Wegen mehrfachen Diebstahls und weiterer Delikte, die er im Frühling und Sommer 2016 begangen hat, erhält ein 20-Jähriger eine bedingte Freiheitsstrafe. Zudem wird eine bedingte Geldstrafe aus dem Jahr 2016 nun fällig.
Acht Punkte führt die Staatsanwältin in der Anklageschrift auf, von denen mehrfacher Diebstahl und der versuchte Diebstahl am schwersten wiegen. Dazu kommen Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes respektive Drogenkonsum. Falsche Anschuldigung sowie Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz – gemeint ist die Weitergabe von Amphetamin an Freunde – und gegen das Waffengesetz runden das Menü ab. Der Beschuldigte, der am Dienstag vor dem Einzelrichter steht, ist ein 20-jähriger Schweizer aus dem Kanton St. Gallen. Er hat nach der Primar- eine Sonderschule besucht und eine zweijährige Lehre als Agrarpraktiker absolviert. Er arbeitet auf dem Bau.
Er ist vorbestraft, denn im April 2016 erhält er vom Untersuchungsamt Gossau per Strafbefehl eine bedingte Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 30 Franken. Die erste der jetzt zur Debatte stehenden Taten begeht er wenige Tage danach. Als er in Brunnadern eine an einer Mauer stehende Handtasche sieht, behändigt er das Portemonnaie und nimmt das Geld. Das Portemonnaie wird nicht mehr gefunden. Die Besitzerin der Tasche hat darum neben dem Schaden einen grossen Aufwand für den Ersatz der diversen Karten.
Zu diesem Delikt kommen Einbrüche in eine Käserei und in ein Restaurant im Alttoggenburg, die fast keine Beute bringen, aber 1500 Franken Schaden verursachen. Ferner hat der Angeklagte Marihuana und Amphetamine gekauft. Einen Teil der Amphetamine gibt er weiter, den Rest und das Marihuana konsumiert er selber. Bei einer Hausdurchsuchung findet die Polizei ein verbotenes Schmetterlingsmesser. Schliesslich schwärzt der Angeklagte seinen früheren Freund bei der Polizei an, indem er behauptet, dieser habe Kokain besessen. Vor Gericht sagt er, er habe dem anderen eine Falschaussage mit gleicher Münze heimgezahlt.
Alle diese Vorwürfe gibt der Angeklagte vor Gericht zu. Hingegen bestreitet er den Diebstahl von Geld und elektronischen Geräten im Wert von fast 5000 Franken aus dem in Wil gelegenen Haus des früheren Freundes. Auf einer Taschenlampe im Haus in Wil findet man die DNA des Angeklagten. Er erklärt das damit, dass er und sein Freund früher einmal in der Nacht verlorene Gegenstände im Garten gesucht hätten. Ins Haus gelangt der Täter, indem er durch ein Katzentörchen greift und ein Fenster öffnet. Die Opfer haben demgegenüber der Polizei erklärt, die betreffende Dynamo-Taschen- lampe sei seit Jahren nicht mehr benutzt worden.
Die Einbrüche in das Restaurant und die Käserei erklärt der Angeklagte damit, dass er Geld gebraucht habe und dass es einfach gewesen sei. Heute habe er kein Drogenproblem mehr, sagt er, denn Anfang Jahr habe er mit Kiffen aufgehört. Die grosse Zahl Ecstasy-Tabletten, welche die Polizei gefunden hat, habe er teils selber konsumiert, teils für eine andere – unbekannt gebliebene – Person aufbewahrt.
Die Staatsanwältin sagt, der Angeklagte habe beim Diebstahl in Wil Details genannt, die mit dem Bericht der Polizei übereinstimmten. Er habe auch die meisten Delikte anfänglich bestritten und den versuchten Einbruchdiebstahl in der Käserei erst zugegeben, als man ihn mit dort gefundenen DNA-Spuren konfrontiert habe. Die Staatsanwältin sieht die Voraussetzung für eine bedingte Strafe als nicht erfüllt an. Eine bedingte Strafe sei denkbar, wenn das Gericht eine Bewährungshilfe anordne. Das geschieht. Der Widerruf der bedingten Geldstrafe sei nötig, weil der Angeklagte in der Probezeit im gleichen Bereich delinquiert habe, sagt die Staatsanwältin.
Der amtliche Verteidiger beantragt einen Freispruch im Vorfall in Wil. Sein Mandant habe den Diebstahl in der ersten polizeilichen Einvernahme bestritten, in der zweiten zugegeben und vor der Staatsanwältin wieder bestritten. Der Rückzug des Geständnisses sei glaubhafter als das «dürftige Geständnis». Der Strafbefehl von 2016 sei zu einem Zeitpunkt zugestellt worden, da sein Mandant die Füsse nicht auf dem Boden gehabt habe, sagt der Verteidiger. Erst mit der zweiten Befragung durch die Polizei habe sein Mandant den Ernst der Lage erkannt. Jetzt sei dem Angeklagten klar, dass weitere Delikte schwerwiegende Folgen haben werden. Sein Mandant habe eine schwierige Kindheit gehabt, sodass eine Beistandschaft nötig gewesen sei, sagte der Anwalt. Die Weitergabe der Drogen haben keinen Gewinn erbracht. Der Verteidiger ist für eine bedingte Geldstrafe von 120 Tagessätzen plus 200 Franken Busse. Statt des Widerrufs der Geldstrafe von 2016 schlägt er die Verlängerung der Probezeit auf drei Jahre vor.
Der Richter spricht den Angeklagten jedoch in allen Punkten schuldig und verhängt eine bedingte Gefängnisstrafe von sechs Monaten. Dazu kommen eine bedingte Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 80 Franken – der tiefere Tagessatz von 2016 ist dem damals kleineren Einkommen des Angeklagten geschuldet – und eine Busse von 1000 Franken. Die Probezeit dauert drei Jahre.
Der Angeklagte muss sodann Verfahrenskosten von fast 12000 Franken, die Busse und die bedingte Geldstrafe von 2016 in Höhe von 2700 Franken bezahlen. Dazu kommen das Honorar für den amtlichen Verteidiger – wenn der Angeklagte wieder Geld hat – und Schadenersatz für die Besitzerin der Handtasche. Die anderen Opfer müssen ihre Forderungen in einem Zivilverfahren geltend machen. Somit bleibt der Richter etwas unter dem Antrag der Staatsanwältin.
«Ich sage es klipp und klar. Sie müssen etwas ändern, sonst kommt es nicht gut», sagt der Richter in der Kurzbegründung. Eine Freiheitsstrafe sei etwas anderes – und nichts Besseres – als eine Geldstrafe, die man bezahle oder nicht bezahle. Auch der Widerruf der bedingten Geldstrafe sei ein Zeichen, dass eine Verhaltensänderung nötig sei. Die neue bedingte Geldstrafe ist die Quittung für die Übertretungsdelikte. Momentan sei die Prognose für den Angeklagten wegen der neuen Arbeitsstelle, des neuen Wohnorts und wegen neuer Kollegen positiv, sagt der Richter.
Am Dienstag gibt es mit fünf Personen, ohne den Journalisten, unüblich viele Zuschauer. Neben einem Einbruchsopfer und dem Vater einer anderen Geschädigten ist auch die Mutter des Angeklagten anwesend, die zeitweise mit dem Schluchzen kämpft.