Hundwil gibt sich auf

Fast wäre Hundwil einst zum Hauptort Appenzell Ausserrhodens bestimmt worden. Eine Landsgemeinde, die am 22. November 1597 in Hundwil zusammentrat, entschied mit knapper Mehrheit, dass Rathaus und Galgen in Trogen statt in Hundwil oder Herisau errichtet werden sollten.

Bruno Eisenhut
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Fast wäre Hundwil einst zum Hauptort Appenzell Ausserrhodens bestimmt worden. Eine Landsgemeinde, die am 22. November 1597 in Hundwil zusammentrat, entschied mit knapper Mehrheit, dass Rathaus und Galgen in Trogen statt in Hundwil oder Herisau errichtet werden sollten. Gemäss Chronik ist auf dem Landsgemeindeplatz in Hundwil eine Mehrheit von 101 Stimmen für Trogen gegenüber Hundwil ermittelt worden. Das damals ambitionierte Dorf Hundwil kam also an jenem Tag im Jahre 1597 nur ganz knapp um den würdevollen Titel «Ausserrhoder Hauptort». Gut 400 Jahre später ist es mit den Ambitionen in Hundwil nicht mehr weit her. Mehr noch: Es scheint, als hätten die kommunalen Behörden ihr eigenes Dorf aufgegeben.

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Ende des 18. Jahrhunderts lebten gegen 2000 Einwohner in Hundwil. Im Jahr 2000 waren es noch gut die Hälfte, Ende des vergangenen Jahres gar nur noch 975. Wegen fehlender Perspektiven im Bereich des Wohnens ziehen kaum Neuzuzüger ins Dorf. Und genauso dramatisch: Junge einheimische Familien ziehen weg und werden in den Nachbargemeinden oder gar in anderen Kantonen sesshaft.

Dieses Problem, das in unterschiedlichem Ausmass alle Gemeinden betrifft, hat auch die Kantonsregierung erkannt. Mit dem aktuellen Regierungsprogramm strebt sie eine Zunahme der Wohnbevölkerung im Kanton an. Unter anderem wird den Gemeindebehörden kostenlose Unterstützung in den Bereichen «Bauen & Wohnen» oder «Arealentwicklung» angeboten. Als einzige Gemeinde macht Hundwil keinen Gebrauch von der kantonalen Unterstützung. Die Chance auf eine erfolgreiche Arealentwicklung in der Hinterländer Gemeinde sei derart aussichtslos, dass der Support der Projektverantwortlichen gar nicht erst angefordert werden müsse, sagte Gemeindepräsidentin Margrit Müller-Schoch. Ein grosser Teil der Hundwiler Fläche ist im Besitz der Landwirte. Diese behalten das Land für Eigenbedarf oder fordern Realersatz, und im Dorfzentrum verhindert ein Erbstreit Vielversprechendes. Aber gerade für solche Probleme steht Hilfe bereit: Der Support, den die Gemeindebehörden bei den Projektverantwortlichen anfordern können, kann in Form von «Konfliktmanagement bei festgefahrenen Situationen von Wohnbauprojekten» anfallen. Hundwil wäre für diese Form der Unterstützung geradezu prädestiniert. Doch wer Hilfe will, muss diese auch anfordern. Fazit: Zeitgerechter Wohnraum ist und bleibt in Hundwil rar. Dass viele Gebäude im Dorfzentrum dem nationalen oder kommunalen Ortsbild unterstehen, macht das Ganze nicht einfacher. Möglichkeiten gibt es aber dennoch. An der Oberdorfstrasse in Herisau oder an der Bergstrasse in Trogen stehen Beispiele, wie in Zusammenarbeit mit den Projektverantwortlichen des Regierungsprogramms und dem kantonalen Denkmalschutz aus alten Gebäuden nicht nur zeitgerechte Wohnhäuser entstehen können, sondern zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden kann.

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Vor Jahresfrist wehrten sich zahlreiche Petitionäre vehement gegen die vom Kanton geplanten Verbesserungsmassnahmen der Ortsdurchfahrt Hundwil. Die Folge davon: Die Pläne zur Sanierung der Ortsdurchfahrt schlummern nun in den Schubladen des kantonalen Tiefbauamts und warten mit geringer Priorität auf weitere Bearbeitung. Es macht den Anschein, dass alles, was vom Kanton kommt und Änderungen mit sich bringt, in Hundwil auf Desinteresse stösst.

Anders sieht es bei den Finanzen aus. Dort nimmt Hundwil, was vom Kanton kommt. Rund 1,3 Millionen Franken fliessen jährlich via Finanzausgleich in die Gemeindekasse. Damit wird das ehemalige Landsgemeindedorf zum Empfänger des dritthöchsten Betrags aus dem Finanzausgleich. Würde dieser Beitrag aus der Kantonskasse wegfallen, müsste der Steuerfuss von aktuell 4,3 Einheiten auf 7,6 Einheiten angehoben werden. Spätestens dann würde die Einwohnerzahl in Hundwil endgültig zusammenbrechen – das Dorf könnte schliessen.

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Kurz nach ihrem Amtsantritt im Jahr 2011 nannte Gemeindepräsidentin Margrit Müller-Schoch in dieser Zeitung ihre Ziele. So strebe sie ein gesundes Wachstum an, die Einwohnerzahl solle sich wieder auf etwas über 1000 steigern. Dieses Vorhaben zeigt, dass der Wille da ist. Die Realität aber beweist, dass es an der nötigen Umsetzung fehlt. Zu sagen ist aber auch, dass sich die Realisierung verschiedener Projekte für die Gemeindebehörden als äusserst zäh erweist, wenn sich die Bevölkerung gegen alles sträubt. Was folgt, ist Schwerfälligkeit; der Kampf gegen Windmühlen macht träge. Und hier zeigt sich eine der Schwächen des Milizsystems. Wer die Arbeit für die Gemeinde am Abend, an Randzeiten und an Wochenenden erledigen muss – und zudem immer wieder auf Granit beisst – verliert den nötigen Elan, um etwas zu bewegen.

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Bleibt zu hoffen, dass sich die Einheimischen auf die Stärken ihrer Vorfahren besinnen. Jene Vorfahren, welche Hundwil vor gut 400 Jahren beinahe zum Ausserrhoder Hauptort gemacht hätten. Zeit, um in den Erinnerungen zu schwelgen, bleibt den Hundwilern während den «ARAI 500»-Festspielen auf ihrem Landsgemeindeplatz zur Genüge.