HERISAU: Zeugen der Textilblüte

Die 24. Europäischen Tage des Denkmals widmen sich dieses Jahr dem Thema «Macht und Pracht». Ausserrhoden präsentiert sich mit den Bauten der Textilbarone.

Karin Erni
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Architekt Arnold Flammer (links) kennt die Geschichte des Walserschen Doppelhauses in Herisau. (Bild: Karin Erni)

Architekt Arnold Flammer (links) kennt die Geschichte des Walserschen Doppelhauses in Herisau. (Bild: Karin Erni)

Karin Erni

karin.erni@appenzellerzeitung.ch

Knapp 50 Personen haben sich am Samstagmorgen vor dem ­Museum Herisau eingefunden, um an einer Führung durch das Dorfzentrum teilzunehmen. ­Anlass waren die Europäischen Denkmaltage, die sich dieses Jahr dem Thema «Macht und Pracht» widmen.

Das Appenzellerland verfügt zwar über keine Schlösser und Prunkbauten, doch auch hier gibt es interessante Zeitzeugen zu bestaunen. Heimische Textilfabrikanten hatten sich im 18. Jahrhundert zahlreiche repräsentative Gebäude erstellen lassen. Die grosszügigen verputzten Fachwerkbauten unterschieden sich stark von den Appenzeller Bauern- und Stickerhäusern der Umgebung und zeugten vom wirtschaftlichen Erfolg ihrer Besitzer.

Museumskurator Thomas Fuchs widmete sich im Rundgang zuerst den Gebäuden der Textilhändlerfamilien Wetter und Zölper, die in Herisau gleich meh­rere Häuser bauen liessen. Das bekannteste ist das reich verzierte Wetter-Haus gegenüber der Kirche, das Handelsherr Johann Laurenz Wetter erbauen liess. In Sichtdistanz steht das Haus Rose, das die Raiffeisenbank beherbergt. Es gehörte dem Kaufmann und Landammann Adrian Wetter. Beide Häuser wurden 1737 von Baumeister Jakob Grubenmann aus Teufen erbaut. Danach ging’s in den Rosengarten. Die barocke Parkanlage gehörte früher zum Haus Rose. Um in den Garten zu gelangen, mussten die Eigentümer über verschiedene andere Grundstücke gelangen, was gemäss Thomas Fuchs immer wieder zu Nachbarschaftsstreitigkeiten geführt hat.

Die Familie Zölper war gemäss Thomas Fuchs «eine kleinere Nummer» im Textilgeschäft. Das Haus Harmonie wurde 1786 für den Textilkaufmann Daniel Zölper erbaut, die «Ilge» durch Johann Jakob Zölper repräsentativ umgebaut. Eine weitere Zölper-Villa befindet sich an der äusseren Schmiedgasse. Auf dem Rückweg ins Dorf wurde noch ein Blick auf die im frühen 20. Jahrhundert erbauten Industriellenvillen Bücheler und Sonnegg geworfen. Deren Erbauer hatten sich einen gesünderen Wohnsitz mit Sonne und frischer Luft, aber mit unverbaubarem Blick auf ihre Fabrikationsanlagen geleistet. An der Poststrasse befinden sich mit dem Postgebäude und dem Gemeindehaus zwei Repräsentationsbauten aus dem 19. Jahrhundert. Das aufstrebende Herisau war zu jener Zeit 14.-grösster Ort der Schweiz und erhielt von der Post ein Gebäude im Bundeshausstil spendiert.

Der Rundgang endete beim Walser’schen Doppelhaus neben der Kirche. Dieses stand für eine Besichtigung offen. Architekt ­Arnold Flammer hat sich intensiv mit der Geschichte des Baus auseinandergesetzt und konnte spannende Einzelheiten aus der Familiengeschichte des Textilkaufmanns und Kunstverlegers Johannes Walser und seinem erfolglosen Sohn Gabriel erzählen. Das Haus fiel schliesslich an den erfolgreichen Arzt Dr. Würzer, der gleich auch noch Gabriels Frau ehelichte.