LICHTENSTEIG: Ein Jahr für Anbau von Drogenhanf

Weil er fünf Jahre lang eine Indoor-Hanfplantage betrieben hat, erhält ein Schweizer eine bedingte Strafe von 20 Monaten. Zudem muss er dem Kanton und der SAK rund 130000 Franken abliefern.

Martin Knoepfel
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Drogenhanf-Pflanzen in einer Indoor-Plantage. (Bild: Iriana Shiyan (2. April 2014))

Drogenhanf-Pflanzen in einer Indoor-Plantage. (Bild: Iriana Shiyan (2. April 2014))

Ein Vorwurf ist die unrechtmässige Entziehung von Energie. Es geht aber nicht um einen Vampir, der seine Opfer nachts aussaugt und vor der Zeit ins Grab bringt, sondern um einen Neckertaler, der Stromzähler überbrücken lässt. Der Grund: Der Angeklagte betreibt während rund fünf Jahren bis im letzten Frühling erst eine, dann zwei und zuletzt drei Hanf-Indoor-Plantagen an seinem Wohnort. Dabei arbeitet er so professionell, dass die Nachbarn nichts merken. Wegen des Geruchs der Pflanzen montiert er etwa ein Abluftrohr vom Keller bis ins Dachgeschoss. Der polizeiliche Sachbearbeiter bewundert laut Staatsanwalt die handwerkliche Qualität der Einrichtungen. Die Stromzähler werden überbrückt, damit der Anstieg des Stromkonsums nicht auffällt. Zugleich spart der Angeklagte so 30 000 Franken. Allerdings fordert die SAK das Geld jetzt zurück. Gestern befasste sich das Kreisgericht mit dem Fall.

Zeitweise besitzt der Neckertaler über 700 Hanfpflanzen, die mehrere Ernten pro Jahr liefern. Für Erntehelfer geht die Anklageschrift von einem 50-Franken- Stundenlohn aus. Die Staats­anwaltschaft vermutet, dass der Neckertaler mindestens 110 Kilo Marihuana produziert und mindestens 78 Kilo für über 400 000 Franken dem dritten Mann in dieser Geschichte, der jetzt nicht vor Gericht steht, verkauft hat. Damit kommt zur Entziehung von Energie das wesentlich schwerere Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz hinzu.

45 Tage in der ­Untersuchungshaft

Im März kommt die Polizei dem Angeklagten auf die Spur, worauf er für 45 Tage in Untersuchungshaft kommt. Wie die Polizei die Plantage entdeckt hat, sagt die Staatsanwaltschaft nicht. Der Mann, der die Stromzähler ­überbrückt, wird im Dezember vor Gericht stehen. Der Haupt­abnehmer des Marihuanas und Mitbesitzer einer Plantage befindet sich nicht in der Schweiz.

Eigentlich müsste der Staat den ganzen Verkaufserlös ein­ziehen, sagt der Staatsanwalt, doch der Angeklagte habe den Grossteil der Einnahmen in die Plantagen investiert. Das Geld sei verloren. Damit wäre der Angeklagte mit hohen Schulden be­lastet, was die Resozialisierung behindere, begründet der Staatsanwalt die Beschränkung der Abschöpfung auf 100000 Franken.

Der Verteidiger sagt, dass keine Rückfallgefahr bestehe, da es unter den Bekannten seines Mandanten keine Drogenkonsumenten gebe und da sein Mandant den Kontakt zum Hauptabnehmer der Ware abgebrochen habe. Der Neckertaler sagt, sein Ziel sei ­immer gewesen, in den Hanf­anbau für Medizinalzwecke einzusteigen. Er habe mit dem Hanfanbau begonnen, weil sein an­gestammtes Geschäft schlechter gelaufen sei, und er habe den Absprung in die Medizinaltechnik nicht geschafft. Er habe aus ethischen Gründen Hanf mit nicht zu hohem THC-Gehalt angebaut und darauf geachtet, Pestizid-Rückstände im Marihuana zu vermeiden, sagt der Angeklagte. «Bio liegt im Trend», kommentiert der vorsitzende Richter knapp. Der Angeklagte ist während der Verhandlung guter ­Dinge. In der Pause gehen er, der Verteidiger und der Staatsanwalt zusammen Kaffee trinken.

Die Verhandlung findet im abgekürzten Verfahren statt. Der Angeklagte anerkennt die Vorwürfe der Anklageschrift und die Zivilforderungen. Die Strafe handeln Staatsanwalt und Verteidiger aus. Sie beträgt hier 20 Monate bedingt bei drei Jahren Probezeit sowie 3000 Franken Busse. Diese ist unbedingt. Da der Hanf­anbau gewerbsmässig erfolgte, geht man von zwei Jahren Gefängnis aus. Strafmindernd wirken sich ein umfassendes Geständnis und die Reue des Angeklagten aus. Zudem muss dieser dem Kanton 100000 Franken unrechtmässigen Vermögensvorteil abliefern und der SAK den unrechtmässig bezogenen Strom im Wert von 30000 Franken bezahlen. Dazu kommen Verfahrenskosten von fast 19000 Franken. Das Gericht übernimmt den Urteilsvorschlag. Das Urteil sei an der unteren Grenze, sagt der vorsitzende Richter.