches Ganzes. Eine hochsensible Leistung, mit stürmischem Beifall bedankt. Als Juwel der Kammermusik der Hochromantik erwies sich das Capriccio in e-Moll aus op. 81 von F. Mendelssohn. Das Quartett lotete die melodische Kantabilität und Melancholie des verträumten «Andante» gefühlvoll aus und liess die Pracht des Mendelssohn'schen Kontrapunkts im fulminanten, virtuosen «Allegro fugato» in leuchtenden Farben erblühen.

Den Konzertabend krönten die überragend musizierenden Künstler mit dem hochkarätigen Streichquartett in a-Moll, op. 51, Nr. 2 von Brahms. Bei diesem grossartigen Opus, das thematische Fülle und Kontrastierung, polyphone Satztechnik und reiche Formideen vermittelte, demonstrierte das Streichquartett elitäre Ausdrucksvielfalt.

Im leidenschaftlichen «Allegro»-Kopfsatz – einem Sonatensatz von hochkomplizierter Kontrapunktik – konnten Primgeiger und Cellist auch solistisch glänzen. Auf ein farbiges «Andante» folgten ein graziös-melancholisches «Menuett» und ein mitreissendes Finale mit scharf kontrastierenden Themen, diversen Reprisen und grosser Coda. Das stürmisch applaudierende Publikum wurde mit einem Bach-Choral als Zugabe belohnt.