Inge Schmid, die Regierungsratskandidatin der SVP Appenzell Ausserrhoden, erregt mit ihrem Wahlslogan schweizweit Aufmerksamkeit. Die Rechnung könnte aufgehen – auch wenn es nicht allen gefällt.
In Teufen ist es sogar den Viertklässerinnen aufgefallen: Auf diesem Plakat stimmt etwas nicht. Kurzerhand schaffen sie den «Fehler» eigenhändig aus der Welt. Mit Schneebällen verpassen sie der als Mann bezeichneten Frau auf dem Plakat einen Schnauz. Ordnung muss sein, gerade in diesem Alter.
Ironieverständnis setzt einen gewissen kognitiven Entwicklungsstand und etwas Hintergrundwissen voraus. Was die Mädchen trösten könnte: Der Wahlspruch «Unser Mann für Ausserrhoden» neben Konterfei und Name einer Frau hat nicht nur sie verwirrt. Entsprechend unterschiedlich fallen die Reaktionen auf das Wahlplakat von Ausserrhodens SVP-Regierungsratskandidatin Inge Schmid aus: Von amüsiert bis entsetzt war in dieser Woche in den sozialen Medien, Leserbriefen und Online-Kommentarspalten fast alles anzutreffen. Humor – und so sei der Slogan gemeint, betont Inge Schmid – ist bekanntlich Geschmackssache. Vor allem, wenn der Empfänger der Botschaft die kleine geistige Strecke verweigert, die er selber gehen muss, um das Gemeinte so zu verstehen.
Anspielung auf die frauenarme FDP
«Mir ist die Ernsthaftigkeit dieses Wahlkampfes bewusst», sagt die SVP-Kandidatin auf Anfrage der Ostschweiz am Sonntag. Im Vorfeld des Wahltermins vom 12. Februar Aufmerksamkeit zu erregen, kommt aber auch ihr und der Partei entgegen. Inge Schmid weist auf die «eigentliche Ironie» hin, dass die FDP, welche Anspruch auf den freiwerdenden Sitz von Regierungsrätin Marianne Koller-Bohl erhebt, es «nicht geschafft hat, eine Frau aufzustellen». Denn mit dem Ausscheiden von Koller-Bohl verlässt die derzeit einzige Frau das Ausserrhoder Fünfergremium. «An der FDP wäre es gewesen, diesen Missstand zu beheben.» Als diese stattdessen mit Dölf Biasotto einen weiteren Mann ins Rennen schickte, sah die SVP ihre Chance gekommen, dagegen mit einer Frauenkandidatur zu punkten – und mit dem Slogan «Unser Mann für Ausserrhoden» etwas zu provozieren.
Zumindest mit letzterem scheint die Rechnung aufzugehen. «Eine solche Kampagne entspricht unserer Ansicht nach in keiner Weise einem zeitgemässen Frauenbild», wettert der Vorstand der Frauenzentrale Appenzell Ausserrhoden. «Sie zementiert unnötig die falsche Vorstellung eines rückständigen Kantons», heisst es in der Stellungnahme. Dass es eine Partei in der heutigen Zeit noch für nötig befinde, ihre Kandidatin als Mann anzupreisen, irritiere. «Das finden wir nicht witzig.»
«Wir haben unser Ziel erreicht, wenn man darüber redet», sagt die Angesprochene gelassen. Sie sei sogar froh, dass nun eine Debatte darüber losgetreten sei, wie sich Frauen in der Politik einzubringen hätten. «Ich stehe zu meiner Weiblichkeit, sonst hätte ich gar nicht den Mut gehabt, diesem Slogan zuzustimmen.» Und etwas Mut habe es gebraucht. Ihr sei klar gewesen, dass es Reaktionen auslösen würde – und dass sie dafür würde geradestehen müssen. Dass jedoch nationale Medien von NZZ bis Radio SRF aufspringen würden, habe sie überrascht.
«Warum eigentlich nicht?»
Der Vorschlag zum Slogan kam nicht von ihr, sondern aus dem SVP-Wahlkampfteam. Einer davon ist Ralf Menet, Parteisekretär der SVP Ausserrhoden. Eine Hamburger Politikerin, die vor gut zwei Jahren mit dem gleichen Spruch auftrat, nennt er freimütig als Inspirationsquelle. Die Frage, ob die Parteizentrale auf das farblich feminin gehaltene Plakat reagiert habe, verneint der Parteisekretär. Wahlkampagnen würden unabhängig von der SVP Schweiz gestaltet. Auch sei die Aussage selbstverständlich «nicht todernst» gemeint. Nach anfänglichem Zögern seien sie zur Ansicht gekommen: «Warum eigentlich nicht?»
Nichts liege ihnen ferner, als den Wert ihrer Kandidatin als Frau zu schmälern. «Es ist ein Wortspiel, das auf einer Redewendung aufbaut», sagt Menet und fügt an: «Wenn man etwas unbedingt falsch verstehen will, dann versteht man es falsch.» Die SVP sei zwar eine konservative Partei, aber auch an ihr gehe der gesellschaftliche Wandel nicht vorbei. Im vergangenen Jahrzehnt habe sich in dieser Hinsicht viel verändert, auch in der SVP. «Inge Schmid macht sich unter anderem für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stark – wie mittlerweile viele Frauen in der SVP.» Mit Humor reagiert Schmids zweiter Konkurrent, der parteiunabhängige Peter Gut: Auf Facebook inszeniert er sich als eine Art «Conchita Gut».
Der Wahlslogan der Ausserrhoder SVP-Regierungsratskandidatin Inge Schmid arbeitet mit einem rhetorischen Kunstgriff: die gezielte Verkehrung von Wort und Bedeutung. Es wird «Mann» gesagt und «Frau» gemeint. Dieser Konventionsbruch geschieht laut Andreas Härter, Titularprofessor für Deutsche Sprache an der HSG, bewusst: «Das Potenzial liegt darin, dass die SVP auf das Vorurteil ihrer Gegner zielt, in der Partei herrsche Männerdominanz.» Dieses packe sie beim Schopf und spiele es «auf Kosten der SVP-kritischen Wahlkonkurrenz» in einer Art «Zurück an den Absender»-Geste zurück.
«Dabei bleibt allerdings erhalten, dass die Partei auf dem Plakat mit dem Mann als Massstab politischen Gewichts operiert.» Dass die Kandidierende jedoch offensichtlich eine Frau ist, verstärke wiederum die Ironie. Die zu wählende Frau sei «auch als Mann» empfehlenswert. Die rosaviolette Einfärbung verstärkt aus semiotischer Sicht, also aus dem Blickwinkel der Zeichentheorie, dieses Spannungsfeld zusätzlich. (oh)