Mit grünen Wasserfarben malen Kinder und Bewohnende des Alterszentrums Heinrichsbad ein Gemälde. Dabei verständigen sich die Bastlerinnen und Bastler auf ihre eigene Art und Weise.
Sie wirken wie ein eingespieltes Team. Noch keine fünf Minuten malen neun Kinder des Kindergartens Müli mit acht Bewohnenden des Alterszentrums Heinrichsbad der Stiftung Leben im Alter (LiA) in Herisau. Die Atmosphäre im kleinen Atelier im dritten Stock macht den Anschein, als wären die Bastelnden bereits mehrere Stunden beschäftigt. Versunken in der Arbeit malen die Kinder und die alten Menschen gemeinsam mit grünen Wasserfarben.
Der Grund für den Besuch der Kindergartenklasse ist ein Generationenprojekt. Chantal Sutter, Leiterin Tages- und Nachtstrukturen der Stiftung Leben im Alter, sagt:
«Häufig fehlen Begegnungen mit anderen Generationen.»
Durch körperliche Einschränkungen sei es alten Menschen oft unmöglich, Kinder im täglichen Leben anzutreffen. Sutter sagt, mit dem Projekt möchte sie diese Kontakte ermöglichen. Die Stiftung organisiert deshalb seit einigen Jahren, mit Schulen und Kindergärten in Herisau solche Generationentreffen. Nach einem Pandemieunterbruch finden seit Februar die Treffen wieder regelmässig statt.
Alle, die Kinder und die alten Menschen, können voneinander lernen, sagt Sutter. Für Bewohnende sei der Austausch wichtig für das Selbstwertgefühl. Viele Seniorinnen und Senioren schätzen auch die Ehrlichkeit der Kinder. Sutter sagt, «die alten Menschen lernen wieder mehr zu lachen.»
Jasmin Keller ist Kindergartenlehrperson und betrachtet von der Türschwelle aus, wie ein Kind mit einer Seniorin rote und gelbe Schmetterlinge auf das grün bemalte Papier klebt. Es sei schön zu sehen, wie sehr sich die Kinder auf die Zusammenarbeit einlassen, sagt sie. «Man könnte meinen, es ist ihre Oma.»
Keller sagt, bereits die Anreise mit dem öffentlichen Verkehr sei für die Kinder ein Erlebnis. 20 Minuten dauert die Busfahrt durch Herisau. Da gebe es bereits viel zu entdecken, so Keller. «Anfangs waren die Kinder skeptisch gegenüber dem Besuch im Alterszentrum. Jetzt fragen sie fast jede Woche, wann sie wieder gehen dürfen.»
«Die Kindergartenklasse kommt einmal pro Monat für eine Stunde», sagt Sutter. Es gebe aber auch Zusammenkünfte mit älteren Kindern, die unregelmässiger oder in Blockwochen durchgeführt werden. Organisiert werden die Treffen von den Aktivierungs-Fachleuten der LiA und den betroffenen Klassenlehrpersonen.
Eine Seniorin zuckt mit den Schultern. Sie hat eine Schere und ein blaues A4-Papier mit schwarz aufgezeichneten Formen in den Händen. Ob sie es schön finde, mit den Kindern zu basteln: «Ja, ja,» sagt sie. Leider sehe sie die Muster nicht, die sie ausschneiden soll.
Viele Bewohnende sind Dement, deshalb sind die Namen der Kinder und der Bewohnenden Nebensache. Es gebe auch einzelne Kinder, die nur wenig Deutsch sprechen, sagt Keller, und auch das sei kein Problem. Die Bastlerinnen und Bastler verständigen sich auf ihre eigene Art und Weise.
Heute hat Sutter die Bewohnenden der LiA erst eine Dreiviertelstunde vor dem Treff informiert und zum Bastelnachmittag eingeladen. Das sei bewusst so, sagt sie, einige Bewohnende würden den Termin sonst vergessen.
Ein Kindergärtner steht auf und holt ein Glas beim Eingang des Ateliers, ihm gefalle das Basteln, sagt er. Und er habe gerade Glitzerstaub auf das Papier geklebt. Was hier nun schöner ist als im Kindergarten? Hier gebe es Apfelsaft statt Wasser zum trinken.
Kurz nach 15.30 Uhr ist der Treff zu Ende. Einige Bewohnerinnen gingen bereits vorzeitig an die Sonne. Das Resultat des Nachmittags: Ein etwa fünf Quadratmeter langer, bemalter, beklebter, mit Glitzer verzierter Papierstreifen. Das Bild werde später halbiert, sagt Sutter. Eine Hälfte werde im Alterszentrum ausgestellt, die andere Hälfte komme in den Kindergarten.
Draussen wartet der Bus. In einem Monat werden die Kinder zurückkehren. Ob sie dann mit den Seniorinnen und Senioren basteln, in der Küche backen oder im Garten spielen, hängt vom Wetter ab.