Daniel Bösch, Aushängeschild des Nordostschweizerischen Schwingerverbandes, hat sich akribisch auf die gestern begonnene Schwingsaison vorbereitet. Der gebürtige Kirchberger und heute in Zuzwil Wohnhafte sehnte den Saisonstart herbei. Er stand am Ostermontag erstmals im Ring.
Herr Bösch, Sie gehören seit Jahren zu den schweizweit besten Schwingern. Fühlen Sie sich in der Öffentlichkeit gut wahrgenommen?
Daniel Bösch: Ich spüre durchaus, dass ich wahrgenommen werde. Die Leute kennen mich und sprechen mich auf der Strasse auch an. Ich bin allerdings der Typ, der zu viel Rummel aus dem Weg geht. Am liebsten geniesse ich meinen Erfolg etwas abseits oder im Kreise von Freunden.
Was macht ein Schwinger in den Wintermonaten?
Bösch: Er trainiert sehr viel. Ich lege in den Wintermonaten die Basis für den ganzen Sommer. Ich habe diesen Winter sieben Trainingseinheiten in der Woche absolviert.
In anderen Jahren waren es jeweils fünf bis sechs.
Ist es schwierig, sich in dieser Zeit zu motivieren? Immerhin vergehen teilweise Wochen oder Monate, bis das erste Schwingfest ansteht?
Bösch: Mit Zielen vor Augen ist es einfach, sich zu motivieren. Mir macht das Schwingen noch immer grossen Spass. Klar ist es im Herbst manchmal etwas schwierig, sich nach einer langen Saison wieder aufzuraffen. Die Zeit um Weihnachten und Neujahr gibt mir dann aber einen Kick. Meistens habe ich jeweils kurz vor dem Beginn einen kleinen Durchhänger. Jetzt aber freue ich mich riesig, wenn es losgeht. Ähnlich wie die Kühe im Frühling, wenn sie zum ersten Mal nach draussen dürfen.
Täuscht der Eindruck oder haben Sie an Gewicht und Muskelmasse zugelegt?
Bösch: Der Eindruck täuscht nicht. Ich habe schon etwas zugelegt. Ich habe auch noch selten so intensiv und hart trainiert wie in den letzten Monaten. (Anmerkung der Redaktion: Daniel Bösch wiegt aktuell 135 Kilogramm). Wie bereits erwähnt, absolvierte ich wöchentlich sieben Trainingseinheiten – eine bis zwei mehr als bisher üblich. Mit dem Eidgenössischen habe ich ein klares Ziel vor Augen, da darf und muss man konsequent sein. Ich fühle mich gut und fit und bin gespannt auf die ersten Wettkämpfe. Sie zeigen mir, wo ich stehe.
Wie geht es Ihnen gesundheitlich, alles im grünen Bereich?
Bösch: Gut. Es hält alles. Ich habe keine Schmerzen.
Was macht Ihr Knie, in dem Sie vor drei Jahren das Kreuzband gerissen haben?
Bösch: Dem geht es sehr gut. Ich spüre es hie und da, wenn der Schnee kommt, was in diesem Winter ja nicht oft der Fall war. Beschwerden habe ich aber seit langem keine mehr.
Beobachten Sie auch andere Sportarten. Vielleicht liessen sich deren Trainingsprogramme in Ihr Training einbauen?
Bösch: Nein, das mache ich nicht. Schwingen ist zu komplex. Ich sehe zwar im Krafttraining andere Mannschaften. Deren Übungen lassen sich bei mir aber nicht integrieren. Ich sage mir, Fussballer sollen Fussball spielen, wir Schwinger schwingen. Am ehesten könnte man noch Vergleiche mit Judokas oder Ringern ziehen.
Hat sich die Entscheidung gelohnt, den Arbeitsplatz zu wechseln und mehr auf das Schwingen zu setzen?
Bösch: Ich habe vor einem Jahr als Metzger aufgehört und arbeite nun beim Lebensmittelgrosshändler Van Hees als Fachberater. Der Wechsel hat mir sicher etwas gebracht, weil ich nun weniger gebunden bin und meine Arbeitszeit selbständig einteilen kann. Auch ich spüre, dass ich nicht jünger werde und bin froh um die zusätzliche Erholungszeit, die sich durch diesen Schritt ergeben hat.
Sie waren letztes Jahr in England an der Rugby-WM. Gibt es Parallelen zum Schwingen?
Bösch: Rugby hat sehr viel Ähnlichkeit mit Schwingen. Die Zuschauer sind sehr fair, es wird nicht gepfiffen, genau wie bei unserer Sportart. Die Besucher im Stadion fiebern mit beiden Mannschaften mit. Die Akteure selber sind harte Burschen, akzeptieren aber jederzeit die Entscheide des Schiedsrichters – auch wenn es ein Fehlentscheid ist. Mir imponiert deren Disziplin und Mentalität. Wer fällt, steht wieder auf. Es ist ein «schös Luege».
Welches Spiel haben sie live gesehen?
Bösch: Neuseeland gegen Georgien. Als Fan von Neuseeland habe ich selbstverständlich mit den «All Blacks» mitgefiebert. Gerne hätte ich mir auch den Final Neuseeland – Australien (34:17) angeschaut.
Leider konnte ich mir keine Tickets sichern. Diese wären auch horrend teuer gewesen, aber wahrscheinlich hätte ich mir für einmal den Luxus gegönnt. Man ist nicht alle Tage an so einem Ereignis dabei.
Interessieren Sie auch noch andere
Sportarten?
Bösch: Durchaus. Ich bin am 16. März nach Manchester geflogen und habe mir tags darauf die Europa-League-Partie Manchester United – Liverpool angeschaut. Leider ist Manchester United durch das 1:1 aus der Europa League ausgeschieden. (Anmerkung der Redaktion: Liverpool hatte das Hinspiel mit 2:0 gewonnen.
Sie wohnen seit ein paar Monaten mit Ihrer Freundin Sandra in einer gemeinsamen Wohnung in Zuzwil. Wer schmeisst den Haushalt?
Bösch: Wir machen das gemeinsam. Putzen und Bügeln überlasse ich meistens ihr, aber ich habe durchaus eine Ahnung, wie ein Staubsauger aussieht. Ich stosse ihn auch durch die Wohnung. Sobald das Kabel spannt höre ich auf. (lacht laut)
Viele Metzger können gut kochen. Trifft dies bei Ihnen auch zu?
Bösch: Ob ich gut koche, müssen Sie Sandra fragen. Ich stehe aber sehr gerne in der Küche und Sandra hat sich bisher über meine Kochkünste noch nicht beschwert. Wir kochen auch häufig zusammen etwas Feines.
Habt Ihr schon Pläne betreffend
Familiengründung?
Bösch: Das hat noch Zeit. In diesem Jahr haben andere Dinge Priorität. (schmunzelt)
Wir haben uns erstmals nach dem Eidgenössischen 2007 in Aarau miteinander unterhalten. Sie holten damals Ihren bisher einzigen Kranz an einem Eidgenössischen. Zufrieden mit dem bisherigen Karriereverlauf?
Bösch: Ich habe einen eidgenössischen Kranz. Bin im Besitz eines eidgenössischen Titels (Anmerkung der Redaktion: Sieger beim Unspunnen 2011), habe mit Ausnahme des Appenzeller Kantonalen alle Kranzfeste der Ostschweiz mindestens einmal gewonnen, davon das St. Galler Kantonale fünfmal in Serie, was noch niemandem gelungen ist. Ich habe fast alle meine Ziele erreicht, bin aber immer noch hungrig nach weiteren Titeln. Es ist noch lange nicht an der Zeit aufzuhören.
Stimmt Ihr Fahrplan bisher in diesem im Jahr?
Bösch: Stand heute bin ich sicher im Fahrplan. Nach den ersten Schwingfesten wird sich weisen, ob sich der Mehraufwand gelohnt hat.
Nimmt es einer wie Sie etwas gelassener, der aufgrund einer Verletzung auf das letzte Eidgenössische verzichten musste?
Bösch: Ich glaube nicht, denn ich wäre schon sehr enttäuscht, wenn ich das Eidgenössische in diesem Jahr aufgrund einer Verletzung erneut verpassen würde. Seit meinem Kranz sind jetzt neun Jahre vergangen. 2010 habe ich ihn in Frauenfeld verpasst. Vor drei Jahren kam mir der Kreuzbandriss dazwischen. Es ist Zeit, wieder etwas zu reissen.
Wen sehen Sie als grösste Konkurrenten beim Eidgenössischen?
Bösch: Jeder ist ein Konkurrent. Ich habe vor sechs Jahren in Frauenfeld gegen Gegner verloren, gegen die ich im Vorfeld nie den Kürzeren zog. Letztlich muss man jeden schlagen, der einem zugeteilt wird. Klar sind die Berner zurzeit das Mass der Dinge, aber vielleicht schwingt sich einer in den Vordergrund, den bis jetzt noch niemand im Notizbuch stehen hat. Mit mir hat vor neun Jahren auch keiner gerechnet. Klar sind ein Matthias Sempach und ein Christian Stucki oder auch ein Matthias Siegenthaler die Topfavoriten.
Sind die Ostschweizer als Mannschaft stark genug, um in die Entscheidung eingreifen zu können?
Bösch: Wenn wir zusammen mit den Innerschweizern eine gute Einteilung erwischen und vielleicht etwas zusammenspannen, können wir sicher mit in die Entscheidung eingreifen. Wir Ostschweizer sind ein gutes Team, haben viele junge Schwinger, die aber sicher noch drei Jahre brauchen, um ihr Top-Level zu erreichen. Sie haben aber das Zeug, um einem Gestandenen das Fest zu vermiesen. Ich denke da an Giger, Leuppi, Kuster, Rhyner, Bühler, die beiden Schneider oder die Gebrüder Orlik.
Ist Ihnen bewusst, dass es mit 28 Jahren Ihre letzte Chance zum Königstitel ist? Laut Statistik hat sich bisher noch kein Schwinger zum König gekrönt, der dreissig oder älter war.
Bösch: Das mag sein. Da ich aber keine Rücktrittsgedanken hege, ist es möglich, dass ich ein weiteresmal dabei bin. Wer weiss schon, was in drei Jahren ist. Irgendwann wäre es auch an der Zeit, die Statistik zu widerlegen.
Apropos Statistik. Sie sagten vor zwei Jahren: «Mit 99 Kränzen höre ich nicht auf». Nun sind Sie bei 73. Gilt Ihre Aussage noch?
Bösch: Ja, die gilt noch. Wenn es optimal läuft, müsste ich noch vier Jahre schwingen, um die Hundertergrenze zu erreichen. Das ist aber nur möglich, wenn man von schwereren Verletzungen verschont bleibt.
Ihr viertes Schwingfest in diesem Jahr ist der Toggenburger Verbandsschwingertag. Was hat das Heimschwingen für eine Bedeutung für Sie?
Bösch: Das Toggenburger ist immer ein schöner Anlass. Man ist näher beim Zuschauer, findet auch Zeit für ein Gespräch und kann für die Unterstützung etwas zurückgeben. Etwas, das an Kranzfesten nur bedingt möglich ist. Was mich auch freut, dass das Fest in meiner Heimat Kirchberg stattfindet. Und zudem gehören einige meiner Schwingerkollegen dem Organisationskomitee an.
Wenn Sie wählen könnten, Königstitel im August oder zweiter Sieg am Unspunnen im kommenden Jahr, für was entscheiden Sie sich?
Bösch: Das ist jetzt eine ganz schwierige Frage. Klar hat der Königstitel einen grossen Stellenwert. In der 200jährigen Geschichte des Unspunnen hat noch kein Schwinger zweimal gewonnen.
Mit einem Sieg könnte ich etwas Einmaliges schaffen – das wäre doch auch reizvoll.