Es war eine Sequenz in der Geschichte Grossbritanniens – der Streit zwischen den Königinnen von England und Schottland. Die Theatergruppe der Kanti Wattwil nahm sich des Themas an und feierte gestern Premiere.
Michael Hug
«Wir werden sehen!» Beide Königinnen, Elizabeth Tudor und Maria Stuart, beanspruchten den Ausspruch für sich, gefüllt mit der sicheren Erwartung, dass sich das Schicksal, das hier vorausgesagt wird, auf die richtige Seite springt. Man wird dann schon sehen, wer Königin von England werden wird. Vor allem bleiben wird: Elizabeth I. ist es ja aufgrund ihrer Geburt schon, aber eigentlich müsste es Maria sein, denn sie hat, was der Anderen fehlt: einen Ehemann. Männer spielen in beider Leben eine stereotype Rolle. Einerseits sind sie wichtig als Stütze der Macht, als Repräsentationsobjekt auch oder als Berater, andererseits spielen sie immer nur eine untergeordnete, wenn auch nicht vernachlässigbare Rolle. Solange sie der Prosperität der Macht nützen, heiratet man sie oder lässt sie zumindest leben, wenn sie eigene Ideen verfolgen, gar aufmüpfig werden, lässt man sie über die Klinge springen, heisst: Man hilft ihrem frühen Tod ein wenig nach. Bisweilen scheiden sie praktischerweise auch durch plötzliche Krankheit, zum Beispiel Pocken, aus ihrem Leben.
Die Geschichte der beiden Rivalinnen auf der britischen Insel im 16. Jahrhundert ist hierzulande in groben Zügen bekannt: Zwei ziemlich weit entfernt verwandte Cousinen sind durch ein glückliches Zusammenspiel von Zufall und Strategie Königinnen ihrer Länder geworden. Doch die eine, Maria, will mehr, sie will Königin von England und Schottland werden. Elizabeth I. erwehrt sich der Ambitionen durch List und Taktik sowie schliesslich mit der Hinrichtung der Konkurrentin. Wie es dazu kam, zeigte das Ensemble der Kanti In-Szenario in einem temporeichen Streifzug durch die Geschichte Englands im 16. Jahrhundert. Geschickt teilte Regisseurin Barbara Bucher den Plot in zwei Teile: einen Prolog, um die Ausgangsituation klärend auszubreiten, und einen zweiten Teil, der sich dem Drama um den schliesslichen Tod Maria Stuarts widmete.
Lustig war’s im ersten Teil, nicht mehr ganz so lustig dann das Finale nach der Pause. Ergötzend zeigten die Darstellenden die Lebensart der Adligen, ihre Ränkespiele zwischen Politik, Gesellschaft und Macht, ihre ureigenst menschlichen Bedürfnisse und Nöte wie Liebe, Selbst- oder Eifersucht. In einer berauschenden Kostümparty und mit horrendem Tempo wurde aufgezeigt, wie die beiden Protagonistinnen an die Macht kamen, sie wieder – teilweise – verloren, wie sie sich ihre Gatten zubereiteten oder abservierten, wie sie unter dem Einfluss zwielichtiger Berater standen und handelten und wie nicht zuletzt auch das Volk Einfluss auf die Politik nahm. Es war ganz schön viel Konzentration beim Publikum gefragt, um den komplizierten Heiratsstrategien und Intrigenspielen folgen zu können.
Wer lässt wen warum möglichst zeugenlos ermorden? Warum muss Maria Stuart aus Schottland fliehen, warum überhaupt erhebt sie Anspruch auf beide Throne? Warum handelt Elizabeth nicht konsequenter? Es klärt sich alles auf am Schluss und damit kehrt Ruhe ein in beiden Ländern. Der Preis dafür ist ein Königinnentod. «Wir werden sehen!», sagten Maria und Elizabeth im Prolog. Gesehen hat es die Welt vor gut 400 Jahren, gesehen hat es gestern das Publikum an der Premiere im Chössi-Theater und war begeistert. Es war eine Parforce-Leistung des jungen Ensembles und der beiden Hauptdarstellerinnen unter der Regie von Barbara Bucher, die innert 90 Minuten 50 Jahre Geschichte entstaubt und erfrischend authentisch auf die Bühne gelegt, ja regelrecht hingeschmettert haben.
Zweite Vorstellung von «Battle of Queens» der Theatergruppe In-Szenario heute Donnerstag Abend 19.30 Uhr im Chössi-Theater Lichtensteig.