In Tunesien sind sie Stars

Nicht einmal als Geheimtip war es angekündigt, das Konzert der tunesischen Brüder «Amine & Hamza» – doch am Ende waren alle tief berührt von der Darbietung hier unbekannter Musiker.

Michael Hug
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Amine und Hamza M'Raihi brachten ihre Heimat und den Frühling nach Mogelsberg und versetzten das Publikum mit ihren Klängen in Verzückung. (Bild: Michael Hug)

Amine und Hamza M'Raihi brachten ihre Heimat und den Frühling nach Mogelsberg und versetzten das Publikum mit ihren Klängen in Verzückung. (Bild: Michael Hug)

MOGELSBERG. In Tunesien, im ganzen Maghreb, sind sie Stars, die Brüder Amine und Hamza M'Raihi. In der Deutschschweiz kennt sie kein Mensch, obwohl sie hierzulande sesshaft geworden sind. Nach dem Konzert am Samstagabend bei Kultur in Mogelsberg im «Rössli» sind es immerhin 40 Personen, die Bekanntschaft haben machen können mit dem aussergewöhnlichen Musikerpaar.

Das Konzert verlief völlig unspektakulär und war gerade deshalb so berührend. Zwei Musiker und zwei Instrumente brauchte es dazu nur und einen erfrischend «funkig» durchströmten arabischen Sound und das kleine Publikum war – auch wenn es dies nicht gleich zeigte – aus dem Häuschen.

Nur zwei Instrumente

«Amine & Hamza» spielen Oud, die arabische Kurzhalslaute der eine, und Qanun, die orientalische Zither, der andere. Und zwar ausschliesslich diese beiden Instrumente, trotzdem war der Abend nie langweilig, obwohl er auf die übliche eineinhalbstündige Dauer kam. «Amine & Hamza» schafften dies mit ihrem virtuosen Stil, mit feinfühligen Melodien und exzellent harmonischem Zusammenspiel. Ihre Musik bewegt sich in den Schemen der maghrebinischen Tradition, doch Amine M'Raihi tönte es zu Beginn an: «Wir wollen die Tradition weiterbringen.» In der Tat ist ihre Musik eine orientalische Vision des Jazz, durchbricht spielend die Barrieren der Folklore, ja es «funkt» ganz schön in ihren schnellen Stücken «Tunifunk» oder «Perpetual Motion», dem Titelstück ihrer neusten CD.

Viel Improvisation

Dabei improvisieren die Brüder viel. Wenn sie nach wenigen Momenten sich so richtig in ihre Lieder «eingearbeitet» haben, geht das Feuerwerk los, scheint der eine den anderen übertreffen zu wollen. Augenkontakte begleiten die musikalische Verständigung, «gesprochen» wird dabei nur mit den Fingern.

Mit Instrument gewachsen

Und die haben es in sich. Seit ihrer Kindheit musizieren die beiden auf ihren Instrumenten, wohl vermutet man, dass sie es immer noch mehrere Stunden täglich tun. Denn einmal drin im Groove, geht alles blind vor sich, und man beachte auch, dass weder Laute noch Zither irgendwelche Orientierungshilfen besitzen.

Aber urplötzlich schalten die beiden im nächsten Stück mehrere Gänge zurück, entführen von der quirligen Medina in die sinnliche Wüste und bedächtige Kamele scheinen die zuvor berittenen spritzigen Araberpferde als Fortbewegungsmittel abzulösen.

Wenig Text

Das sind Emotionen, ein Gefühl für die Musik, ein Beispiel dafür, die eigenen Gefühle auszudrücken und derer haben Tunesier bei der aktuellen politischen Lage nun beileibe genug. Eines der ersten gespielten Stücke heisst folgerichtig «Spring» (Frühling), ein anderes «Challenge» (Herausforderung). Text kommt in «Amine & Hamza's» Liedern leider selten vor, davon hätte man als Zuhörer gerne mehr gehabt, auch wenn, wie ein Beispiel zeigte, man die arabischen Worte nicht verstanden hätte – das Mitzuteilende wäre wohl trotzdem rübergekommen. Kultur in Mogelsberg ging mit «Amine & Hamza» ein Risiko ein, doch der Griff in die immer wieder überraschende Schublade der Weltmusik hat sich in jeglicher Hinsicht gelohnt.