KIRCHBERG: «Brennpunkt Naher Osten»

Die Abstimmung über die Schaffung eines eigenen Kurdenstaates sehen Werner van Gent und Pascal Weber derzeit als aktuellstes Nahostproblem, wie sie im Herbstgespräch betonten.

Peter Jenni
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Gertrud Schmucki mit Pascal Weber (links) und Werner van Gent. (Bilder: Peter Jenni)

Gertrud Schmucki mit Pascal Weber (links) und Werner van Gent. (Bilder: Peter Jenni)

«Wie geht es in der Kurdenfrage weiter?», fragt Nahostexperte Werner van Gent einleitend seinen Gesprächspartner Pascal Weber, Nahostkorrespondent des Schweizer Fernsehens (SRF), im Herbstgespräch der Clientis-Bank Toggenburg. Die Antwort kommt prompt, «so was fragt man einen Journalisten nicht – ich habe keine Antwort». Zuvor hatte Gertrud Schmucki, Vorsitzende der Geschäftsleitung der Clientis-Bank Toggenburg, ihre Freude darüber ausgedrückt, dass sie einerseits die beiden Nahostkenner und andererseits viele Kundinnen und Kunden zum Herbstgespräch willkommen heissen konnte. Im Saal des Hotels Toggenburgerhof in Kirchberg, wo sich die Besucher im Anschluss an das Gespräch bei einem Apéro persönlich mit den Experten unterhalten konnten, blieb praktisch kein Stuhl leer.

Ganzer Naher Osten bedroht

Auch wenn die beiden Nahostexperten das Kurdenproblem aktuell als Brennpunkt sehen, täuscht dies nicht über die weiteren Nahostkonflikte hinweg. Die Kurden im Nordirak seien jetzt schon weitgehend autonom, betonten sie. Besondere Sprengkraft liege jedoch darin, dass die Abstimmung nicht nur in den eigenen Gebieten, sondern auch in jenen, welche die Kurden vom «Islamischen Staat» (IS) erobert hätten, stattfinden solle.

Dass die Türkei riesige Manöver abhalte, dürfe nicht als Drohgebärde abgetan werden, im Gegenteil, dies müsse man sehr ernst nehmen. Der Kurdenkonflikt sei noch lange nicht ausgestanden. Unter Erdogan habe man zuerst an eine Lösung geglaubt, doch dann sei die Kehrtwende eingetreten. Werner van Gent sagt: «Das Referendum der Kurden kann den ganzen Nahen Osten in die Luft jagen.» Zudem seien sie untereinander total zerstritten.

Der in Eschenbach (SG) aufgewachsene Pascal Weber berichtet seit 2010 über den Nahen Osten. Er ist überzeugt, dass der IS bis Ende Jahr, spätestens im Frühjahr 2018, am Ende ist, jedoch als Terrororganisation weiter bestehen werde und irgendwann vielleicht wieder zurück sei. Wie die Grenzen im Nahen Osten in einem Jahr aussehen werden, könne auch er nicht beantworten.

Werner van Gent sagte, es gebe immer wieder Momente, in denen man meine, es werde besser, und schon sei es wieder anders. Pascal Weber, seit sieben Jahren in Beirut wohnhaft, wo er seinen Sohn zwischen Panzern in die Schule begleitet und derzeit eine Reise nach Afghanistan plant, betonte, im Nahostkonflikt hätten alle Seiten schreckliche Kriegsverbrechen begangen. Zudem seien ganze Dörfer und Städte dem Erdboden gleichgemacht worden. Als besonders schlimmes Beispiel nannte er die Stadt Mossul im Irak. Wenn er wieder in den Kriegsgebieten sei, stelle er fest, dass sich die Menschen nach Gerechtigkeit sehnten. Als schlimm erachte er, dass die Kinder mit Gewehren spielten und aufeinander losgingen. Werner van Gents Aussage zum Schluss: «Für mich ist die Gefahr grösser, dass Atom in die Hände von Terroristen gelangt, als dass der Verrückte in Nordkorea eine mit Atom bestückte Rakete loslässt.» Danach beantworteten die beiden Experten verschiedene Fragen aus dem Publikum.