In Heiden wurde am Dienstagabend der Bevölkerung der überarbeitete Voranschlag präsentiert. Der grosse Aufmarsch hatte aber einen anderen Hintergrund: Die Kandidierenden für die freien Sitze im Gemeinderat und der GPK stellten sich vor. Erstmals stellte sich der neue Gemeindepräsidiumskandidat Robert Diethelm den Fragen der Bürgerinnen und Bürgern.
Mit solch einem regen Interesse hatte Gemeindepräsident Gallus Pfister nicht gerechnet. «Wir hatten innerhalb des Gemeinderates gerätselt, mit wievielen Besucherinnen und Besucher wir rechnen dürfen. Aber das hier übertrifft jegliche Erwartungen.» Am Dienstagabend wurde im Kursaal in Heiden der überarbeitete Voranschlag der Bevölkerung vorgestellt. Im Anschluss präsentierten die Parteien die Kandidierenden, welche sich im Rahmen der Gesamterneuerungswahlen am 16. April für die vakanten Sitze im Gemeinderat, in der Geschäftsprüfungskommission (GPK) und für das Gemeindepräsidium zur Verfügung stellen. Letzteres ist von besonderem Interesse, legt doch Gallus Pfister nach acht Jahren an der Spitze der Vorderländer Gemeinde sein Amt nieder.
Einziger Kandidat für seine Nachfolge ist Robert Diethelm. Der 55-Jährige stellte sich an jenem Abend das erste Mal den Fragen der Bevölkerung. Er wohnt in Winterthur und arbeitet seit rund 15 Jahren in verschiedenen Führungsfunktionen in Bereich der internationalen Beziehungen des Verteidigungsdepartementes in Bern. Zuvor war er für die UNO in Bosnien und als stellvertretender Direktor des Internationalen Minenzentrums in Genf tätig. Dieser Lebenslauf sorgte denn für Ehrfurcht in den Publikumsrängen. «Fühlen Sie sich nicht überqualifiziert?», war die erste Frage, mit welcher sich Diethelm konfrontiert sah. Jener verneinte. Für ihn sei der Wechsel in die Exekutive ein Schritt ins Unbekannte. «Ich habe Respekt vor der Aufgabe und vor dem Umgang mit den Bürgerinnen und Bürgern.»
Ob ihm bewusst sei, dass er künftig wohl deutlich weniger Geld verdienen würde, folgte als zweite Frage. Diethelm lächelte und entgegnete, dass er das Entschädigungsreglement der Gemeinde gesichtet und es als fair empfunden habe. Zu guter Letzt wollte ein Votant noch wissen, ob dem Kandidaten die Möglichkeit geboten wurde, in den Alltag auf der Gemeindeverwaltung «reinschnuppern» zu dürfen. Diethelm wies auf die kurze Zeitspanne seit Bekanntgabe seiner Kandidatur hin. Dies liess ein Einblick bislang nicht zu.
Für den vakanten Sitz im Gemeinderat kandidiert die 41-jährige Sabrina Butz. Die Psychologin und Personalfachfrau entschied sich erst vor wenigen Tagen, die Nachfolge von Brigitt Mettler antreten zu wollen. Und Einsitz in der GPK möchte der 20-jährige Berufsmaturand Luca Franco nehmen.
Zu angeregten Diskussionen führte dies allerdings alles nicht. Auch der überarbeitete Voranschlag scheint unbestritten. Nachdem die Stimmbürgerschaft vergangenen November die erste Fassung bachab schickte, legt der Gemeinderat den überarbeiteten Vorschlag ohne Steuererhöhung vor. Bei einem Gesamtaufwand von 30,2 Millionen und einem Gesamtertrag von 30,5 Millionen liegt der Ertragsüberschuss neu bei 300'000 Franken. In der ersten Fassung war noch ein Plus von 700'000 Franken vorgesehen gewesen. Doch aufgrund des Verzichts auf die Steuererhöhung und leichten Anpassungen im Aufwand hätte sich die Summe des Gesamtertrags geändert. Bei den Investitionen wurde nichts gestrichen, lediglich verschoben.
Eine Steuererhöhung notwendig hätte vor allem der 16 Millionen teure Neubau der Mehrzweckhalle Gerbe gemacht. Dieser ist vorübergehend auf Eis gelegt. Der Gemeinderat hat für diesen Sommer eine Konsultativabstimmung angekündigt. «Wir sind ratlos», so Vizegemeindepräsident Hans-Peter Häderli anlässlich der Versammlung am Dienstagabend. «Wir können uns kein klares Bild vom Willen der Bevölkerung machen.» Hintergrund: Im Sommer 2018 sagten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger Ja zum Gerbe-Projekt, den Voranschlag 2023 mit der für den Neubau notwendigen Steuererhöhung lehnte das Volk jedoch deutlich ab. Man wolle jetzt den Resetknopf drücken, so Häderli, um den «Elefanten im Raum einordnen zu können». Einen kleinen Plüschelefanten hatte der Gemeinderat denn auch dabei. Ihn Diethelm symbolisch zu übergeben, erachtete Häderli eigenen Angaben zufolge aber als gemein, weshalb er dies unterliess.
Sauer stiess der Elefant dem ehemaligen Regierungsratsmitglied Köbi Frei jedoch auf, der im Publikum sass. Er erachtete ihn als Provokation. Und: Konsultativabstimmung verordne man nur, wenn man nicht mehr weiter weiss. Er forderte einen Plan B, falls das Projekt an der Urne abgelehnt würde. Ein weiterer Votant wollte wissen, ob man bezüglich Einspracheverhandlungen zumindest vorwärts komme. Der Gemeinderat musste dies verneinen.
Über den überarbeiteten Voranschlag wird in Heiden am 16. April abgestimmt.