Im Umkreis von einem Kilometer befinden sich in Wattwil drei verschiedene Schulen, die Kampfkunst und Kampfsport unterrichten. Ein genauerer Blick zeigt: Alle drei können trotz unterschiedlicher Methoden und naher Konkurrenz ein Wachstum verzeichnen.
WATTWIL. Warum beginnt jemand mit Kampfsport? Die Beweggründe dafür variieren stark. Es gibt aber drei Hauptgründe: Der Wunsch, sich selber zu verteidigen und so selbstsicherer zu werden, langfristig gesünder zu leben, sowie das Nachahmen von Filmidolen aus der Kindheit. Das Wichtigste, um Fortschritte zu machen, ist im Kampfsport aber ganz klar die Selbstdisziplin, darüber sind sich die drei Männer einig, die in Wattwil jeweils eine Kampfkunst- und Kampfsportschule leiten.
14 Jahre ist es her, seit sich die erste Kampfkunst-Schule in Wattwil niedergelassen hat. 1999 wurde die Chin Woo Kung Fu-Schule von Peter Mouncher in Wattwil gegründet. Diese wurde dann 2005 von Peer Steinkellner unter dem Namen Xing Wu Guan übernommen und zog letztes Jahr von der Bleikenstrasse 56b zur 17 um. Im Juni 2008 hat Marcel Züger die zweite Schule Skema (Suny Kamay Energy & Martial Arts Academy an der Rickenstrasse eröffnet. 2009 folgte die dritte, die He Shang Do Schule, die seit einem halben Jahr den Namen des Lehrmeisters Halil Hancer, «Hancer Kampfschule» trägt. Drei Schulen, die trotz des nahen Umfelds alle ein Wachstum verzeichnen können. Was ist der Grund für die steigende Nachfrage nach Kampfsport und Kampfkunst?
Aus Peer Steinkellners Sicht hat die wachsende Nachfrage nach Kampfsport damit zu tun, dass unserer Gesellschaft bewusster wird, wie unsicher der Alltag sein kann. Die Hemmungen mancher Leute seien gesunken, im Vergleich zu früher. «Dazu kommt noch, dass die Chinesen ein anderes Körperbewusstsein besitzen, dessen Vorteile man bei uns nun auch für sich entdeckt. Meine Frau – sie ist Chinesin – würde mich im Winter nie leicht bekleidet vor die Haustür lassen», scherzt Peer Steinkellner. Halil Hancer erklärt sich das wachsende Interesse der Schüler an Kampfsport und Kampfkunst dadurch, dass er klare Strukturen und eine familiäre Atmosphäre bietet. «Ich lege bei meinen Schülern sehr viel Wert auf Disziplin und dass sie sich klare Ziele setzen», sagt Halil Hancer. Viele könnten durch die erlernte Disziplin ihre Verantwortlichkeit im Alltag verbessern und so mehr in die Gesellschaft integriert sein. Für Marcel Züger hat das Bedürfnis der Menschen, im Alltag ausgeglichener und fitter zu sein, zugenommen. «Das Schöne am Training ist, dass man müde vom Arbeitstag anfängt und energiegeladen nach Hause geht», so Marcel Züger. Viele Leute hätten gemerkt, dass das Workaholic-Leben langfristig keine Erfüllung bringt. Vor allem dann nicht, wenn das Wohlbefinden dabei verloren geht.
Trotz des gestiegenen Interesses an Kampfsport und Kampfkunst mussten Marcel Züger, genauso wie Peer Steinkellner und Halil Hancer für den Aufbau ihrer Kampfkunstschulen nebenbei noch arbeiten – teilweise auch heute noch. Man stecke sehr viel Zeit und Schweiss in das Aufbauen einer Schule und der Ertrag bleibe lange aus. Leider fehle vom Staat her noch die Unterstützung und Anerkennung der Vorteile von Kampfkunst und Kampfsport, bemängeln die drei Lehrer. Dabei lassen sich vor allem die Jungen für Kampfkunst und Kampfsport begeistern. Die Kinder- und Jugendkurse, welche alle drei Schulen anbieten, sind rege besucht.
Dass sich Kampfkunst und Kampfsport positiv auf die Gesundheit auswirken, sei ein wichtiger Aspekt, betonen die Leiter der Schulen. Auch fände eine Verbesserung der Koordinationsfähigkeit statt und das Selbstvertrauen könne gesteigert werden. Deshalb trainiere man bei Kindern vor allem das Wahrnehmen des eigenen Körpers. Jedoch ist das Trainieren von Kampfkunst und Kampfsport für Jugendliche mit Kosten verbunden. Trotz den zugesprochenen gesundheitlichen Vorteilen zahlen Krankenkassen nur bedingt Vergünstigungen für Kampfkunst und Kampfsport. Die Grundversicherung der Krankenkassen zahlt nur für therapeutische Leistungen. Es gibt aber einzelne Krankenkassen, die eine Zusatzversicherung anbieten, in deren Rahmen sie Beiträge an Kurse zahlen, die präventive Leistungen umfassen. Ob Kampfsport- und Kampfkunst-Kurse unterstützt werden, entscheide jede Krankenkasse für sich, so Silva Keberle von der Eskamedia AG, die auf Antrag Schulen zertifiziert, die solche präventiven Leistungen erbringen, zu denen Kampfkunst und Kampfsport gezählt werden. Dabei findet laut allen drei Trainern kein Austausch zwischen den nahe beieinander liegenden Schulen statt, um sich gemeinsam für allfällige Beiträge stark zu machen. Sie verfolgten unterschiedliche Philosophien, sagen alle drei. Der grösste Unterschied zwischen den Lehren scheint ihre Meinung zu Wettkampf und Übungskämpfen im Training zu sein. Auch in den Köpfen vieler Leute wird das Erlernen von Kampfkunst und Kampfsport oft mit Wettkämpfen und den daraus folgenden blauen Augen und blutigen Nasen verbunden.
In der Skema Energie und Kampfkunst Schule von Marcel Züger sind Wettkämpfe kein Bestandteil des Unterrichts. «Wir bieten Prüfungen und Intensivtrainings an. Den Fokus lege ich aber, wie der Name der Schule ausdrückt, auf den gesundheitlichen Aspekt der Kampfkunst. Das Erlernen der Selbstverteidigung, also das Schützen gegen Einflüsse von aussen, ist Teil davon, wobei mir Wettkämpfe eher destruktiv erscheinen», sagt Marcel Züger. Wenn jemand zusätzlich zu den Trainings noch mehr möchte, gibt es das Angebot für ein einmonatiges Intensivtraining im Skema-Hauptquartier auf den Philippinen.
Gemeinsame Intensivtrainings werden auch von der Hancer Kampfschule angeboten. Ein- bis zweimal pro Jahr können Interessierte im Ausland mehrere Wochen lang den ganzen Tag trainieren. Halil Hancer selbst hält viel vom Wettkampf und dessen Einfluss auf den Fortschritt im Training. Deshalb integriert er in sein reguläres Training auch Übungskämpfe. «Die Übungskämpfe, die wir während der Woche veranstalten, sollen auf den Ernstfall vorbereiten und die Reaktionsfähigkeit der Schüler fördern. So können meine Schüler unter Regeln gegeneinander antrete, wenn sie dies wünschen.»
In der Xing Wu Guan Schule von Peer Steinkellner, der selbst zehn Jahre Wettkampferfahrung hat, wird das Teilnehmen an Wettkämpfen angeboten, ist aber nicht direkter Bestandteil des regulären Unterrichts. Für die Freiwilligen arbeitet er eng mit einem Physiotherapeuten zusammen, um ein Trainingsprogramm zu entwickeln. Wem das noch nicht genug ist, der kann sich zusätzlich für ein mehrwöchiges Intensivtraining in China anmelden.