LEIDENSCHAFT: Musiker mit Haut und Haar

Eugenio Steiner unterrichtet an der Musikschule Herisau. Er wuchs in Argentinien auf und begeisterte sich bereits in seiner Kindheit für Musik. Dass er in die Schweiz ausgewandert ist, kommt nicht von ungefähr.

Arcangelo Balsamo
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Luciano Pau (links) und Eugenio Steiner wurden dank Musik zu Freunden. (Bild: Arcangelo Balsamo)

Luciano Pau (links) und Eugenio Steiner wurden dank Musik zu Freunden. (Bild: Arcangelo Balsamo)

Arcangelo Balsamo

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@ appenzellerzeitung.ch

Eugenio Steiner steht vor dem Eingang des Musikgeschäfts von Luciano Pau an der Gossauerstrasse in Herisau. Er möchte eintreten. Pau hält die Tür zu und sagt lachend: «Du kommst hier nicht rein. Was willst du überhaupt hier?» Steiner reagiert ­gelassen auf die Spitze seines Freundes und tritt kurz darauf ein. Auf Italienisch fragt ihn Pau, ob er einen Kaffee möchte. Steiner gibt auf Spanisch Antwort und erhält sogleich eine Tasse.

Auch wenn sie nicht dieselbe Sprache sprechen, so funktioniert die Kommunikation problemlos. Oft reicht auch nur ein Blick oder eine Geste, um zu wissen, was der andere sagen möchte. Die zwei Freunde kennen sich seit etwas mehr als zehn Jahren. Verbinden tut sie die Musik, die für beide seit ihrer Kindheit eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielt.

Eugenio Steiner wuchs in Argentinien in einem Dorf in der Nähe von Córdoba auf. Dort setzte er sich mit sechs Jahren erstmals ans Klavier. «Meine Mutter war Klavierlehrerin und so erhielt ich zu Hause Unterricht», sagt Steiner. Als er etwa elf Jahre alt war, kam sein Vater auf die Idee, einen Musikverein zu gründen. Er fragte seinen Sohn, welches Instrument er in der Gruppe spielen möchte. «Ich antwortete ihm, dass es einfach nicht zu gross und nicht zu klein sein sollte», erzählt der 49jährige Argentinier. So ­begann er Klarinette zu spielen. «Ich habe es mir selbst beigebracht. Dafür habe ich am Klavier jeweils eine Taste gedrückt und dann nachgeschaut, welche Knöpfe ich auf der Klarinette für den gleichen Ton drücken muss.» Da es ihm leichtfiel, entwickelte er sofort Freude für das hölzerne Blasinstrument. Deshalb ging er nach der Sekundarschule nach Buenos Aires, um eine Aus­bildung zum Musiklehrer mit Hauptfach Klarinette zu machen. «Dank meines absoluten Gehörs konnte ich direkt im fünften Jahr einsteigen», sagt Steiner. Dass er ein solch ausgeprägtes Gehör hat, stellt er auch sogleich unter ­Beweis. Luciano Pau sitzt an einem Keyboard und spielt einige Akkorde, die Steiner problemlos nur am Klang erkennt.

Sein musikalisches Talent ­erlaubte es Eugenio Steiner, nach Boston an das Berklee College of Music zu gehen. Dort studierte er Jazzkomposition. «Dank einer Aufnahme, die ich mit meinem Bruder gemacht hatte, erhielt ich ein Stipendium. Ich war der einzige Bläser aus Argentinien, der in jenem Jahr eines bekam», sagt er.

Bischofszeller Wurzeln

Nach seiner Zeit in den USA kehrte er in seine Heimat zurück. Dort war er während mehrerer Jahre als Musiklehrer tätig, bis er sich vor etwa 15 Jahren entschloss, in die Schweiz auszuwandern. Bereits zuvor, im Jahr 2000, zog es seine Eltern aufgrund der Krise in Argentinien in die Schweiz nach Bischofszell. «Ursprünglich stammt meine Familie von dort», sagt Steiner. Er sei dann ebenfalls zuerst nach Bischofszell gegangen, bevor er in Herisau gelandet sei. «Seither war ich nie mehr in Argentinien», erzählt er. Zu Beginn sei es zwar nicht leicht gewesen: «Die Mentalität in der Schweiz ist eine andere als in ­Lateinamerika, und es fehlte mir das argentinische Fleisch. Aber mittlerweile fehlt mir nichts mehr.»

Seit er in der Schweiz lebt, musizierte Steiner bereits in mehreren Formationen. Unter anderem in der Swiss Army Big Band unter der Leitung von Pepe Lienhard. Ausserdem hat er ein Buch zum Thema Jazzimprovisation veröffentlicht. Aktuell macht er Reparatur- und Servicearbeiten für seinen Freund Pau, einen Master in Saxophon-Pädagogik am Winterthurer Institut für aktuelle Musik und er gibt Unterricht an der Musikschule Herisau. «Das Unterrichten bereitet mir besonders Freude. Es ist das Schönste, wenn man zuschauen kann, wie ein Schüler Woche für Woche besser wird», sagt Eugenio Steiner.